Roman

Die Namenlosen, Teil I

Die letzten Tage gab es ein kleines Hin und Her mit der Geschichte. Sie sollte eigentlich am Sonntag erscheinen und dann zwitscherte mir eine Kiwi, dass hier ein paar Logikfehler etc. drin wären. Da ich ein wenig in sauer lag (zu wenig geschlafen, zu viele Konzerte) habe ich es erst einmal runter genommen. Jetzt ist es aber hoffentlich endgültig fertig und ich wünsch euch ganz viel Spaß:

Ausdruckslos starrte ich in die Leere. Am großen Platz vorbei hinein ins Nichts. Völlig unbeeindruckt von all den sich amüsierenden und aufgeregten Massen. Sie waren Schuld  gewesen wie immer in meinem Leben. Was hätte ich darum gegeben schreien zu dürfen, alle bösen Erinnerungen hier und jetzt aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Warum?! Warum konnte ich es nicht? Warum musste es uns treffen? Viel mehr warum ihn? Warum nicht mich…oder uns? Wer war denn so böse gegen jene, die noch nie auch nur irgendetwas verbrochen hatten, jene die seit Jahrhunderten verfolgt und verhasst wurden.… Wie konnten sie es wagen. Meine Kehle war wie zugenäht, zugenäht von verhassten, paranoiden Staatsführern, die an jedem und allem ein Exempel statuieren mussten und das Schlimmste war, die Mehrheit spielte mit. Aus Angst hielten sie sich versteckt. Wer wollte sich schon den Verurteilten anschließen? Noch nicht einmal die kleinsten Kleinstkinder wären so dumm gewesen. Hier zu leben war Selbstmord auf Raten, aber sich dagegen zu wehren pure Folter.

Bevor mich auch nur irgend jemand wahrnahm verschwand ich im Wald, irgendwohin. In unser altes Versteck konnte ich ja nun nicht mehr. Verbrannt hatten sie es und nicht nur dass, vorher hatten sie es auch noch zerstört und anschließend erneut ausgeräuchert. Natürlich nur um uns zu vertreiben. Wir, die möglicherweise noch irgendwo hätten liegen können unter den Trümmern begraben. Wie hatten sie uns nur finden können?! Ich hatte doch sämtliche Siegel verstärkt, alle Kreise neu gezogen, selbst die Steine neu gesät und doch hatte ich bei einem von uns dreien versagt. Eine Silbe zu schnell gesprochen, eine Linie nicht gleichmäßig gezogen oder eine Rune falsch gesetzt. Mir war klar, dass es jeder Zeit wieder passieren könnte… Dann wären wir wieder einer weniger und letztendlich ganz fort. Seit Jahrhunderten wurden wir bereits gejagt und nie war jemand von uns am Tod eines Mitglieds Schuld gewesen. Bis heute, heute war ich es. Ich versuchte den aufkommenden Würgereiz zu unterdrücken, ich wusste das es Amon wusste und er wusste, dass ich wusste. Sein Bruder war aufgrund meines Fehlers gestorben. Gerechtigkeit sah anders aus.

Ein Entrinnen würde es nicht geben, nicht mehr für ihn. Für keinen von uns. Vielleicht hätten wir ihn vor Jahrtausenden mit unseren Legionen retten können, aber Zeiten änderten sich.

Zu zweit, war es schlichtweg unmöglich. Dort wo Amons kleiner Bruder nun bis zu seinem Tod verweilte würde es düsterer und tödlicher sein, als die menschliche Hölle selbst.

Schon bei dem puren Gedanken stellten sich meine Nackenhaare auf. Gleichzeitig verlangsamten sich meine Schritte, meine Füße hatten mich automatisch zum Unausweichlichen geführt. Ich wusste was auf mich wartete, vielmehr lauerte. Ein verzweifelter Amon in der Hoffnung seinen Bruder wieder zu sehen. Ich hatte es ihm in aller Naivität versprochen. Ich hatte ihm geschworen Chumur zurückzubringen, schließlich standen die Chancen am Anfang sogar gut. Bis zu dem Moment, als Chumur gestand oder vielmehr dem Druck nachgab zu gestehen. Wie versteinert hatte ich zusehen müssen wie der Gong geschlagen wurde, der dumpfe Klang hatte meine Füße erfasst, meine Knochen durchdrungen und war durch die Mauern hindurch auf die Straßen getragen worden. Insgeheim hoffte ich, dass es Amon gehört hatte. In seinem Zustand, ihm den Tod seines Bruders zu verkünden machte mich wahnsinnig vor Angst. Gleichzeitig wusste ich je länger ich wartete, desto schlimmer würde seine Reaktion und ich wollte nicht noch jemanden verlieren. Nicht jetzt, selbst ihn nicht. Ich war schließlich kein Mensch. Wir würden schon einen Weg finden wie bisher immer.

Ich schloss die Augen, hörte auf meinen Herzschlag, versuchte ihn wahrzunehmen nur um ihn anschließend zu packen und zu schütteln auf, dass er endlich Ruhe geben sollte. Nichts geschah, ich begann sogar leicht zu schwanken. Sofort öffnete ich die Augen. Es musste enden, jetzt hier sofort, sonst würde ich noch vor Kummer verrückt.

Unsicher lehnte ich mich an den Stein und ließ mich innerlich fallen. Niemand, selbst der stärkste Rammbock hätte diese Wände zerbrechen können. Außer man war wie wir, nicht menschlich. Doch ehe ich mich überhaupt sammeln konnte, wurde ich an der Schulter gepackt und so stark herumgezerrt, dass ich das Gleichgewicht verlor. Wäre die Hand nicht gewesen, wäre ich vermutlich auf den harten Steinboden gestürzt.

Staub wirbelte auf und verklebte meine Wimpern, nur undeutlich sah ich die Gestalt vor mir. Dann ein erneuter Ruck durch meinen Körper, die Gestalt vor mir hielt mich gepackt wie ein Schraubstock. „Wo ist er?!“, donnerte es mir entgegen. Erst nach Sekunden begriff ich, dass es Amon war. „Sag mir wo er ist oder…“ er vergrub seine Fingernägel in mein Schlüsselbein und ich zuckte vor Schmerz zusammen. Durch den inzwischen wegeblinzelten Staub konnte ich seine Befürchtung geradezu wachsen sehen. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, dann erfasste der Schmerz der Verzweiflung seinen Körper, übermannte ihn und begann seine Seele zu zerfressen.

Bevor er sich wieder fassen konnte stieß ich ihn von mir weg und stolperte ein paar Schritte nach hinten. Bloß raus aus seiner Reichweite. „Du weiß ganz genau wo er ist“, flüsterte ich leise. Noch immer vermied ich der Wahrheit ins Auge zu sehen . „Ist-ist er tot?“, stieß Amon hervor. Ich ignorierte ihn, wusste er es doch selbst. „Antworte, Gott verdammt!“, hörte ich ihn schreien. „Es gibt keinen Gott, es gab nie einen, und es wird auch nie einen geben! Jedenfalls nicht für uns…“, schrie ich zurück. Da gaben seine Beine endgültig nach und er fiel auf die Knie, vergrub sein Gesicht in seine Hände. Sein Körper fing stark an zu zittern und seine Schreie hallten noch Minuten in dem uralten Höhlensystem wieder. Das war keine Verzweiflung mehr, dass war purer Zerfall. Alles erbebte: Mark, Bein, der feine Staub, selbst die Wände schienen zu vibrieren unter dem puren Schmerz eines liebenden Bruders.

Ich ließ ihn schreien, kein einziges Wort und keine einzige Geste hätten ihn beruhigen können. Gegen Schmerz gab es nur ein Mittel und dass war die Zeit. Er konnte nicht endlos so weiter schreien, irgendwann würden seine Stimmbänder nachgeben oder sein Bewusstsein. Unentschlossen zog ich mich zurück, bemerken tat er mich nicht und schließlich nach schier endlosen Minuten sollte ich recht behalten. Sein Schluchzen wurde leiser, seine Schreie kürzer und das Husten und Röcheln lauter bis er letztendlich ganz verstummte.

Dann Stille, weder ich noch er bewegten sich. Keiner von uns schien zu atmen, jeder von uns schien auf die Reaktion des anderen zu warten gespannt wie ein Flitzebogen. Auch nur ein falsches Wort und das Grauen würde von vorn beginnen. „Warum? Warum musste es ihn treffen?“, Amon rang nach Luft. Erschöpft und immer noch zitternd stemmte er sich hoch und drehte seinen Kopf schwach in meine Richtung. Sein Blick war leer und tot, ich erschauderte. „Hör zu“, fing ich an, „es gibt Dinge, die können selbst wir nicht verstehen.“, nun brach meine Stimme. Ich war immer noch angespannt, wie viel Zeit blieb mir noch ehe er eins und eins zusammenzählte und mich beschuldigte. Mein Sichtfeld verschwamm und ich presste die Augen zusammen, jetzt bloß nicht weinen. Nicht hier und nicht vor ihm, einer von uns musste einen kühlen Kopf bewahren. Zumal ich ihn wohl bald brauchen würde.

Anstatt mich meiner Trauer hinzugeben starrte ich wie gebannt auf den Boden, doch irgendwann gab mein Wille den Geist auf. Meine Beine wurden weich und ich glitt die Steinwand herunter dort kauerte ich mich zusammen. Das Einzige, was ich jetzt noch wollte war schlafen. Schlafen, schlafen schlafen. All das schlechte, all das Grauen der letzten Stunden vergessen, aber ich wusste es würde nicht funktionieren. Solche Dinge konnte und durfte man nicht vergessen…

Verträumt dachte ich an die Zeiten, als ich noch so etwas wie glücklich gewesen war. Niemand hatte auch nur eine Notiz von mir oder gar von meiner Familie genommen. Wir waren stinknormale Bauern gewesen, nicht besonders reich aber zufrieden. Es reichte zum Leben und es gab schlimmeres als auf dem Feld zu arbeiten. Selbst unser Lehnsherr war gütig gewesen vielmehr streng, aber gerecht. Ungern erinnerte ich mich an die Geschichten von den fahrenden Spielleuchten, ich hatte sie bis dato immer für Schauermärchen gehalten bis zu dem Tag an dem unsere Äcker abgebrannt wurden und ich mich inklusive meiner Eltern plötzlich auf der Flucht befanden. Erst dann fand ich heraus, was ich wirklich war und dass mein Leben nie wieder so sein würde wie vorher. An dem Tag der Flucht verlor ich nicht nur meine Eltern, nein ich verlor alles was ich bis dato kennengelernt hatte: Geschwister, Freunde, Verwandte, Nachbarn und meine Heimat.

Wie durch ein Wunder gelang es mir zu entkommen und wie das Schicksal es so wollte stieß ich auf Amon und seinen kleinen Bruder. Amon wollte mich zuerst verraten, sah dann aber ein dass ich recht nützlich war und behielt mich dann doch widerwillig. Schließlich konnte ich lesen, schreiben und dass was mir mein Vater sonst noch so gelehrt hatte. Wie dumm ich gewesen war, mich vorher nicht zu fragen weshalb ich über die Dinge nie mit anderen reden durfte. Wie dämlich von mir, dass ich dachte es sei normal Sachen zu bewegen ohne sie jemals berührt zu haben.

Wir zogen einige Zeit durch die Länder, möglichst bedacht darauf unentdeckt zu bleiben. Drei arme Waisen getarnt als Kinder von gewöhnlichen Schmieden, Bäckern oder Stallmännern. Eines Tages gelangten wir an den Rand des Tals, in dem die Stadt so friedlich lag. Unschuldig und fast noch unberührt. Es gab nirgendwo Anzeichen darauf, dass wir auch hier gejagt werden sollten. Es wurden weder Waffen verkauft noch hingen hier irgendwo Aushänge, die die Bewohner anstacheln sollten die Augen aufzuhalten. Selbst heute, selbst nach diesem Vorfall änderte sich weder das Verhalten noch das Äußere der mittlerweile nicht mehr ganz so winzigen Stadt. In dem Sinne war es sogar noch schlimmer als in den südlicheren Großstädten. Hier glichen die Aristokraten Schlangen, die nur darauf warteten dass sich jemand zeigte und dann wurde kurzer Prozess gemacht. Ohne Kommentar, ohne großes Aufsehen… Oder war der Geburtstag des Kaisers Schuld gewesen? Färbte der nationale Eifer auf den Charakter der Gesellschaft ab? Tief in meinem Inneren zweifelte ich, Menschen waren und blieben grausam ungeachtet der äußeren Umstände. Wie viele Menschen würden in den nächsten Tagen wohl anreisen? Hunderte, Tausende? Eine Hinrichtung unseresgleichen am Nationalfeiertag hatte man noch nie erlebt, es würde sicherlich ein großartiges Fest werden. Allein die Vorstellung jemandes Todes so ausgiebig zu feiern war einfach nur zu grausam um wahr zu sein.

Ich wollte gar nicht wissen, wie Amon sich fühlen müsste. Schließlich erlebte ich es zum ersten Mal, er nun zum dritten oder vierten? Ich war mir nicht mehr sicher wusste ich nur, dass er bereits seine gesamte Familie verloren hatte. Um ehrlich zu sein, war es noch nicht einmal wirklich wichtig. Für uns zählte nur die Gegenwart und der nächste Tag. Weiter trauten wir uns nicht zu denken, früher war es anders gewesen. Zumindest für mich bis ich eines nachts  von meinen Eltern wachgerüttelt und anschließend in einem Kartoffelsack auf einem Wagen verstaut worden war.

Rezension, „die Heimkehr“ von Peter Georgas Frey

Was lange währt, wird endlich gut und deshalb präsentiere ich nun die lang versprochene Rezension zum ersten Teil der geplanten Aurumer-Trilogie von Peter Georgas Frey. Wer zur Rezension des zweiten Teils möchte, der darf gerne hier klicken. An dieser Stelle übrigens noch einmal ganz lieben Dank an den Herren Autor, der mich mit dem Bücherpaket ein klein wenig gerettet hat ansonsten wäre Irland vermutlich nur halb so spannend geworden.

Die grobe Handlung habe ich bereits im Rahmen des Prologs des zweiten Bandes grob wiedergegeben, jedoch wäre eine Rezension ohne Handlungsbesprechung keine Rezension.

Vor gut 100.000 Jahren stürzte ein Raumschiff einer extraterrestrischen Rasse auf die Erde herab.

Das Schiff war hinüber. Reparieren war mit den ihnen zugänglichen Mitteln unmöglich, denn das Einzige was die Aurumer auf der Erde vorfanden, waren Neandertaler und andere Homospezies.  Von dort an planten die Gestrandeten den Bewohnern der Erde technisch ein wenig auf die Sprünge zu helfen und so nahm die Neolithische Revolution ihren lauf.

Je länger das kleine Grüppchen jedoch auf der Erde verweilte, desto ungeduldiger wurden es. Die Folgen sind verheerend, der menschliche Geist zu langsam um den Fortschritt angemessen zu verarbeiten und so kommt es über Jahrhunderte hinweg zu Aufständen, Weltkriegen und dem heutigen politisch- ökonomischen Machtgefüge wie wir es heute kennen. Letztendlich beginnen auch noch ihre menschlichen Identitäten zu bröckeln, ebenso verändert sich das Selbstverständnis einiger Alienzugehöriger drastisch und damit die gesamte Gruppendynamik. Plötzlich sehen sich die Aurumer ganz anderen Problemen gegenübergestellt als nur nach Hause zu kommen…

Ich weiß dieser Punkt dürfte nur für mich gelten, dennoch möchte ich hervorheben das die Einleitung diesbezüglich des Plots und der einzelnen Charaktere einen wesentlich größeren Teil einnimmt als im Folgeband. Absolut logisch und verständlich, was mir ermöglichte die geschlossene Gesellschaft der Besucher auf Erden noch einmal genauer kennen zu lernen.

Was mir dagegen sehr wohl bekannt war, war das Setting der Geschichte. Zu dem lässt sich allerdings nicht sonderlich viel sagen, da die Handlung in einer Welt spielt, die unsere zu 99,9% gleicht. Nur zwei Umstände unterscheiden die Umwelt des Romans von unserer Welt. Erstens gewisse Personen wurden per Annagramme anonymisiert oder umbenannt und zweitens die Menschheit wurde von Alien infiltriert. Was mich ebenso erfreut hat ist, dass der erste Band noch mehr Science-Fiktion als der zweite Band beinhaltet. Nicht selten werden extraterrestrische Besucher instruiert ohne näheren Hintergrund und der Leser muss den Fakt dass eine funktionierende außerirdische Rasse die Erde beherrscht schlichtweg hinnehmen. Hier ist es nicht so, es werden einzelne Aspekte des Aurumerlebens auf der Erde beleuchtet sowie der Vorgang mit dem sich die Aurumer am Leben erhalten ohne zu sterben. Denn keine menschliche Hülle hält 100.000 Jahre. Aber nicht nur Technik wird beschreiben, nein auch die näheren Schauplätze insbesondere das CERN liegt im Augenmerk des Autors. Zwar waren diese manchmal dann doch etwas zu lange, aber darauf gehe ich später noch einmal tiefer ein.

(mehr …)

23. Türchen:

„Aufgabe? Geheim!“ – Walle-E

Brumm, Brumm. Dieses Brumm-Brumm-Etwas ließ mein Bett vibrieren. Ich drehte mich wieder zur Wand, schließlich war Samstag. Samstag, da stand ich für gewöhnlich nie auf. Nie, egal was war: Umzug, Bauarbeiten, fuchsteufelswilder Kumpel, selbst bei einem Erdbeben wäre ich liegen geblieben. Das Haus war eh so marode, dass aufstehen auch nichts genützt hätte. Bevor man auch nur die Tür hätte erreichen können wäre man erschlagen worden. Deckel drauf, Mensch tot. So einfach war das. Brumm, Brumm machte es wieder. Immerhin war es ein sehr angenehmes an mein Bett stoßen. Erdbeben könnten anscheinend sogar beim Wiedereinschlafen helfen. Das Geschunkel in meinen Traum einbauend döste ich weiter. Nur moment, seit wann brummten Erdbeben? Ich stöhnte… Also kein Geschenk von Mutternatur. Jetzt begann auch langsam mein Kopf zu schmerzen. Gut, sagte ich langsam? Ich meinte schnell. Mein Kopf glich einem chinesischen Feuerwerk. Selbst ein Schlag in die Fresse fühlte sich angenehmer an. Merke: Zwei Schwermatrosen sind nix für einen leeren Magen. Brumm, Brumm machte es wieder. Dieses Mal lauter, drängender. Ich jaulte… Mein Kopf. Das Hämmern wurde heftiger. Welcher Vollpfosten besaß den Schlüssel zu… „Verpiss dich“, grummelte ich. Egal wer es war, er sollte gehen – sofort. Es folgte leises Getrappel, dann wurde das Brummen leiser. Endlich. Zumal ich jetzt sicher sein konnte, dass es kein One-Night-Stand gewesen war, denn diese ließen sich für gewöhnlich nicht mir einem „Verpiss dich“ abwimmeln, schon gar nicht die Hübschen.

Langsam schob ich mir die Decke über den Kopf. Bloß nicht zu schnell bewegen, meldeten meine Muskeln. Aber ehe ich wirklich wieder Einschlafen konnte wurde das Trappeln wieder lauter und dann, dann gab es einen kräftigen Rumms und mein komplettes Bett erzitterte. Die Matratze senkte sich und ich flog ein Stückchen in die Luft. Mein Kopf explodierte, ich wimmerte. Jetzt rebellierten nicht nur Kopf und Muskeln, nein auch der Magen kam jetzt hinzu. Wütend tastete ich nach einem Kissen. Wer auch immer das gewesen war… Reflexartig schlug ich die Augen auf und versuchte mein Ziel zu erhaschen – da ein blonder roter Fleck am Fußende meines Bettes. Ich holte aus und hielt inne. Der rote Fleck wackelte und kam über die Decke auf mich zu gelaufen. Das fanden ich und mein Körper noch weniger lustig und ehe ich mich versah hörte ich ganz dicht an meinem Ohr: „Brummmmmmmm!“ Dann schnellte es an mir vorbei. Ich zuckte zusammen. Um ein Haar hätte es mich am Auge erwischt. Nicht das es mir etwas ausgemacht hätte, außer unförmig umher tanzende Lichtpunkte sah ich immer noch nicht. Was es auch gewesen sein mochte, offensichtlich wollte es, dass ich aufstand. Wenn ich erfuhr, wer das war…

Mürrisch setzte ich mich in Bewegung. Wer wusste schon wie ewig dieser Schlafterrorimus anhalten würde? Mein Magen hatte sich bereits auch wieder beruhigt. Zumindest hing er mir nicht mehr direkt im Rachen. Auf ging’s! Zuerst ein Bein über die Kante, dann Zehen ausstrecken, wo war der Boden? Da. Urks war der kalt. Sofort bildete sich von meinem Knöchel aus über die Wade noch eine Schicht Gänsehaut. Erstmal Pause. Bloß nicht nachdenken. Vorsichtig fühlte ich nach meinem Arm… Dann nach dem Anderen beide waren da. Logisch, wie hätte ich mich vorhin auch abstützen können? Wie in Zeitlupe beugte ich mich nun nach vorne. Jetzt kam die Königdisziplin, das Aufstehen. Gefährlich kippte ich nach vorn.  Verdammt – wo war mein Gleichgewichtssinn hin? Der näher kommende Boden begann sich zu drehen.

Los, Gehirn! Stell scharf. Lass mich nicht auf Brennweite 16 sitzen. Krampfhaft versuchte ich die Augen offen zu halten und tatsächlich. Allmählich verschwanden die Farbflecken. Die Wand vor mir wurde langsam scharf und nach einer gefühlten Ewigkeit, hatte ich meinen Kopf soweit, dass er mich tatsächlich aufrichtete. Apropos funktionierende Sinne, hier müffte es. Mit einem Fuß tappte ich voran, der Boden wackelte noch bedenklich, doch ich schaffte es gerade so zur Fensterbank. Ein Glück sie war leer ansonsten wäre sie spätestens jetzt leer gewesen. Meine zitternden Hände griffen nach den Vorhängen. Leicht zog ich daran, nichts. Der Stoff zeigte sich unbeeindruckt und blieb noch genauso hängen wie einige Sekunden zuvor. Mist. Mehr Kraft hatte ich im Moment nicht, geschweige denn die Geduld. Da ertönte leises Gekicher unter mir und ein gewaltiges Ratsch war zu hören. Ich kniff meine Augen zusammen. Scheiße war das hell! Meine Netzhaut brannte. Konnte man von Sonnenlicht erblinden? Schnell drehte ich mich weg vom Fenster, das wiederum mochte mein Kopf gar nicht. Verdammt. Innerlich verfluchte ich Matthias dafür, dass er mich überredet hatte dieses Gebräu zu trinken….

Was war da nochmal drin gewesen? Scheiß drauf. Wenn die Leber versagte, hatte man laut Professor keine Schmerzen. Niere sowie Leberversagen scheinen die angenehmsten Organversagen zu sein, die der Körper so zu bieten hat. Mit einer Hand vor meinen Augen, mit der anderen suchend nach dem Fenstergriff tastend muss ich für den Irren in meiner Wohnung wahrscheinlich sehr lustig aussehen. Mittlerweile hatte ich einfach beschloßen nicht weiter nachzuforschen wer dort in meiner Wohnung umher wütete. Wenn derjenige sich zu erkennen geben wollte sollte er es tun, bis dahin war er lediglich ein Irrer für mich und entweder ich hatte Glück und er war mir wohl gesonnen oder ich würde demnächst in einem Sack entschlafen. Das Pochen fing wieder an. Gut, zu viel denken ging anscheinend noch nicht, da der Hebel. Ich ließ mich fallen. Mein gesamtes Gewicht drückte auf den Fensterhebel und es funktionierte. Kipp musste fürs erste reichen.

„Tatütata“, hörte ich jetzt wiede,r diesmal von noch weiter weg. Wer auch immer es war, er verstand es seine Mitmenschen eindeutig zu nerven, dass schaffte selbst Jim nicht. Höchstens meine Mutter oder…  Jesus Christus! Klein, Blond, nervte, trug etwas Rotes?! „Bitte nicht“, flüsterte ich. „Bitte, bitte. Lass es nicht war sein“ Ich tappte Böses ahnend mehr schlecht als recht in den Flur. Vor der Haustür quer in der Diele lagen ein grüner Anorak, lilafarbene Stiefel, ein dreckiger gelber Turnbeutel und jede Menge Wachsmalstifte. Meine Schwester…! Wie zur Hölle war sie hier rein gekommen? Wer außer mir hatte noch einen Schlüssel?! Kopfschmerzen waren vergessen. Die Übelkeit wurde sofort hinuntergeschluckt, zumindest fürs erste. Denn neben dem schwesterlichen Kleinchaos, kringelten sich bunte süß-sauer Schlangen um die Spüle herum, auf der Anrichte lagen ein paar angebissene Orangen und im Wohnzimmer ergoss sich eine Klamottenflut über den anscheinend wie auch immer nass gewordenen Boden. All das kandiert von einem geplatzten Tetrapack 1,5% fetthaltige H-Milch! „Was hast du da getan?!“, stieß ich wütend hervor.

Aus meiner gestrigen noch einigermaßen betretbaren Wohnung war innerhalb von nur wenigen Stunden oder viel mehr Minuten eine riesige Mülldeponie geworden. Ganz langsam drehte ich meinen Kopf immer noch völlig konstatiert gen Bad. Die Tür stand halb offen, einen weiteren Blick unterließ ich allerdings, wollte ich hier heute noch einigermaßen lebend herauskommen.

„Aufgabe“ erklang es fröhlich aus dem Wohnzimmer und dann rannte mir der Plagegeist direkt in die Kniekehlen. Ich grunzte wütend. Mein Aggressionspotenzial war von dem einer Fruchtfliege auf das einer sehr, sehr, sehr wütenden Hornisse gewachsen. Ein Stich und das Vieh wäre tot gewesen. „Still“ zischte ich nur und packte meine Schwester am Arm. Meine Schmerzen waren vergessen. Was Emotionalität doch so alles bewirken konnte. Die Kleine wollte aber nicht still sein. Weshalb auch? Sie strampelte und begann zu quengeln, schließlich schnappte sie nach meiner Hand. „Bestie“, knurrte ich und versuchte sie durch den Klamottenwust auf das noch freie Ledersofa zu schleppen. Das war Gott sei dank bis auf ein paar dreckige Schuhe verschont geblieben. Ich deponierte meine Schwester neben den Schuhen und blickte tief in ihre Augen. Ihr vor Zorn verzerrtes Gesicht wich der Grimasse eines traurigen Clowns. „Nicht bewegen“, zischte ich nur wieder und beherrschte mich gerade so sie nicht am nächsten Kleiderhaken aufzuhängen.

Stattdessen schaute ich mich weiter suchend um. Zumindest waren die Regale mit Büchern und CDs heil geblieben. Plötzlich fing meine Schwester an zu weinen. Meine Kopfschmerzen meldeten sich wieder. Ich hielt das nicht aus! Was sollte ich denn bitte jetzt machen? Warum weinte die?! „Okay, ruhig… ganz ruhig kleine Schwester. Ich bin dir nicht böse, nur überrascht gewesen.“, log ich um sie zu beruhigen, aber es bewirkte eher das Gegenteil. Sie brüllte noch lauter. „Na warte…“ Abermals glitt mein Blick suchend über das Chaos. Da. Ich stieg über die Milchpfütze hinweg. Mittlerweile musste es doch schon weit nach neun Uhr sein. Angestrengt reckte ich meinen Arm noch weiter nach vorn um die Fernbedienung zu ergattern. Zack, Schwupps. Auf den grünen Knopf gedrückt und schon erklang hinter dem Sofa fröhliches Gelächter aus dem Morgenland, in dem Winnie Puh und seine Freunde gerade aufwachten.

Meine Schwester war wirklich ein kleiner Plagegeist, ständig wollten sie Action. Ich versuchte zu blinzeln und tatsächlich – mein Blickfeld verschärfte sich immer weiter. Wie spät war es eigentlich wirklich? Ich suchte meine Wecker… 12:00 Uhr!? Verdammt. So spät schon? Schnell rannte ich in die Küche. In einer halben Stunde wollte Smilla vorbeischauen. Wie es hier aussah, wie der Blitz überall stapelte sich das Geschirr, der Mülleimer quoll über, und in der Mitte noch mehr verstreute Wachsmaler. Na toll… Wo sollte ich anfangen? Dann auf einmal  stürmte meine Schwester herein, entdeckte mich und klammerte sich an mein rechtes Bein. Dann rammte sie mir ihr Holzflugzeug in die Seite. Ich jaulte auf vor Schmerz „Du kleines Biest…“, fluchte ich.

„Aufgabe, Aufgabe“, plapperte sie bereits weiter. Ich runzelte die Stirn „Welche Aufgabe? Meine Wohnung zu verwüsten? Ja, dass hast du prima gemacht.“, fragte ich gespielt freundlich. „Aufgabe? Geheim!“, rief sie erneut und düste wieder mit ihrem Flugzeug fort. Soso… Wie auch immer… Erst ein Mal musste das Geschirr weg, ich konnte mir denken was sie wollte, aber erst musste aufgeräumt werden. Aus dem Wohnzimmer hörte ich sie über den Fernsehlärm rufen „Geheim, Geheim“. Schnell sortierte ich die Spülmaschine ein, plötzlich spürte ich einen fiesen Schmerz in der Fingerkuppe. Mist, jetzt hatte ich mich auch noch geschnitten. Ich drehte den Wasserhahn auf… Während die eine Hand nun unter dem Wasser hing, versuchte ich mit der anderen den überlaufenden Müll in den Eimer zu pressen. Hektisch schaute ich auf die Uhr, noch 15 Minuten Hilfe…. In 15 Minuten musste ich fertig sein und das Bett? Ach egal, da konnte ich die Tür zumachen, das musste warten. Eilig drehte ich den Hahn zu, so jetzt war fertig machen angesagt. Zähne putzen, Waschen, Haare machen.

Zwischendrin kam immer wieder meine kleine Schwester ins Bad und zog ständig an mir herum. „Aufgabe, Aufgabe!“, rief sie ständig. „Gleich“ erwiderte ich genervt. Mein Güte, konnte sie nicht einmal still sein? Ich hatte jetzt wichtigere Probleme. Wo war mein Lieblingshirt? In der Waschmaschine natürlich… Dann also ein anderes. Ganz hinten im Schrank entdeckte ich noch ein altes abgewarztes T-Shirt voller Farbflecken. Na toll… Mein Renovierungsshirt, egal besser als nichts. Wieder rannte ich in die Küche. Noch 5 Minuten. Mittlerweile schleuderte meine Schwester die Wachsmalstifte in der Küche herum. „Jetzt reicht’s!“ , rief ich sauer. Mein Gott, konnte sie nicht einmal leise sein! Was war bloß mit ihr los, sie war doch sonst nicht so. Mein Kopf hielt das nicht aus. Wo war das Aspirin…? Und ich hatte Hunger! Ahhh… In dem Moment ging mir ein Licht auf. Meine vorherige Vermutung verwarf ich… Meine Schwester hatte Hunger! Natürlich, sie war mindestens schon seit 8 Uhr wach. Ich Idiot! Okay, was war denn noch da… Toast und Milch nicht viel, aber es reichte. „Hedda!“ rief ich. Sie kam angerannt. „Aufgabe? Geheim!“ Rief sie wieder. Ich lächelte… „Armer Ritter kommt sofort“, ich reichte ihr den Teller. „Und die Aufgabe?“, fragte ich? Sie schnappte mir den Teller weg. „Gelöst!“ erwiderte sie bloß mit vollem Mund.

Ende

 

22. Türchen:

59. „Gib mir fünf Gramm Wahnsinn“ -Pulp Fiction/ Teil 1

„Komm schon Mia, dass wird lustig“, rief Zack und zog mich in die bunte Menschenmasse hinein. Meine Versuche ihn abzuschütteln waren seit Ankunft gnadenlos fehl geschlagen wie auch jetzt. Schließlich gab ich es auf und gab nach. Sollte er mich doch hinbringen wo er wollte. Ich würde ihm jedenfalls klar machen, dass ich weder Lust auf irgendwelche rotierenden oder sich überschlagenden Erlebnisse hatte. Nur war Anbrüllen bei dem Tempo was er vorlegte gar nicht so einfach, weshalb ich nicht nur ständig gegen mir entgegenkommende Passanten lief sondern auch noch immer näher an den Tower kam und ehe ich mich versah stürmte mein bester Freund mit einem solchen Elan durch die Schranke um mich mit einem gewaltigen Ruck mich neben sich zu katapultieren. Die Stimme des zuständigen Security-Mannes wurde von den nun einsetzenden und völlig übersteuerten Boxen übertönt aus denen laut das Main Theme von Beverly Hills Cop plärrte. Was ich allerdings vermutete war dass er lediglich auf null hinunter zählte, denn plötzlich begannen sich die Bügel zu schließen und ich saß fest. Im schrecklichsten Fahrgeschäft unter der Sonne. Stink wütend schleuderte mein Kopf herum und rüttelte am Bügel, vergeblich. „Du, ich hab doch gesagt…!“, setze ich an wurde aber sofort unterbrochen „Dass du aber nie Spaß haben willst… „Spaß wird überbewertet erwiderte ich über den musikalischen Lärm hinweg schreiend. „Dann sieh es nicht als Spaß sondern als ein Selbstexperiment, was dich in eine andere Dimension katapultieren wird.“ Er lachte: „Komm schon wart’s ab!“

Anstatt mich aber dabei anzuschauen wich er meinem Blick aus und schaute mit leuchtenden Augen sowie voller Vorfreude gen Himmel. Ein vierjähriger der sich erhoffte Santa Claus und Rudolph in der Weihnachtsnacht zu sehen, wirkte dagegen fast schon depressiv. Beleidigt verschränkte ich die Arme, half gegen den Beginn der Höllenfahrt allerdings auch nicht. Denn bevor ich weiter über die Sache mit dem Experiment nachdenken könnte setzte sich die gesamtePlattform mit einem heftigen Ruck in Bewegung Richtung Himmel. Ich schrie erschrocken auf, er wusste doch dass ich Höhenangst hatte… Leise fluchte ich in mich hinein, bloß nicht nach unten schauen, bloß nicht nach unten schauen. Mach die Augen zu, befahl ich mir innerlich nur um sie kurz danach wieder erschrocken aufzureißen. Das war eine ganz schlechte Idee gewesen. Mein Magen drehte mit zunehmendem Fahrtwind um. „Du bist doch völlig wahnsinnig“ brüllte ich ihn an. Mittlerweile waren wir ganz oben angelangt und vor mir erstreckte sich ein unendlicher Ozean aus Lichtern, Miniaturmenschen sowie den typischen Gerüchen des Jahrmarktes. Fast schon romantisch mit der untergehenden Sonne im Hintergrund, wenn ich hier nur nicht drin sitzen würde. Aber egal wie laut ich zeterte und strampelte er reagierte nicht. Mir wurde schwindelig.

Dann wurde ich auf einmal ganz ruhig, ob dass nun an der beginnenden Schockstarre lag wusste ich nicht, aber was ich wusste war dass sämtliche meiner Körperteile stocksteif geworden waren und ich mich immer mehr in die Rückenlehne presste. „Du Volligiot, wenn wir wieder unten sind….“ murmelte ich. Einige Leute neben mir kicherten hysterisch, fast kam es mir so vor als würden sie mir zustimmen wollen. Wenigstens war ich nicht die Einzige die durchdrehte. „Na gefällt’s dir?“, kam es nun von der Seite. „Nein“, entgegnete ich eisern. „Lüg doch nicht, ich hab gesehen das du vorne hin kurz gelächelt hast“ er widerte er glucksen und strampelte fröhlich mit den Beinen. Nur bevor ich ihm etwas böses entgegnen könnte begannen wir uns auf einmal ganz langsam zu drehen, gefolgt von einem leisen Klick und die Welt stand still. Aber nur für einige Millisekunden, denn dann stürzten wir urplötzlich in die Tiefe. Ich schrie, die anderen schrieen ebenfalls. Oh Gott war das eigentlich normal? So schnell? Wie ein Blitz durch zuckte mich der Gedanke, dass dies hier gerade meine letzen Sekunden meines noch zu jungen Lebens sein musste. Ich würde sterben, hier und jetzt auf der Stelle. Unfähig nach unten zu schauen merkte ich nur wie sich mein Magen immer mehr Richtung Kehlkopf bewegte. War. mir. schlecht. Darüber könnte weder der unglaublich erfrischende Fahrtwind der meinen Angstschweiß trocknete noch die Schwerelosigkeit hinweg täuschen. Wie sich wohl Astronauten beim Start eines Space Shuttels fühlten? Auf jeden Fall so ähnlich das war sicher.

Ganz vorsichtig spähte ich zur Seite der Erdboden war jetzt verdammt nah, gleich würden wir aufprallen. Jetzt schrie ich wirklich aus Leibeskräften wollte ich doch jedem klar machen was hier grausames passierte. Zumindest sollten meine letzen Gedanken an meine Familie gehen, immerhin hatten sie diese Aktion auf den Jahrmarkt zu besuchen von Anfang an nicht gut geheißen. Bereit jeden Moment am Boden zu zerschellen kniff ich jetzt doch lieber die Augen zu. Ganz fest. Wirklich erpicht darauf die entsetzen Gesichter der umstehenden Passanten zu sehen war ich nicht wirklich. Wie fühlte sich dass eigentlich so an? Wie erschlagen werden? Ob Zack im Moment das Selbe dachte? Vor wenigen Sekunden hatte er nicht besonders beunruhigt ausgesehen, er hatte seinen Spaß. Dass dieser jetzt tödlich endete verdrängte er wohl gekonnt. Und dann, ohne Vorwarnung oder vorherige Anzeichen ging ein schmerzender Ruck durch meinen Körper.

Was war los? War ich tot? Nein ich konnte noch denken… Also was war anders. Richtig, wir vielen nicht mehr. Wir hatten angehalten. Halleluja sie hatten es geschafft. Wir waren gerettet. Gott sei Dank. Erleichtert öffnete ich die Augen wir hingen gute zwei Meter über dem Erdboden, war dass knapp gewesen. Vorsichtig schaute ich mich um. Viele unserer Mitfahrer sahen allerdings so aus, als ob sie den Spaß ihres Lebens gehabt hatten. „Wie lange es wohl dauert bis die eine Leiter auftreiben können…“, murmelte ich halblaut. Wobei das Halblaut wohl für Zack sehr laut war denn er prustete los und drehte seinen Kopf grinsend zu mir „Wieso Leiter?“ Irritiert sah ich ihn an, war er manchmal wirklich so blöd oder tat er nur so? „Na irgendwie müssen wir doch herunter kommen“. Als ich dass aussprach lachte er noch mal, dieses Mal bekam er sich gar nicht mehr ein. In dem Moment ging abermals ein Ruck durch uns hindurch und das Ding setzte sich abermals in Bewegung. Nur entgegnen meiner Erwartungen nicht nach unten sondern nach oben. Die Igiodten hatten das Ding angehalten, und fuhren uns wieder rauf? Waren die Irre?

„Warum fahren uns die wieder rauf?“ donnerte ich meinem mittlerweile ehemaligen besten Freund gegen den erneut aufkommenden Fahrtwind an. „Warum? Meinst du das ernst? Das ist doch der Sinn des Ganzen. Sag bloß du wusstest dass noch nicht?!“ Jetzt bekam er vor Lachen fast keine Luft mehr und wären die Bügel nicht gewesen wäre er garantiert in die Tiefe gefallen. Jetzt gerade hätte ich aber auch nichts dagegen einzuwenden gehabt. „Man fährt hoch und dann fällt man!“ Schrie er weiter zurück. Weiter kam er nicht, denn nun fielen wir erneut nicht von ganz oben wie beim ersten Mal dennoch immer noch hoch genug um mir angst einzujagen. Ich schrie wieder. Was war das hier für ein krankes Spiel? Dass machte doch keinen Spaß! Dieses Mal versuchte ich mich so klein wie möglich zu machen, ich hatte noch nie an Gott geglaubt, war ich doch in eine atheistische Familie geboren worden aber jetzt schickte ich mein erstes, wahrhaftiges Stoßgebet gen Himmel. Du lieber heiliger Geist falls es dich wirklich gibt mach bitte bitte das es aufhört! Dachte ich immer wieder.

Inzwischen stiegen wir wieder und dann spürte ich wieder wie mein Magen sich gegen meine Kehlkopf drückte und ich wiederholt vom sitz abhob. Dann bremsten wir wieder hart ab, doch statt abermals zu steigen glitten wir langsam weiter nach unten, um schließlich zum Stehen zu kommen. Lass es bitte, bitte vorbei sein flüsterte mein Bewusstsein wie verrückt auf mich ein, wobei ich mich gleichzeitig darüber wunderte was ich denn auch hätte tun sollen wenn es nicht vorbei gewesen sein könnte. Immerhin saß ich genauso hinter den Sicherheitsbügeln fest wie mein liebes Denkvermögen oder auch nicht, denn plötzlich glitten die Bügel nach oben und mein völlig durchgeschwitzter Rücken löste sich sofort von dem schwarzen Polyestersitzen. Oh Vater sei dank! Ich keuchte, war ich doch noch völlig fertig. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding, aber neben meiner Angst und der Freude dass es vorbei war mischte sich doch noch irgendein anderes Gefühl darunter, benennen konnte ich es nicht wirklich. Vielleicht ein gewisses Bedauern, dass es vorbei war?

Der Adrenalinkick war unglaublich gewesen ebenso wie die Angst. Ich strafte mich, trotzdem nie wieder würde ich da rein gehen. Nie. Nie. Wieder. Auch wenn meine Gefühle jetzt aus purem Glück bestanden. Unauffällig schlich ich zu der nächst besten Bank. „Du dachtest echt wir stürzen ab?“, kam es kichernd von hinten. Trotzig verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich noch nie auf dem Jahrmarkt war“, schnauzte ich ihn an. Als Antwort erntete ich lediglich einen fassungslosen Blick. „Herrlich… und das ist kein Scherz?“ Ich begann zu kochen: „Nein das ist kein Scherz, ich wäre da oben fast gestorben und du findest das lustig?“ brüllte ich jetzt. Er nickte, „und ob“. Er fing wieder an zu lachen. Als er allerdings meinen Blick bemerkte blieb im sein Lachen im Halse stecken. „Och, komm schon. So schlimm war es doch gar nicht, gib’s zu du hattest ein geiles Gefühl danach!“ Diese Adrenalinkicks sind unglaublich!“ Dabei bekam er wieder seinen typisch schwärmerischen Ausdruck in den Augen. „Pah“ schnaufte ich nur. Ein bisschen hatte er ja schon Recht, aber würde ich das nie zugeben. „Hey, ich mach dir einen Vorschlag, du fährst mit mir noch mal das Ding und dann hast du einen Wunsch frei, Deal?“ Jetzt grinste er nicht mehr, sondern lächelte schief.  „Ähm, nein?“ rief ich wieder.

Der Typ war wirklich schwer von Begriff „Um da wieder rein zu gehen muss man wahnsinnig sein!“ Bei diesen Worten wechselte sein Lächeln gegen den Hundeblick wie ich es hasste. Seine Geheimwaffe, nicht nur bei mir sondern bei jedem Mädchen. „Komm schon… zwei Wünsche“, er schüttelte seine Haare aus dem Gesicht und legte dabei den Kopf schief. Verdammt, er wusste wie er mich rumkriegte. Ich musste hart bleiben. „Ich hätte eine Portion Wahnsinn für dich, und drei Wünsche…“ Er wedelte mit der Hand vor meinen Augen hin und her, um mich dann sofort wieder mit seinen Hundeblick anzuschauen. „Bitte…“, quengelte er mit einem Schmollmund. Ich stampfte wütend auf. Wie schaffte er das bloß, jedes Mal bekam er mich damit. Mist. Drei Wünsche ohne Einschränkungen waren aber auch zu schön… „Na gut, aber nur weil du es bist“, ich seufzte wusste ich jetzt schon dass ich es bereuen würde. „Gib mir fünf Gramm Wahnsinn!“ Ich machte die Hand auf und schaute ich an. Seine Augen leuchteten. „Yes“ rief er und tanzte dabei im Kreis. Ich beobachtete ihn mürrisch. „Und die drei Wünsche gelten vollkommen uneingeschränkt?“ fragte ich scheinheilig. „Ja, hab ich doch gesagt“ er fasste mich wieder am Ärmel. „Na dann los!“ Dieses Mal ließ ich mich mitziehen… Rache war schließlich Blutwurst!

Ende

21. Türchen:

50. „Schlafend zu sterben ist ein Luxus, der uns nur sehr selten gewährt wird.“ -Kill Bill – Volume 1/ Teil 2

„Kommt rein, kommt, rein!“ wurden sie weiter hinein gedrängt, und wie der Blitz waren die beiden nicht nur ihre klatschnassen Hüte, Schals und Mäntel los  sondern hatten in Windeseile jeweils ein Paar Hausschuhe verpasst bekommen wie nur noch ein halb volles Glas Punsch. Denn Heather jagte wie ein Wirbelsturm in seinem Element durch das gesamte Zimmer um ihrer Bestimmung der perfekten Gastgeberin alle Ehre zu machen. So wunderte es keinen, dass der unglücklich verschüttete Eierpunch in null Komma nichts aufgewischt worden war und die zwei gerade Eingetroffenen nun endgültig mit einem vollen Glas auf der alten, grünen Couch saßen. Vor ihnen ein akkurat gedeckter Plätzchenteller, allesamt natürlich selbst gebacken, sowie herrlich schmeckend. Zumindest ließ darauf das sehr deutliche Schmatzgeräusch von Archie schließen.. „Heather nicht so stürmisch“ grummelte Henry wieder und legte vorsichtig die Beine hoch um nicht noch einmal das Hausinferno zu entfachen. „Du weißt doch, deine Frau möchte für dich eben nur das Beste“, knurpste der jüngere zwischen dem dritten viel mehr vierten Mince Pie.

Dann wurde es still. Archie lag zufrieden lächelnd in einer Art Kekskoma und Henry war eindeutig zu erschöpft um begnadete, weihnachtsphilosophische Gedanken zu äußern. Zu sehr war er immer noch mit dem Umstand beschäftigt, weshalb sie so früh aus der Fabrik entlassen worden waren. Gerne hätte Henry seine Frau noch einmal angebracht begrüßt, doch die war nach ihrem stürmischen Aufritt schon wieder im Nirvana verschwunden. So zog sich der Augenblick des Genusses bis sich die Tür der Küche erneut öffnete, dieses mal allerdings nicht wie vom Blitz getroffen sondern langsam und bedächtig. Heraus geschritten kam Margret, eine Dame mit schlohweißem Haar, krummen Rücken und so viel Falten im Gesicht, dass man sie in Familienkreisen auch gerne liebevoll die „Schildkröte“ nannte. Dennoch, trotz ihres Rücken, brauchte sie weder einen Stock noch sah sie aus als ob sie Schmerzen leiden müsste. All den Erwartungen widersprechend, trug sie sogar den vollständigen Kronleuchter allein, zwar mit beiden Händen doch das Gedeck schleifte weder auf dem Boden noch verrutschte es.

„Margret“, fuhr es aus Henry heraus, „Lass mich das doch tun. Du holst dir doch nur noch mehr Rücken.“ Lachend schüttelte die ältere Dame den Kopf, „Bleib du nur mal bei dem Keksmonster und pass auf, dass einige Mince Pies noch zur Bescherung reichen. Ich habe nämlich nicht mehr so viele…“ Mit den Worten stieg sie auf einen kleinen Schemel, anschließend auf einen der antiken Holzstühle um schließlich den sagenhaft, silberglänzenden Kronenleuchter inklusive Gedeck perfekt mittig auf der Tafel zu platzieren. „Gibt es einen Grund, weshalb du und Archie schon so früh zurück seid?“, fragte sie beiläufig, als sie sich vorsichtig zurückzog vom Stuhl auf den Schemel und dann zurück auf den sicheren Dielenboden. Der jüngere zog nachdenklich die Schultern hoch „Ob du es führ wahr hälst oder nicht, aber wir wurden tatsächlich offiziell von Mr. Huskin früher entlassen.“ „Früher entlassen?“ Besorgt zogen sich ihre Augenbrauen zusammen, so wie es auch Heathers stets taten, wenn sie scharf nachdachte. „Wurde euch ein Grund genannt?“ „Außer dass Weihnachten ist nicht, nein. Mr Huskin hat sich auch nichts weiter anmerken lassen oder blieb gar länger um ihn zu fragen. Alles sehr mysteriös…“ Henry kippte immer noch in Theorien versunken seinen Kopf von rechts nach links und wieder zurück.

„Sonderbar.Wie sonderbar, murmelte Margret.“ vielleicht weiß Graham mehr.

„Oh wie wunderbar“ hörte man nun den mittlerweile wieder erwachten Archie sagen, wobei er weniger den Leuchter meinte als den inzwischen kälter gewordenen Punsch meinte, der, das musste Henry zugeben, dieses Jahr besonders gut schmeckte, denn seiner war bereits leer. Das Familiengeheimrezept tat immer gut egal ob bei Krankheit oder freudigen Ereignissen des Jahres… Sobald die Selle die pure Essenz der dort drin steckenden Liebe aufgesogen hatte ging es der Haut und Knochen Augenblick wieder gut. Margret lächelte „Es gibt Nachschlag, wenn sich der werte Herr umziehen würde, es wird Zeit…“ Henry zückte sofort seine Taschenuhr, wie spät war es denn geworden? Beim Erblicken der Zeiger sprang er wie von einem Grinch gestochen auf, fegte fast die gesamte Gebäckkollektion vom Tisch und wollte gerade erneut ein „Himmel Herr…“ ausrufen, als Heather aus dem Keller kam, erneut in die Stube rauschte an ihm vorbei und nur noch rufen konnte „Schatz.. du musst dringend damit aufhören!“. „…Und du bleibst bitte mal stehen“, rief er ihr hinterher, hechtete einige Schritte nach vorn und gab ihr noch gerade so einen zarten Begrüßungskuss. So viel Zeit musste sein.

„Oh, ich dachte… na dann störe ich mal nicht weiter…“, unterbrach Margret die Szene von hinten wobei sie sich schon wieder zurückzog als Heathers Blick vorbei an Henrys Oberarm glitt, auf den Gebäcksteller… „Warte Mom, schau doch bitte nach den Mince Pies. Ich habe gerade zwei Bleche in den Ofen geschoben. Ich versuche Graham zu holen…“ mit diesen Worten entschwand sie sich Henrys Umarmung und huschte bereits wieder schnell wie der Blitz die Treppe hoch. Betreten stand er ein wenig verloren in der Küche, was musste er auch eine solch perfektionistische Perfektionistin geheiratet haben. Dieses Fest wäre auch ohne fünf Gänge Menü sowie 6 Bleche Gebäck perfekt geworden. Schließlich war Weihnachten, das Fest der Liebe, da konnte doch gar nichts schiefgehen. Leicht beschwingt vom nun dritten Eierpunsch machte sich Henry auf um sich endlich eilends umzukleiden. Die Besorgnis war wie weggewischt…

Einige Minuten später, Henry hatte sich gewaschen, rasiert sowie frisiert, kehrte er in seinem besten Anzug ins große Wohnzimmer zurück. Doch statt reges Treiben wie noch vor seinem Badbesuch herrschte Grabesstille. Verdutzt bemerkte er wie alle um Archies Vater Graham herum standen und gebannt in den von ihm gehaltenen Daily Telegraph starrten. Seit wann trugen die Zeitungsjungen eine zweite Ausgabe am selben Tag aus? Erleichtert, dass Graham nichts geschehen war, räusperte sich Henry leise und trat näher um seiner kreidebleichen Frau über die Schulter zu schauen. „Was ist den passiert?“ fragte Henry beherzt, denn normalerweise brachte niemanden seine Familie so aus der Fassung. Es dauerte einige Sekunden bis Lini, Archies Frau, Henry die Zeitung so in seine Richtung drehte, dass er auch ohne Brille etwas lesen konnte. Wobei, dass was dort geschrieben stand in großer schwarz fett-gedruckter Frakturschrift hätte selbst ein Blinder entziffern können. „Richard Cory went home last night and put a bullet through his head.“ prangte dort. Fast die Hälfte des A2 Blattes nahm die Überschrift ein darunter sah man lediglich ein arg verwackeltes Foto eines menschlichen Torsos. Henry schnappte erschrocken nach Luft. War das etwa möglich? Konnte das sein? Sein ehrenwerter Unternehmer, der ehrenwerte stets höfliche und zuvorkommende Richard Cory, der Cory sollte Suizid begangen haben?

„Das ist doch bestimmt eine Falschmeldung!“, stieß er immer noch völlig fassungslos ein. Sein bester Freund schüttelte den Kopf. „Leider nein, der Junge kam gerade erst vor drei Minuten…“, antwortete Archie ebenso fassungslos. „Unglaublich, völlig irrsinnig und das an Weihnachten“, flüsterte Archies Vater. Ihm war der Schock sichtlich anzusehen, schließlich hatte er Cory höchst persönlich noch als Kind gekannt. „Aber, aber wann soll das den passiert sein..?“, stotterte nun Lini los, die allerdings nicht allzu aufgelöst aussah. Auf diese Frage konnte selbst der Artikel nicht wirklich Auskunft geben doch sofort riefen, spekulierten, mutmaßten und diskutierten alle maßlos durcheinander. Das ganze wuchs zu einem einzigen Crescendo an und kurz bevor es seinem Höhepunkt erreichte, stieg Margret erneut vom Boden, auf den Schemel und dann auf den Stuhl um energisch das Wortgemenge mit Hilfe der Tischglocke zu unterbrechen…

„Ruhe meine Lieben! Ich weiß dies ist ein sehr schwerer Augenblick für alle von uns“, dabei beobachtete Henry wie Lini gefährlich von ihr fixiert wurde… „…doch denke ich sollten wir uns von dieser dennoch schrecklichen Nachricht die Feierlichkeiten nicht verderben lassen. Möge der junge Herr in Frieden ruhen und nun lasset uns zu Tische eilen bevor das Essen kalt wird…“

Nach Beendigung des kleinen Appells blieben alle wie angewurzelt sowie stumm stehen und beobachteten voller Interesse wie Margret wieder auf den Boden zurück kehrte und sich schließlich auf einen der Stühle setzte. „Sie hat recht“, murmelte Heather und schloss sich ihr an und nach und nach füllte sich die Tafel mit den restlichen Teilnehmern des Abends.

„Schlafend zu sterben ist ein Luxus, der uns nur sehr selten gewährt wird.“ hörte er Margret sagen. „Und ich habe mir immer gewünscht Richard Cory zu sein“ flüsterte Archie. „Wer nicht, wer nicht?“ antwortete Graham und steckte sichtlich betroffen eine Pfeife an. Sofort schaute ihn seine Frau streng an und er machte sie schuldbewusst eilends wieder aus.

Lini räusperte sich: „Ich möchte ja nicht unhöflich erscheinen, doch fehlt nicht noch etwas?“ Damit deutete sie auf den großen noch leeren Fleck auf der bereits reichbestückten Tafel.

„Himmel, Arsch und Zwirn! Der Truthahn“ rief Heather erschrocken aus und stürmte, mit einer theatralischen Mine und Gestik aus dem Wohnzimmer. Dies zauberte allen ein kleines Lächeln in ihre müden und zweifelnden Gesichter. „Schatz kein Fluchen!“, setze Henry immer noch schmunzeln hinterher.

Ende

20. Türchen:

50. „Schlafend zu sterben ist ein Luxus, der uns nur sehr selten gewährt wird.“ -Kill Bill – Volume 1/ Teil 1

Dreimaliges kurzes, schrilles Klingeln. Henry hob fragend die Augenbraue, dann schaute er skeptisch auf seine Uhr. Ging sie falsch? Aber nein, dass konnte nicht sein. Er pflegte seine Uhr regelmäßig. Putzen, Dichtung regelmäßig eigenhändig wechseln und das trockene Samtbett in der speziellen Truhe von seinem ehrenwerten Vater Sir Alfred konnte unmöglich die Uhr verschleißen. Er heize nur für sich selbst im Sommer! skeptisch drehte er sich zu seinen Kollegen. „Es ist zu früh, warum läutete die Klingel?“, fragte Henry hoffnungsvoll. Vielleicht war seine gute Wegbegleiterin doch noch völlig intakt.

„Vielleicht ein Versehen…!“, kam es aus der hinteren Ecke. „ In den ganzen 30 Jahren die ich arbeite gab es hier noch nie ein Versehen!“ erklang es gleichzeitig aus dem hinteren Teil der Halle.

„Was ist es dann…?“ fragte Henry immer noch leicht beunruhigt. „Sehen Sie doch, Mr. Huskin!“ Sobald die letze Silbe von Hus-kin ausgesprochen worden war erstarb augenblicklich das Getuschel in dem alten Fabrikgemäuer und gut 260 Augen blickten wie auf Knopfdruck mechanisch nach oben auf die Seitenbrücke, auf der nun ein kleiner, kräftiger Mann in einem dunkelroten Anzug und Backenbart erschien. Seine Koteletten waren ordentlich gestutzt, was selbst der kurzsichtigste aller Arbeiter intuitiv wusste. Mr Huskin war für seine Akkuratheit und Pünktlichkeit berühmt sowie berüchtigt. Gemächlichen Schrittes ging er auf die Mitte der Brücke zu und wandte sich dann abrupt an seine Untergebenen, die immer noch in einer gewissen Habachtstellung verharrend seinen Bewegungen folgten. Als sich Mr. Huskin ganz sicher sein konnte, dass auch wirklich alle Aufmerksamkeit ihm galt, klatschte er in die Hände und rief…

Gentleman!,

ich darf ihnen versichern es gibt keinen Grund zur Sorge,es hat alles seine Richtigkeit. Aufgrund des schweren Schneetreibens hat Mr. Cory per Telegramm bestimmt, dass sie nun, verehrte Angestellt,e zwei Stunden früher die Fabrik verlassen dürfen. 

Die Instanz, ich und Mr. Cory wünschen ihnen allen fröhliche Festtage und ein fröhliches Neues Jahr. Kommen sie gut Heim und Vorsicht auf den Straßen!

Noch bevor seine Worte vollständig verklungen waren, drehte er sich wieder in die Richtung aus der er gekommen war und verschwand schließlich schnelleren Schrittes hinter einer grauen Gittertür, die mit einem leisen Klack ins Schloss viel. Darauf folgte fast schon beklemmende Stille, doch dann klatschte jemand wie Mr. Huskin in die Hände und nach und nach erfüllte der sich immer weiter steigernde Beifall die gesamte Manufaktur. Ein Beifall, den London selbst nach der vor Jahren statt= gefundenen Houdini Show noch nie gehört hatte. Wer ein wenig gebildet war musste in diesem Moment Angst haben, dass ihm nicht die Decke auf den Kopf fiel… und tatsächlich manche Gesichter sahen definitiv das Gegenteil von erfreut aus, denn die Arbeiter der Mr. Cory Investigation of Wegdwood from Roxburghshire waren die wohl bestausgebildetsten, ehrenwertesten sowie tatkräftigsten Arbeiter des gesamten Königreiches. Henry dagegen schaute weder besorgt noch erfreut an die Decke oder gen Ausgang. Sein Blick haftete immer noch äußerst nachdenklich an der grauen Metalltür. Mr. Cory war zwar ein sehr rechtschaffener Unternehmer und für seine Edelmütigkeit bekannt, aber ein früherer Feierabend? Dass hatte es tatsächlich noch nie gegeben. Da war er ganz sicher in all den Jahren, die er sowie sein Vater und Großvater gearbeiteten hatten stets wurde pünktlich, doch nie überpünktlich geschlossen. Ob das wirklich alles seine Richtigkeit hatte? Er war immer noch skeptisch.

„Heureka Henry! Komm du alter Miesepeter, wir müssen uns beeilen, sonst sind die ganzen Straßen verstopf und bleiben mitten im Sturm stecken!“ „Warte ich komme gleich nach“ murmelte er selbst in sich halb hinein, halb nach außen und bahnte sich bereits einen Weg zur eisernen Treppe, die nach oben auf die Brücke führte, wo ihr Aufseher gerade noch gestanden hatte.

„Ach Henry, wann fängst du mal an nicht alles zu hinterfragen, man könnte glauben du hättest die gute Meinung über Menschen verloren“ neckte ihn sein Freund, und packte ihm beim Arm und zog ihn ungeduldig in Richtung Außenwelt. Henry ließ ich widerwillig mittreiben. „Ich kann es immer noch nicht glauben. Findest du nicht auch, dass Mr. Huskin etwas bleich aussah?“ Archie sah ihn ärgerlich an, „Nein Mr. Huskin sah ganz normal aus… Wie immer sozusagen und jetzt schau mich nicht an sondern schau auf den Boden, sonst rutscht du mir noch aus“ feixte Archie. Das waren die letzten Worte, die Hernes bester Freund für die nächste Stunde wechseln sollte. Es hätte Henry nichts ausgemacht, wenn Archie genauso ein schweigsamer Zeitgenosse wie er selbst gewesen wäre, doch das war Archie nicht. Ganz und gar nicht. Also musste er selbst nachdenken oder war sauer, letzteres war aber eher unwahrscheinlich. Nicht an Weihnachten, das Fest der Freude. So oder so hätten sie vermutlich wenig Worte miteinander gesprochen, denn das Schneegestöber war mittlerweile so dicht und stark, das sie sich regelrecht nach Hause durch die Straßen kämpfen mussten.

Sie waren so beschäftigt damit, nicht auszurutschen oder gar weggeweht zu werden, dass sie fast am kaum noch zu sehenden Hauseingang vorbei gelaufen wären. Nach mehrmaligen äußerst holprigen Versuchen das eingefrorene Gartentor zu überwinden, griff Archie schließlich in seinen Mantel und holte sein Taschenmesser hervor. Minuten später und vor allem mindestens ein dutzend Eiskristalle im Bart reicher, erreichten die zwei Gefährten den schützenden Vorsprung der Haustür. Nun bestand die nächste Hürde darin das ebenfalls verschneite Haustürschloss freizulegen… Denn weder Archie noch Henry kamen mit dem Schlüssel in die Nähe des rettenden Türmechanismus, zu gefroren waren ihre Hände.

„Himmel, Ar….“ „Mein lieber Herr an Weihnachten wird nicht geflucht!“, wurde er plötzlich von einer sowohl bekannten als auch sehr strengen Stimme unterbrochen. Erschrocken blickten die zwei auf. Doch außer dem Hausvordach und weißem Schneegestöber, das ihnen sofort in die Augen fiel, erkannten sie nichts und niemanden. „Heather macht euch auf!“ , folgte und damit hörten sie ein dumpfes Krack und es herrschte wieder das Heulen des sich nähernden Sturmes. Mittlerweile war es so kalt, dass sie ihre Glieder nicht mehr spürten zumindest die bis zu den Knien und Ellenbogen reichten. „Hoffentlich frieren wir uns hier nicht noch etwas tot“, witzelte Archie gerade halb im Scherz als in dem Moment die Haustür schlagartig aufgerissen wurde und das sich ergießende warme Licht die zwei zugeschneiten Gestalten arg blendete. „Schnell, schnell was steht ihr denn hier so rum?! Hinein mit euch! Oder wollt ihr euch und uns den Tod holen?“ Wurden sie ruppig begrüßt und mit sofortiger Reaktion fast schon ins Innere gezerrt. In der warmen Stube angekommen, die Kleider waren nun mehr nass als gefroren, wurde ihr Geruchssinn gerade zu überwältigt mit köstlichen Proben des bevorstehenden Festessens: Turkey, Erdäpfel, Backpflaumen, Plumpudding und konnte das sein….? „Der Eierpunsch ist fertig“ , ertönte es aus der Küche und mit dem öffnen der Türe roch es nun nicht mehr nach den Hauptkomponenten des Mahles sondern nun kamen die feinen Nuancen wie der Rosmarin, Frois Gras oder auch der Scotchgeruch hinterher gezwitschert…

19. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 8

„Ich kann gerne nicht mehr stören. Aber leider weiß ich wo weder die Schlafzimmer sind noch das Bad, oder sonst irgendwas.“, fuhr ich ihn funkelnd an. Mochte es ihm gerade aufgefallen sein oder nicht, ich wäre hier gerade fast elendig verreckt! Jetzt platze mir endgültig der Kragen „Mag sein, dass ihr euch länger kennt. Mag auch sein dass ich hier vielleicht nicht sonderlich erwünscht bin aber um ehrlich zu sein interessiert mich das einen feuchten Dreck denn ich brauche diese verfluchte Kohle und es ist mir aktuell auch völlig egal was ich dafür tun muss. Genauso gut könnte ich auch zwei einfach umbringen und mich davonstehlen, mit Geldkasten den würde ich nämlich auch noch suchen. Genauso wie neue Klamotten oder etwas zu essen. Eine Tür wäre übrigens auch nicht schlecht, denn dann könnte ich euch nicht mehr auf die Nerven gehen, wobei dass ja dann egal wäre, weil ihr tot wäret.“ Ein wenig erstaunt von meiner durchschlagenden Stimme nach der Eiskonservierung holte ich nun erneut tief Luft. Wenn er jetzt noch etwas dagegen sagte dann… Ich schielte deutlich zu den Küchenmessern. Groß genug wären sie. Dann wieder zurück zu den zweien. Der Große schaute nun nicht mehr mich an, sondern den kleineren. Ihm schien scheinbar der Blick nichts auszumachen. Also konnte der Herr wohl seine Fähigkeit kontrollieren. Ein wunderbarer Meuchelmörder.

Eine Weile geschah erneut nichts. Irgendwie bekam ich das Gefühl in einer Zeitschleife zu stecken. Aktion, Reaktion, lange Pause… und wieder von vorn. Wie gerne wäre ich jetzt wieder hinter Gittern. Dort gab es zumindest einen enorm gerechten Alltag. Dann eine Reaktion,  “…und wir sollen es ihnen zeigen?“ Ich stöhnte ärgerlich, dabei wäre mir fast meine Decke heruntergefallen. Wie begriffsstutzig oder dumm waren denn hier alle?!“ Wortlos drehte ich mich um und langte nach den Messern, wozu hatte ich überhaupt gefragt. War ja klar, dass das nicht funktionieren würde, die waren doch alle komplett verrückt. „Die einzig verrückte sind wohl Sie, aber das dürfte ihrer Arbeit wohl kein Abbruch tun. Nur stürmen Sie nicht gleich wieder davon ich bin nicht so schnell“, völlig unbeeindruckt kam der Große näher und schob sich an mir vorbei, nicht ohne seinen Freund auf seinen Rücken zu laden. Ein Absurditätenkabinett hätten die zwei wirklich alleine verdient. Ich folgte ihnen mit gebürtigem Abstand mit dem Messer, was wusste ich schon… Die beiden verursachten noch nicht einmal irgendwelche Geräusche, selbst auf den Holzböden nicht. Genauso wenig redeten sie, sahen sich nach mir um oder taten überhaupt etwas anderes als zu laufen.

Nach mindestens 10 Korridoren, drei Stockwerken in die Höhe und vielen, vielen, sehr vielen Treppen standen wir am Anfang eines Ganges, von dem verschiedene Türen abgingen. Einige waren weiß und aus Holz, andere wiederum aus Metal. Auf jeder Tür war ein Symbol abgebildet. Sonst nichts, keine Klinke, kein Schloss. „Ihre Tür ist die dunkelrote. Den Rest finden Sie im Zimmer.“ Langsam schob ich mich an den zweien vorbei, es folgte ein Blitz, ein Kreuz und ein Traumfänger. Welche Bedeutung hatte diese Zeichen. Elektrizität? Telekinese? Gedanken Manipulation?

War vielleicht das vorhin gar keine wirkliche Kälte sondern nur gedanklich eingepflanzte? Eine Halluzination? Inzwischen war mir nicht mehr kalt, viel mehr knurrte mein Magen noch lauter. Dann stand ich vor besagter Tür. Dunkelrot und mit einer hölzernen Masserung. Statt eines Kreuzes oder Kompass war ein Auge abgebildet. Ich lächelte, dass war das erste was mir an diesem Ort gefiel. Das Auge, über alles wachend, über alles wissend. Neugierig strich ich über das vermeintliche Holz. Statt meiner Berührung stand zu halten glitt die Tür beiseite und gab mir meinen Blick frei auf mein neues Zuhause. „Für warmes Wasser legen Sie einfach den Hebel um“. hörte ich von hinten. Ich ignorierte sie lediglich. Ab jetzt gehörte die Welt wieder mir…

 

Ende

18. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 7

Um es kurz zu fassen so oder so wäre ich geliefert. Also war es eigentlich egal wie ich mich entschied und da mir immer noch Klamotten fehlten, ich spürte meine Zehen nicht mehr und mein Knöchel brannte immer noch entsetzlich, wäre es schlauer auf direktem Wege zum Ziel zu kommen, als einen womöglich riesigen Umweg zu laufen. Vielleicht behielt mein Chef ja doch Recht und es war lediglich die erste Begegnung gewesen. Beim Hinausgehen kam mir noch der Gedanke:  „Mein Chef“… wie komisch das Klang. Ich konnte die Male an einer Hand abzählen wo ich wirklich einen echten Chef gehabt hatte.

Kurz darauf, kurze Wege sei dank, stieß ich die Küchentür erneut auf und wäre am liebsten gleich wieder gegangen… In der Küche befand sich zwar nich Xion, dafür aber der humanoide Eisbären-Panther und der junge Mann mit dem Raubtier-Beute-Blick. Nicht unbedingt die besten Startvoraussetzungen, doch hatte ich zumindest auf dem Weg hier her eine riesige Filzdecke schnappen können, die herrenlos über einem Treppengeländer hin. So war das Unterwäschemodell Dasein endgültig passé. Hoffte ich zumindest.

Der große trug übrigens jetzt eine riesige Kapuze, starrte auf den Boden und stand ansonsten genauso dort wie vor meinem Einstellungsgespräch. Der kleinere saß dagegen auf der Küchenzeile und las in etwas. Was genau konnte ich allerdings nicht erkennen, denn beim Anblick des Buchrückens verstand ich außer Kauderwelsch genau gar nichts. Symbole an Symbole tummelten sich dort und fast erschien es mir so als ob sie mich tanzend auslachen würden. Zumindest hatten sie mich noch nicht bemerkt.… Hinausschleichen und nach einem Flucht- und somit Lageplan suchen wäre noch im Bereich des möglichen.

Infolge dieses Geistesblitzes wollte ich mich gerade rückwärts in Sicherheit bringen als der Große plötzlich den Kopf hob und mich wie vorhin anstarrte. Genauso wenig erfreut wie ich und darüber hinaus noch weitaus böswilliger als der rothaarige. Reflexartig blieb ich stehen, was nun? Entdeckt hatte er mich. Ein Kneifen in Form von panischem Hinausrennen fiel ebenfalls weg. Die Würdelosigkeit nur in eine Decke gekleidet, immer völlig ahnungslos zu sein, reichte mir für das nächste Jahr. Zumal wenn ich jetzt zurückstarrte könnte ich meinen Status vielleicht etwas mehr auf sein altes Niveau heben. Kurz um, mein Brustkorb hebte sich möglichst unbemerkt und dann starrte ich zurück, in diese eiskalten grauen Gletscheraugen… Ohne dass ich es beeinflussen konnte wurde mir kalt, noch kälter als draußen im Schnee. Dies war keine fremde Kälte von außen, nein diese Kälte kam aus mir heraus so als ob… Gefror ich etwa gerade von innen?! Verdammt, mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Ich kannte die Gerüchte über Hybriden, die das Wetter beinflussen konnten, aber seit wann gab es Kräfte, die einen von innen erfrieren ließen? Sofort horchte ich auf meinen Puls, gut er war noch da zwar schwach aber noch definitiv da. Stellte sich nur die Frage,wie kam ich aus der Situation wieder raus. Meine Füße inklusive Beine waren inzwischen taub so viel stand fest. Weglaufen war also unmöglich geworden. Immer noch in seine Augen starrend versuchte ich abzuschätzen ob er wusste was in mir vorging. Ach was war ich auch doof, natürlich wusste er es. Er kannte schließlich seine Stärke. Unvermittelt vernahm ich von der Seite das Rascheln einiger Buchseiten, garantiert war der Zweite nun auch auf mich aufmerksam geworden. Die Reaktion auf mich blieb allerdings aus. Wie lange konnte ich wohl den Blick des Großen standhalten bevor ich endgültig zu Eis erstarrte. Vor Kälte waren jetzt nicht nur meine Füße, Schienbeine und Oberschenkel gelähmt, die Kälte begann auch in den Fingerspitzen und zog ganz langsam meine Unterarme hinauf. Perfide, er spielte mit mir wie die Katze mit der Maus. Der Raubtier-Beute-Blick bekam nun eine ganz neue Bedeutung. Ich bekam Angst, wäre mir nicht so entsetzlich kalt gewesen, ich hätte garantiert angefangen zu schwitzen.

“Miss, schauen Sie ganz langsam weg… Dass reicht, lassen Sie ihn.“, die Stränge war nicht zu überhören. Äußerlich versuchte ich mich geschlagen zu geben, was allerdings kaum mehr möglich war. Ich konnte noch nicht einmal mehr die Schultern oder meinen Hals bewegen. Apropos Hals, plötzlich dämmerte es mir. Wenn mein Gesicht gefror konnte ich gar nicht mehr wegschauen. Ich würde weiter einfrieren, ob ich es wollte oder nicht und wer sagte, dass man diesen Vorgang umkehren konnte?! Ich tat gerade nichts anderes, als mir mein eigenes Grab zu schaufeln! Hatte ich bis vor wenigen Sekunden noch Angst so schwebte ich innerlich in blanker Panik. „Bitte“ , die Stimme klang nun nicht mehr streng sondern genauso panisch wie ich mich fühlte. Dann schließlich brach ich meinen Stolz und wollte den Kopf wegreißen als ich bemerkte dass nichts geschah. „Drehen sie den Kopf einfach zur Wand und lassen Sie ihn… Jetzt!“ das „Jetzt“ klang schon fast drohend. „Das würde ich ja gern..“ brachte ich noch heraus bevor  un auch mein Mund erstarrte. Ich dachte, konnte aber nicht mehr sprechen. Was ging hier ab?!

Bereit für mein Ende kniff ich die Augen zusammen und wartete, dass mein das mein Herz aufhörte zu schlagen oder mir die Luft ausblieb, da meine Lunge erschlaffte. Doch nichts passierte. Nichts –  weder das eine noch das andere. Selbst nach gefühlten Minuten nicht. Um mich herum raschelte es wieder, dies mal länger und lauter. Selbst jetzt spührte ich immer noch meinen Puls, der übrigens nicht mehr schwach sondern wie ein Vorschlaghammer meinen Brustkorb sprengen wollte. Auch kam es mir so vor, als hätte ich wieder Gefühl in den Zehenspitzen bekommen. Die Kälte blieb, aber ich konnte definitiv meine Zehen wieder zusammen ziehen und auch meine Gänsehaut fühlte sich nun wirklich nach Gänsehaut an. Erleichtert versuchte ich zu schlucken und siehe da es funktionierte. Nach und nach taute mein körper wieder auf. Zwar noch innendrin völlig vermutlich blau und verbrannt, falls man das übehaupt sein konnte. Zumindest nach außen völlig normal aussehend. Inzwischen hatte ich mutig die Augen wieder geöfnnet. Ich starrte geradeaus auf den Boden. Das war keine Vorsicht. In diesem Fall war es pure Lebenserhaltung. Ganz heimlich schielte ich doch irgenwann nach oben und sah gerade noch so von meinen wimpern vedeckt, wie seine Fingerknöchel mittlerweile ganz weiß waren. Und die Fingernägel gruben sich unnatürlich tief in  seinen Handballen…

Wie aus heiterem Himmel tauchte in meinem Blickwinkel plötzlich das weise Fell des humanoiden Bären auf. “Was haben sie sich eigentlich dabei gedacht?!“ Ich fuhr zusammen. Also meine Körperrflexe funktionierten wohl wieder. Um meinen Schrecken zu verbegen, zuckte ich lediglich mit den Schultern, dann knurrte mein Magen. Sollte ich es wagen ihn zu duzen? Er schien nicht viel jünger zu sein als ich, vielleicht war er sogar älter. Aufgrund seines schneeweißen Fells war es echt schwer zu schätzen.

17. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 6

Plötzlich wie auf Knopfdruck aktiviert von meinem Gedanken des Rückzugs um mir endlich  gewisse Kleidung zu besorgen, die mich vor dem erfrieren retten würde, begann sich der halb humanoide vielmehr Eisbär als Panda zu bewegen. Er sprang von der Anrichte herunter und schlurfte oder krabbelte aus dem Raum hinaus um kurz danach mit einer Sprühflasche zurück zu kommen, die er dann über dem noch einzigen Schlafenden positionierte. Seine weißen Haare vielen ihm über die Augen, so dass nun endgültig ein weißes Fellknäul vor mir stand. „Wasser marsch“, meinte der rothaarige nur und sofort schrak der Betroffene auf und sah als zu allererst nur mich. Nach einigem Blinzeln murmelte er so etwas wie: „Nicht schon wieder…“, und versuchte dann Anstalten zu machen aufzustehen. „Miss äh….“, er fing an zu überlegen. Ich konnte es förmlich ein seinem Hirn rattern hören. Waren denn hier alle völlig beschränkt, selbst die FreakShow am ersten Tag des Strafantritts war amüsanter gewesen. „Ähm…“ er hob die Augenbrauen und sah mich an. Dann zuckte er die Schultern und stieg über den Eisbärenpanda hinweg und rauschte an mir vorbei. „Folgen sie mir einfach“, wortlos setzte ich mich in Bewegung. Kurz bevor ich um die Ecke bog drehte ich mich noch einmal um und sah zur Küche. Der rothaarige versuchte sich gerade an einem Kopftand auf dem Tisch. Wo war ich hier bloß gelandet?!

„Entschuldigen Sie, die benehmen sich manchmal wie kleine Kinder“, ich brauchte einen Moment um zu kapieren wen er mit „die“ meinte… „Das hört irgendwann wieder auf“, setze er schnell nach als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte. “Ich wüsste gerne wann ‚irgendwann‘ ist“, entgegnete ich. „Kommt ganz d’rauf an. Es kann sich auf 3 Stunden oder 3 Monate hinziehen. Je nach Laune…. Setzen Sie sich, bitte…“ Dabei zeigte er auf einen der unzähligen Bücherstapel, die wie ungeordnete Zinnsoldaten auf dem Boden seines Büros herumstanden. Hätten sie bis zur Decke gereicht, stünde man in einem Wald. Statt setzen beäugte ich den Buchenholzstamm eher misstrauisch, mindestens 10000 Seiten, ob die wohl „sitzfest“ waren?

Um mein Glück heute nicht noch mehr herauszufordern dankte ich liebend gerne ab. Mein Gegenüber grinste bloß, er selber pflanzte sich auf seinen großen, schwarzen Bürostuhl mit hoher Lehne. Um dann noch mehr Papier aus den Untiefen des Schreibtischs heraus zu befördern und mit einem erstaunten Pfiff den Stapel Papier auf seinen Schreibtisch fallen zu lassen. Ein Blick darauf und sein Stirnrunzeln glättete sich. „Hier haben wir Sie ja: Lilith Zeller, geboren 1988, Berlin. Mutter verschollen, Vater ein todgeglaubter Mutant aus der Fabrik, statt Abschlusszeugnis eine schriftliche Auflage für einen Haftantritt und statt eines Lebenslaufes randvolle Bewährungsauflagen. Ich sehe sie waren fleißig und schon früh darum bemüht vorzusorgen.

Nichts Gutes ahnend schaute ich auf ihn hnrunter und versuchte einen kurzen Blick auf das genau Geschriebene zu erhaschen. Keine Frage, dieser Typ kannte mich besser als ich mich vermutlich selbst. Die Frage blieb immer noch, woher? Er schien kein Mann, der besondern Art zu sein…

So scheinheilig wie möglich hackte ich nach: „…und was wollen Sie mit dem Kram. Vor allem mit oder von mir?“

Nach der geäußerten Frage hing der erhobene Ton noch etwas in der Luft und ich konnte quasi zusehen wie die Klangmalerei verhallte. Gut es war eher Klanggeschmiere. Erneut verspürte ich wieder tiefe Unruhe in mir, irgendwas lief hier schief oder zumindest ganz und gar nicht richtig. Waren diese Kerle nicht von der Regierung – so waren sie doch nicht vollkommen legal, so schien es mir. Der Mann starrte mich an. Dann schaute er verständnislos und schließlich lachte er wieder. „Was ich mit Ihnen will? Einstellen natürlich! Sie sind die Beste die Xion je gefunden hat und glauben sie mir ihre Lebensgeschichte hat ihm ganz schöne Arbeit bereitet. Der Arme weiß selbst bis heut nicht mehr so ganz wo er ist…“

„Also?“ Jetzt strahlte er wie ein vierjähriges Kind, dass stolz seiner Mutter präsentierte allein auf die Toilette gehen zu können. Es sah zu dämlich aus. „Ich erwarte ihre Antwort natürlich nicht sofort, aber solange Sie nicht unterschrieben haben müssten wir Sie nun ja eher unter Verschluss hierbehalten. Nur zur Sicherheit…“. Ich überlegte, plötzlich schien es mir so als ob ich gar keine andere Wahl mehr hatte. Entweder… oder. Und über das Oder wollte ich gar nicht so genau nachdenken. Wer wusste schon, ob der Verschluss auch irgendwann wieder aufging. Nur behagte mir die Vorstellung wieder in etwas Illegales abzurutschen gar nicht. Nochmal einsperren ließ ich mich nicht. Totentänze hin oder her. Zellennachbarn zu haben, die acht Augen besaßen oder Kettensägen anstatt Händen, den Mund am Hinterkopf waren nicht unbedingt eine Wiedersehensparty wert. Andererseits, wie sah es denn nochmal mit Nötigung aus. Theoretisch könnte ich die Drohung seinerseits durchaus gegen in verwenden. Wenn ich es nur aufgenommen hätte! Mist… musste wohl so gehen. Essen und Bits war wichtiger als Legal und Illegal. Die Begriffe waren schließlich durchaus dehnbar und sobald ich genügend BitCoins zusammen getragen hätte würde ich hier verduften und zwar im Hyper-Raum. Zumal das Amt garantiert bald vor meiner Tür stehen würde und dann würden sie nicht mehr so freundlich anklopfen wie vor drei Monaten…

„Aber damit eins klar ist…“, setzte ich an, „wenn Sie mich noch einmal im Regen oder Schnee stehen lassen sorge ich davor, dass dieser kleine Maulwurfshügel hier ganz schnell auffliegt und wenn wir schon mal dabei sind – ich will verdammt nochmal neue Klamotten.“ Damit unterschrieb ich per Fingerabdruck und starrte meinen wohl nun offiziellen Chef erwartungsvoll an. Sollte der jetzt mal zusehen, wo er Damenkleidung herbekam. Unterwäschemodell war definitiv noch nie mein Traumjob gewesen und würde es auch nicht werden.

Doch statt sich an die Arbeit zu machen um meine Forderung zu erfüllen reichte er mir die Hand, ergriff sie und schüttelte sie immer noch breit grinsend. „Sehr erfreut, Sie glauben gar nicht wie wichtig Sie für uns sind. Ich heiße übrigens Orion, Orion Tonak, ehemaliger Psychologe und Arzt der Wyoming-Klinik“. Dann sah er mich ernst an, „Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren. Sie sollten spätestens um 24:00 hier sein. Und niemand, wirklich niemand darf von uns und diesem Ort erfahren?! Verstanden?! Und glauben Sie mir wenn Sie zumindest gegen diese zwei Richtlinien verstoßen werden Sie sich den Schnee nur wünschen.“ Seine Ernsthaftigkeit war mittlerweile einer Finsternis gewichen, dass ich mich fast entschuldigt hätte, aber nur fast. Ich hatte weitaus schon fiesere Typen vor mir, beispielsweise die merkwürdigen Männer aus der Küche. Bemüht unbeeindruckt auszusehen, nickte ich lediglich. Als er, Tonak das wahrnahm, lächelte er wieder breit und nickte wie ich, nur sehr viel glücklicher mit dem Kopf. „Ich wusste Sie sind vertraulich.“ Dann schaute er zufällig auf seine Uhr um daraufhin erschreckt aufzustöhnen „mein Gott so spät schon, entschuldigen Sie vielmals, aber ich habe noch einiges zu tun…“ und damit schritt er um seinen Schreibtisch an mir vorbei und aus der Tür. Kam allerdings gleich zurück mit den Worten: „ Den Komplex lassen Sie sich am besten einfach von einem der Jungs zeigen… Einmal aufgewärmt können sie sehr hilfsbereit sein.“

Bei den Worten kam erneut eine dunkle Vorahnung auf, dass hier könnte ganz böse enden…

Nachfragen waren offenbar nicht erwünscht und gerade überlegte ich stark ob nicht ein Erkundungsrundgang allein weniger lebensgefährlich war, als erneut auf die Gestalten zu treffen. Normalerweise war ich nicht so leicht einzuschüchtern. Vor allem hatte ich die Herren nur Augenblicke erleben dürfen. Aber irgendetwas sagte mir, dass ich hier nicht die Einzige war, die ihre Begabungen besonders beherrschte. Mich komplett zu durchleuchten, allein und ohne Hilfe hatte ich bis jetzt für unmöglich gehalten. Besonders scharf darauf, es herauszufinden was seine Freunde alles konnten, war ich nicht. Nur wollte ich denen weder in der Gruppe noch einmal begegnen, noch einem von ihnen von Angesicht zu Angesicht.

16. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 5

Wirklich Lust es herauszufinden verspürte ich nicht und so riss ich mir nicht nur meine Maske vom Kopf sondern im selben Atemzug auch meine Klamotten. Bloß raus aus dem verseuchten Zeug. Angeekelt und stinkwütend schleuderte ich die Sachen so weit weg von mir wie ich nur konnte. Dann nach Vollendung der Tat klaubte ich meine noch einigermaßen verschonten Habseligkeiten wie mein heißgeliebtes Lederetwas zusammen und richtete mich langsam auf und stellte fest das das Auftreten mit meinem Knöchel nicht mehr ganz der Norm entsprach, schon gar nicht das Verhältnis von Schmerz zu Körper. Wieder umschauen. Von Wachposten oder installierten Kameras keine Spur. Wo waren diese Bastarde? Niemand ließ mich einfach so draußen stehen. Ich schaute zurück in den Hof, der Schneefall hatte aufgehört und der vorhin noch so fröhlich rieselnde Wattebausch verwandelte sich nun in radioaktive Pfützen, die nun um die Wette strahlen würden, falls dort jemand hineinträte… einzig und allein um diese Freerider tat es mir leid… Diese wunderbaren Gefährten waren nun endgültig hinüber.

Gerade wollte ich mich wegdrehen als mir ein Gedanke durch den Kopf blitzte. Rache war Blutwurst und so knallte ich das Fenster zu und legte den Schalter um. Jetzt konnten Nachkömmlinge sehen wo sie blieben. Ich drinnen alles andere draußen, dass zählte. Dann drehte ich mich auf einem Bein energisch zur diesmal existierenden Tür und hinterließ neben meinen halbdurchlöcherten Klamotten jede Menge Dreck auf dem sauberen Boden. Ich würde die Scheiße nicht sauber machen. Genauso wenig würde ich nicht ohne Bewerbungsgespräch und eine Entschädigungssumme gehen. Schließlich war ich gezwungen worden nun halb nackt durch die Gegend zu lahmen. Für ein T-Shirt unter dem Sweater hatte es nämlich nicht gereicht, geschweige denn für eine Leggins unter der Hose.

Nach passieren der, oh Wunder, unverschlossenen Tür, humpelte ich weiter den schmalen Gang entlang und tastete währenddessen die Wand ab. Raufasertapete… gab schlimmeres. Der Boden war mittlerweile zu bordeauxrotem Linoleum gewechselt, weshalb nahezu mein gesamtes Humpelpaket absorbiert wurde. Fast schon gruselig. Wo war ich hier nur reingeraten? Hoffentlich nicht in das woran ich dachte. Kaum bog ich um die Ecke tat sich eine Gabelung vor mir auf… Rechts oder Links? Schwer zu sagen. Ich horchte. Vielleicht würden mir der Luftraum und Schallwellen mehr Anhaltspunkte geben als meine optische Wahrnehmung. Es existierten weder Wegweiser noch irgendwelche Flecken, die darauf hinwiesen wohin die beiden Flure hätten hinführen können. Vorsichtig legte ich mein Ohr zwischen den verschiedenen Ausgängen an die Wand und horchte. Tapeten waren nicht die besten Schallleiter, aber besser als blind ins Leere zu laufen.

Da – ich hörte Stimmen, dann ein Lachen. Die Vibration kam von rechts. Trotz Linoleum auf leichte Schritte bedacht, wendete ich mich in besagte Richtung und folgte dem Gang. Das Erste was mir nach einiger Zeit auffiel war, dass sich der Boden erneut änderte. Statt bordeauxfarbenem Linoleum zierten nun abgewarzte Holzdielen in derselben Farbe den Untergrund.

Ich murrte widerwillig, jetzt hieß es erst recht vorsichtig sein. Holz so neu es auch scheinen mochte verzog sich unheimlich leicht und ein fieses Knarren war somit vorprogrammiert.

Ich trat wieder einen Schritt vor, nur im Unterschied darin, dass ich mich bemühte so leicht wie eine Feder zu werden. Einatmen, ausatmen. Sich vorzustellen man selbst sei ein Kranich und würde über den Boden schweben. Dann, nach dreimaligem Sammeln betrat ich den Boden beziehungsweise ich stellte mir vor wie ich darüber schwebte. Plötzlich krachte die erste Diele so laut, dass ich einen Augenblick dachte sie würde weg brechen. Die Stimmen verstummten sofort, anschließendes hektische Stühlerücken dann nichts mehr.

Wie beschissen konnte ein Tag noch werden? Ich rollte mit den Augen, biss die Lippen so fest zusammen, dass ich aussah wie Voldemort auf dem Sterbebett und schmiss all meine persönlichen Vorsichtsmaßnahmen über Bord. Wenn nichts mehr ging, half nur die Flucht nach vorn. Direkt ins Kreuzfeuer. Ehrentod war immer noch besser als zigtausend dahinsiechende Jahre ohne nicht ein Fleckchen Tageslicht. So fiel ich quasi die letzten Schritte und riss in einem Zug schwungvoll die Tür auf… Dass ich immer noch lediglich Unterwäsche trug war mir gerade einerlei. Sollten sie sich doch in Grund und Boden schämen… oder was auch immer dort drinnen auf mich wartete.

Was ich in kürzester Zeit nach betreten des Raumes wahrnahm waren: sechs Männer, die allesamt auf dem Tisch saßen, auf dem Boden oder auf der Küchenzeile, wie beispielsweise der größte von allen. Der Eine stand und trug etwas weißes auf dem Rücken. Ich kniff die Augen zusammen. Etwas sehr großes weißes. Ein Panda? Plötzlich bewegte es sich und schaute mich verschlafen an und aus dem Panda wurde ein Mensch mit sehr viel weißem Fell… Ein weiterer junger Mann mit eisblauen Augen starrte mich an, wie eine Eule in die Nacht. Dann drehte er den Kopf und schlief weiter. In dem Moment schaute der Träger des möchte-gern-Pandas von seinem Becher auf und sah mich genauso durchdringend an, mit den gleichen Augen nur nicht wie eine Eule in die Nacht sondern wie ein Raubtier auf seine Beute. Ich fröstelte. Davon völlig unbeeindruckt löste sich sein Blick von meinem Gesicht und taxierte mich weiter von oben nacht unten und zurück. Dabei verzog er keine einzige Miene. Dort wo seine Blicke mich getroffen hatten, waren meine Körperhaare so dermaßen noch oben geschoßen, dass ich mich wie ein elektrisiertes Kaninchen fühlte. Na wunderbar, ihn möglichst zu ignorieren und mir nichts anmerken zu lassen musterte ich die anderen. Wer mir sofort auffiel war der Unbekannte von vorhin am Fenster. Ebenso wie der andere saß er auf einem bequem aussehenden Birkenholzstuhl und schlief. „Sie an, der Geschäftsleiter schläft!“, kommentierte ich aggressiver und ein wenig lauter als eigentlich beabsichtigt. Sofort starrten mich zehn Augen an, direkt, und sie sahen nicht erfreut aus. Vielleicht hätte ich mir den Kommentar doch sparen sollen. Der Umstand der fehlenden Kleider machte es sicher nicht besser. Wobei allzu schlimm sah ich jetzt nicht aus. Särge schleppen machte eine gute Figur.

„Bist du die Neue?“ fragte der erste den ich wahrgenommen hatte. „Nein ich bin der Weihnachtsmann, deshalb auch der wunderbare Auftritt.“ „Es ist Mitte…“, er geriet ins stocken und brach dann ab. Anscheinend musste er sich erst darüber klar werden wo und in welcher Zeitdimension er sich befand. Ein typisches Zeichen von Wandlern… Den Gedanken offenbar verworfen stand er auf und ging zum Kühlschrank. Jetzt war ich es die ihn anstarrte. Er war es gewesen der vorhin an mir vorbei gesprintet war. Die Statur passte zumindest, weinrote Haare und als er sich erneut zu mir drehte sah ich, dass er neben den eisblauen Augen nur ein Ohr besaß, das andere fehlte. Er lächelte nicht. Er sah eher so aus als ob er mir gleich an die Gurgel gehen wollte. Trotzdem streckte er mir die Hand entgegen und reichte mir eine braune Flasche. „Nimm“, war das einzige was er sagte und schlurfte mir die Flasche in die Hand drückend wieder zurück zu seinem Platz und vertiefte sich in den Kaffeesatz seiner vor ihm stehenden Tasse. Ich biss mir auf die Lippen. Ich machte mir hier gerade keine Freunde.