Wo zieht Kunst die Grenzen? Oder auch, wenn ich schon mal Kunstgeschichte studiere kann ich euch gleich mal teilhaben lassen. Das erste Fachsemester in der Kunstgeschichte ist fast überstanden und endlich schreibe ich mal über ein Thema, welches ich mal hier irgendwo angekündigt habe. Der Rahmen, in dem die interessantesten Sachverhalte meines Studiums aufgeworfen wurden wäre wohl ein Seminar gewesen, welches sich mit der Bedeutung von Hexendarstellungen vom Altertum bis in die Neuzeit beschäftigt. Von Goja, Waterhouse über Kenneth Anger, W.I.T.C.H, bis zu LaVeys war alles dabei. Schließlich kamen wir zu einer bis dato mir restlos unbekannten Dame namens Ana Mendieta. Das Referat offenbarte folgendes:
Im Jahre 1972 stand die Studentin Ana Mendieta nackt vor einer weißen Wand in einem der Räume der Intermedia Studios und sah zu wie ein Huhn von ihrem Professor mit Hilfe eines anderen Studenten enthauptet wurde. Anschließend greift sie das (immer noch zappelnde Huhn) an den Füßen und hält es nun mühsam vor ihrem Körper fest. Die Flügel des kopflosen Huhns schlagen immer noch, das Blut verteilt sich in alle Richtungen.
So viel zum Performanceablauf. Die Aktion der Künstlerin wird gerne mit dem Glauben der Santería in Verbindung gebracht. Dies ist zwar nicht falsch, aber auch nicht wirklich richtig. In erster Linie wollte die Studentin die Gewalt, die sowohl von der Gesellschaft als auch von den Männern ausging aufzeichnen. Gleichzeitig wollte sie sich gegenüber ihren männlichen Seminarsteilnehmern beweisen, denn sie war damals die einzige Frau.
Das Motiv des Tieropfers hat Ana Mendieta wie bereits erwähnt aus der ethischen Religion namens Santería. Santería ist afrikanischen Ursprungs und kam sowohl im 18. Jahr als auch im 19. Jhr aufgrund des spanischen Sklavenhandels nach Kuba rüber geschippert.
Darüber waren die Spanier damals auch noch so freundlich gewesen ihr menschliches Eigentum zu zwangschristianisieren. Die frisch gebackenen nicht ganz freiwilligen neuen Gläubigen wurden zu regelmäßigen Gottesdienste gezwungen, was ihnen allerdings gar nicht so unrecht kam. Unter dem Mantel des Katholizismus gelang es den Sklaven ihre ursprüngliche Religion weiterhin zu praktizieren. Das Fehlen ihrer heiligen Statuen revidierten sie durch die Umdeutung der katholischen Ikonen.
Aufgrund der vielen verschiedenen Plantagen auf denen die Sklaven mehr oder weniger abgeschottet lebten entwickelten sich im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Nuancen der Santería. Begünstigt wurde die rasche Differenzierung, durch das Fehlen (bis heutige Fehlen) einer einheitlichen Heiligen Schrift wie wir und eigentlich alle großen Weltreligionen kennen. Damals sowie heute gab es schlichtweg niemanden, der sich dazu ermächtigt genug sah zu bestimmten was allgemeiner Konsens werden sollte und was nicht.
Essentiell an dieser Religion ist (wie bei allen anderen Religionen) die Huldigung ihrer Ikonen. Mit der Opferung des Huhnes soll einem der vermenschlichten Geistwesen/Götter (Orishas) gehuldigt werden. Das Blut dient dabei als Symbol der Eigenermächtigung der Frau gegenüber des Mannes, der Welt und der Gesellschaft. In unserem Seminar kam nach der Vorstellung des Projektes dann im Laufe der Diskussion, die Frage nach der Ethik hoch und die Gesprächsrunde endete (leider) in einer Grundsatzdiskussion. Meine persönliche Meinung ist dazu übrigens recht eindeutig, aber dröseln wir das Thema einfach mal auf. Mit Fragen wie: