Herzliches Durcheinander

Am selben Abend nach dem Abschlussessen und den Escape-Games hieß es nun… Party Time! Für viele, aber nicht für mich. Spätestens als unsere, vor Müdigkeit hyperaktive Freunde, ins Zimmer stolperten, bepackt mit einer riesen Tüte voller Energy- Drinks wussten Marvinchen* und Ich: Nein, wir würden die Nacht nicht zum Tage machen. Wir wollten die spießigen Langweiler spielen und keinen Zuckerkater am nächsten Morgen adoptiert haben. Unsere Augenringe alias Augengräber reichten uns schon. Der Concealer war mittlerweile leer. Also rein in die Federn. bzw. rein in die merkwürdig gemusterte Giraffenüberdecke und durchstarten in Richtung ‚Traumland‘. Die um 3 Uhr nachts reinschwärmenden Zimmermitbewohner bekam ich nicht mehr mit, ebenso wenig wie das anscheinend folgende einstündige Gequatsche, auch ohne Ohropax. Danke Tiefschlaf! Trotzdem hieß es am nächsten morgen eher mäßig erholt aufwachen. Ab zum Frühstück, was genauso karg wie am Morgen davor ausfiel. Gemüse, Obst vom Supermarkt und der wenige Jogurth. Ein Hoch auf meinen letzen Müsliriegel. Danach wollte ich eigentlich meinen Rucksack packen, aber das vergaß ich beim Anblick der Uhr wieder ganz schnell. 8:00, die Anderen würden garantiert erst um 10.00 Uhr aufwachen, wenn überhaupt. Es hätte mich nicht gewundert, wenn erst ihr Märchenprinz hätte kommen müssen um sie wach zu küssen. Ob ein Märchenprinz, allerdings in einem solchen Hostel in Krakau nach seiner Traumfrau suchen würde? Vermutlich. Schließlich ist der Prinz für Dornröschen ebenfalls ziemlich lange gereißt.

Nun hieß es meiner seits sich beschäftigen bis entweder die Anderen aufwachten oder ich selber einschliefe. Die zweite Variante erschien mir verlockender und so verzichtete ich auf meine Reiselektüre und hörte mir BBC WorldRadioStation an. Spätestens bei den neusten Ergebissen irgendwelcher Cricket und Ice Hockey Mannschaften schlief ich ein. Sportnachrichten sind doch zu irgendetwas gebbrauchen. Irgendwann mischten sich in meine Träume allerdings merkwürdige näselnde Geräusche. Ich wachte auf und hatte zu erst gar keine Ahnung wo ich war. Ich lag normalerweise nie angezogen in einem fremden Bett. Verdammt?! Doch ich behruhigte mich merklich, als ich das näselnde Geräusch als Schnarchen einer Zimmermitbewohnerin identifizierte. Die gedanklichen Nunchakus konnte ich wieder in meinem imaginären Rucksack verpacken. Schade eigentlich… Power-Napping sei Dank (sind 90 Minuten noch Power-Napping?), war ich gefühlsmäßiger erholter und hatte auch bessere Laune. Selbst lächeln konnte ich. Meine Laune änderte sich aber schlagartig als ich von meinem Schlafplatz zu Boden sprang und prommt in einem Nest voller Salzstangen landete. Krasch. Wisst ihr eigentlich wie schmerzhaft sich zerbrochene Salzstangen am Morgen an den Fußsohlen anfühlen können? Ich würde, dass nicht wegmachen. Schließlich waren es deren Salzstangen, nicht meine. Überhaupt: Unser Zimmar sah aus wie eine einzige Müllhalde. Dem Anschein nach zu urteilen hatten meine Mitbwohner nachdem aufstehen irgendwie leise weiter gefeiert oder sämmtliche Verpackungen Krakaus umweltfreundlich gesammelt und wahllos aufgerissen. Das Zimmer war, außer mir und dem mittlerweile nicht mehr schnarchenden Wecker, leer. Alle beim Frühstück. Also noch eine Runde Tee für mich… Den jammernden Wecker ignorierte ich.

Erstaunlicherweise sahen alle anderen überhaupt nicht aus wie durchgefeiert. Eher nach Normalstadium: Ich bin so müde. Der Zuckerkater wollte bei einigen trotzdem kuscheln. Das einzige Indiz, für die gestrige Party war der auffalende überdurchschnittliche Kaffekonsum und dass niemand etwas aß, da vielen noch die nächtliche Pizza im Magen lag.

Was nach dem Frühstück folgte war : packen, saugen, sauber machen, saugen, sauber machen und fegen. Warum gibt es eigentliche keine Jugendgruppe, deren Zimmer aufgeräumt sind?  Bis 12:00Uhr kämpften wir uns rapfer durch riesige Müllerberge und Tälern aus einem Staub-Salzstangen-Blechschnippsel-Gemisch. Stolz schwenkten wir heroisch die „Mission complete “ Flagge und durften dann ersteinmal warten. Jungs brauchen trotz geringer Anzahl merkwürdigerweise länger.

Durch die Zeitverzögerung mussten wir so zum Hauptplatz von Krakau stratzen. Vorne weg unser Navigator mit keinem Plan und riesen Schritten, wir alle hinter her bereits fast joggend. Unterwegs wurde keuchend besprochen, was wir nun mit unseren nächsten 2 Stunden anfangen sollten. Die Freizeit musste gut genutz werden. Für den jüdischen Friedhof bräuchten wir mehr Zeit und so ganz geheuer war uns der polnische Nahverkehr auch nicht wirklich. Die etwas außerhalb liegenden Märkte waren ebenfalls zu weit weg, denn die Ansage lautete: Wir könnten nicht warten, da unser Bus um Punkt 15.30Uhr zum Flughafen abführe.Wer nicht da seit müsse irgendwie alleine nach kommen.

 

My Castle is my home...

My Castle is my home…

Rynek Starego Mista

Ich zog meine Augenbrauen zusammen, ich war eine Niete in Sachen Stadtplänen. Ich hoffte einfach mal, dass meine beste Freundin und eine weitere Freundin eine Idee von Orientierung hatten. Unser erstes Ziel war die Kirche, in der Nähe des Platzes. Die Besucherschlange jedoch war so lang, dass wir uns nur auf Fotos vom Reiseführer beschränken und von außen wild knippsten. Danach schlugen wir uns todesmutig in die Seitengasse, die Großstadtsafari hatte begonnen. Leider sahen wir weder scheue Zebras oder faule sich sonnende Löwen dafür aber sehr süße Spatzen und wir fanden sogar per Nase unser Ziel. Ein Buchladencafé. Zumindest glaubten wir ihn gefunden zu haben, denn Marvinchen* konnte sich leider nicht mehr so ganz an die Lage ihres Lieblingscafés erinnern, wobei uns dass mittlerweile herzlich egal war denn es fing an zu nieseln. Aus dem Nieseln wurde dann ein Fieseln, dann Regen und irgendwann öffneten sich die Wolkentore ganz und es fiel monsunartig gefühlt die Hälfte des Atlantik zwischen die Gassen. Wie schön, dass wir weder Regenjacke noch Schirm besaßen. Im Gegensatz zu uns hatten sämtliche Touristen oder Einheimische ihre Schirme dabei und hatten auch keine Angst von diesen gebrauch zu machen, so dass binnen Sekunden nach den ersten richtig dicken Tropfen ein Meer aus bunt, auf und ab hüpfenden Regenschirmen sich vor uns auftat. Leider bleibt davon ein obligatorisches Beweisfoto in Krakau, denn in dem Moment ging mein Akku flöten.

Doch zurück zum Buchladen. Er war für uns nun nicht mehr bloß ein Symbol des Wohlfühlens und der Trockenheit sonern eine Art Tempel des Wissens der Geborgenheit und der Rettung vor dem ewigen wütend tosenden Sturzregen… Wir betraten den Laden, die Tür fiel ins Schloß und wir standen in einer Höhle voller deckenhoher gefüllter Regale mit Büchern…

Wir alle drei summten plötzlich unsere eigene Fassung der behrümten Tokio Hotel Fassung…

Duch den Konsum

bis ans Ende der Welt

bis kein Geld mehr fällt…

Irgendwie waren wir froh, dass keiner von uns eine Kreditkarte besitzt, dazu konnten wir außer unser Lebensmittelvokabular selten etwas anderes verstehen. Unsere fehlenden Sprachkenntnisse machten den Buchtiteln aber keinen Abbruch.

Mich deucht, dass unsere polnischen Freunde actiongeladene, dramatische und neon-farbene Schrift Einbände lieben.

Meine liebe Mrs. Bücherwurm in anbetracht der Umstände ermesse ich ihre Vermutung als absolut korrekt.

Ein Rest Brecht bzw. Theaterprache war also auch noch hängen geblieben…

Nachdem  jeder von uns in seiner Lieblingsabteilung verschwunden war (und das für laaange Zeit), trafen wir uns eher zufälligerweise alle bei den Postkarten wieder. Retro-Teenager. Ob ihr glaubt oder nicht, jeder von uns kaufte mindestens drei Postkarten. Ich setzte sogar noch ein drauf, wir haben sie beschrieben und sogar abgeschickt. Der Monsun hatte während unserer Bücherjagd anscheinend aufgehört, so dass wir nach gefühlten Stunden in den frischen Sonnenschein traten. Nächstes Ziel? Wir hatten keinen so wirklichen Plan, aber unser Magen gab eindeutig die Richtung Supermarkt vor. Der nächste Tempel der Ernährung war allerdings kein polnischer Discounter sondern eine waschechte Deutsche Markentkette. Erstaunt blieben wir vor den Schaufenstern stehen, dann plünderten wir arglos die Regal wobei wir feststellten, dass 80% aller Produktnamen auch deutsch gedruckt worden waren. Wahnsinn. Heimatflash hoch drei… Souvenirs fanden wir allerdings nicht, zumindest keine hübschen. Und erzgebirganmutende Borten und Holzarbeiten brauchte keiner von uns.  Dafür probierten meine zwei anderen Gefährten mutig einen chałk und einen Obwarzankibeides polnisch traditionelle Backwaren…

Häuser Fassade

Ich vermute die Johanneskathedrale?

Ich vermute die Johanneskathedrale?

 

Wobei Chałka den jüdische Hefezopf bezeichnet, der in die polnische Backwarenwelt einfach übernommen wurde. Obwarzanki ist ein typisch polnisches kreisrundes Brotgepäck, dessen Ursprung tatsächlich in Krakau liegt. Er besteht aus zwei- drei Hefesträngen und in Salzwasser blanchiert wurde. Anscheinend recht lecker, auch wenn er ein bisschen trocken war. Die Varianten des Gebäcks belaufen sich auf: Neutral, salzig und scharf. Scharf läuft allerdings eher unter würzig. Süß schmecken die Gebäckringe übrigens nicht… Nach der Mittagspause ging es dann weiter zum Stadttor und zum nahe gelegen Park, da dieser einmal um die gesamte Innenstadt herum läuft und wir so problemlos im Kreis spazieren gehen konnten. An ihm liegen übrigens auch viele Sehenswürdigkeiten wie die städtischen Universitäten, Statuen, das Castle, ein weiteres Schloss (das wir nicht fanden) und mehrere Museen. Wovon wir leider ebenfalls keines besichtigen konnten, da sie entweder die Austellungen wechselten oder sie geschlossen hatten.

 

Heiligen Versammmlung...

Heiligen Versammmlung…

 

 

Stadtor

Stadttor

 

Später trudelten wir dann gemütlich zurück zum Treffpunkt, wobei uns unsere Müdigkeit wieder einholte und eine kleine Pause gerade richtig kam, schließlich hatte ich meinen Babybrei noch nicht gegessen. Doch davor sahen wir per Zufalls, dass wunderschöne Krakauer Theater, in dem anscheinend eine sehr renommierte polnische Schauspielern auftrat. Schnell ein Andenkenfoto geknippst und schon war unsere Reisegruppe fast komplett. Doch eben nur fast, auch nach 10 Minuten des eigentlichen Zeitpunkts waren wir noch nicht vollständig. Unser Lehrer lief emotional Amok und wir erfuhren, die Anderen waren dort wo wir gestern unser Abschiedsessen hatten. Das waren allerdings gute 45 Minuten weg, somit stand fest: Sie würden auch nicht mehr pünktlich kommen. Also sind wir kurzerhand ohne sie los. Wir mussten schon rennen, am Bahnhof angekommen hieß es dann rechts, links, ducken, springen, Treppen rauf, Treppen runter, Treppen wieder rauf und sämtlichen Touristen ausweichen, die uns aus unerfindlichen Gründen nun entgegen strömten. Da soll mal jemand sagen, Jump n‘ Run Spiele seien nicht nützlich… Während des Rennens hörte ich von weiter hinten einen Freund rufen: It’s me Mario. Ich war allerdings recht froh über die fehlenden Gumbas, Koopers. Zählen die Touristen als Koopers? Wenn wir sie so behandelt hätten wir Mario wären Bowser dann auf jeden Fall die Security. So ein Superstern wäre schon nicht ganz unpraktisch. Ach was rede ich da… Sonic uns seine Freunde sind eh viel cooler. Jepp, das ist mein voller Ernst. Aber wo war ich? Ach ja, völlig verschwitzt kamen wir am Bussteig an und warteten und warteten. Aus 5 Minuten wurden 10 und kurz bevor sich die Bustüren schlossen sprangen die letzten Vermissten auch noch in den Bus. Jetzt waren wir vollständig. Dachten wir…

Der Bär im gelben Haus

Der Bär im gelben Haus

Denn zwei der Nachzügler mussten wohl unbemerkt verloren gegangen sein. Der emotionale Amoklauf wiederholte sich am Telefon und die ehemaligen Nachzügler bekamen auch noch einmal eine verbale Folter. Vielleicht war Bowser sogar direkt unter uns?  Die Zwei würden aber sicher mit dem Taxi nachkommen. Sie hatten Zeit…  Dachten wir ebenso, doch Himmel wurde unser Abflug plötzlich hektisch. Von folgenden Zickenkriegen, Diskussionen und noch nicht abgehakten Fehden von der Zimmerverteilung werde ich jetzt nicht anfangen. Warum die genau entstanden weiß ich bis heute nicht. Die Betroffenen vermutlich selbst auch nicht so genau. Aber wenn man selbst angemeckert wird, dann wird auch zurück gemeckter. Vorwurfkarusell, wir lieben dich nicht.  Nach 50-minütiger 32° Hitze (Ich hatte brav lange Jeans eingepackt…) wurden wir endlich ausgespuckt. Die heimische Security beinhaltete nicht mehr Joker und Harle Quinn, dafür ganz andere Gestalten, die nicht minder gruselig waren. Ich würde sie eher mit den folgenden Phänotypen und deren Charaktereigenschaften beschreiben: Hulk, Abomination und Galaktus. Nur ernährte sich Galaktus nicht von Planeten sondern von den Nerven wehrloser, übermüdeter Reisender. Egal, ob sie freundlich, schnell, langsam oder des Englischen nicht mächtig waren. Sie alle wurden durch unfreundliche Befehle auf Polnisch und grobe Herumschieberei verschlungen. Bevor ich überhaupt auf Englisch meinen Mund zum Protestieren aufmachen konnte, schob mich meine Freundin schon weiter und wir evakuierten uns selbst aus der Gefahrenzone hinaus.

Das große Sitzchaos möchte ich euch jetzt in näherer Beschreibung erparen, nur so viel: Niemand wollte neben dem sitzen nebem dem er laut Karte saß. Mario bekam Panikattacken und Schweißausbrüche weil er Angst hatte, dass sein Trommelfell platzen würde. Meiner Sitzreihe war es egal, also nicht die Sache mit dem Trommelfell sondern die Sache mit den Sitzplätzen. Der Pater* las sein Mathematikfachbuch. Mir war schlecht, hörte meine Stressplaylist auf voller Lautstärke und Ms. Sugarshypie umklammerte schon wieder mein Knie. (Ich hasse es, wenn ich ungefragt angefasst werde, besonders am Knie!) Doch mittlerweile war sie so weiß, dass ich sie nicht an die Flugzeugdecke tackern konnte. Marios Panikattacken wären gegen ihre ein zarter Frühlingswind gewesen. Die Crew wäre damit garantiert auch nicht einverstanden gewesen und so blieb ich geduldig sitzen. Black Angels , Danke!

Der Steward antwortete bloß auf die Frage meines Sitznachbarns: Hatten Sie schon mal so ein großes Durcheinander und Dramen beim Abflug?

Das ist völlig normaler Wahnsin… Er habe schon viel schlimmeres erlebt, dass hier sei nicht einmal die TOP 10.“ Dabei lachte er. Wir taten so als wären wir traurig und ich ergänzte : Na, wir haben ja noch das Verlassen des Flugzeugs. Worauf er dankend ablehnte. Er stehe, doch nicht so auf Passagierchaos.

Der Start war noch steiler als beim Hinflug. Jetzt hing mein Magen endgültig in der Kniekehle, die immer noch umklammert wurde… Man, man, man. Schlafende können aber auch hartnäckig und vor allem verkrampft sein.

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