Kurzgeschichte

Die Namenlosen, Teil I

Die letzten Tage gab es ein kleines Hin und Her mit der Geschichte. Sie sollte eigentlich am Sonntag erscheinen und dann zwitscherte mir eine Kiwi, dass hier ein paar Logikfehler etc. drin wären. Da ich ein wenig in sauer lag (zu wenig geschlafen, zu viele Konzerte) habe ich es erst einmal runter genommen. Jetzt ist es aber hoffentlich endgültig fertig und ich wünsch euch ganz viel Spaß:

Ausdruckslos starrte ich in die Leere. Am großen Platz vorbei hinein ins Nichts. Völlig unbeeindruckt von all den sich amüsierenden und aufgeregten Massen. Sie waren Schuld  gewesen wie immer in meinem Leben. Was hätte ich darum gegeben schreien zu dürfen, alle bösen Erinnerungen hier und jetzt aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Warum?! Warum konnte ich es nicht? Warum musste es uns treffen? Viel mehr warum ihn? Warum nicht mich…oder uns? Wer war denn so böse gegen jene, die noch nie auch nur irgendetwas verbrochen hatten, jene die seit Jahrhunderten verfolgt und verhasst wurden.… Wie konnten sie es wagen. Meine Kehle war wie zugenäht, zugenäht von verhassten, paranoiden Staatsführern, die an jedem und allem ein Exempel statuieren mussten und das Schlimmste war, die Mehrheit spielte mit. Aus Angst hielten sie sich versteckt. Wer wollte sich schon den Verurteilten anschließen? Noch nicht einmal die kleinsten Kleinstkinder wären so dumm gewesen. Hier zu leben war Selbstmord auf Raten, aber sich dagegen zu wehren pure Folter.

Bevor mich auch nur irgend jemand wahrnahm verschwand ich im Wald, irgendwohin. In unser altes Versteck konnte ich ja nun nicht mehr. Verbrannt hatten sie es und nicht nur dass, vorher hatten sie es auch noch zerstört und anschließend erneut ausgeräuchert. Natürlich nur um uns zu vertreiben. Wir, die möglicherweise noch irgendwo hätten liegen können unter den Trümmern begraben. Wie hatten sie uns nur finden können?! Ich hatte doch sämtliche Siegel verstärkt, alle Kreise neu gezogen, selbst die Steine neu gesät und doch hatte ich bei einem von uns dreien versagt. Eine Silbe zu schnell gesprochen, eine Linie nicht gleichmäßig gezogen oder eine Rune falsch gesetzt. Mir war klar, dass es jeder Zeit wieder passieren könnte… Dann wären wir wieder einer weniger und letztendlich ganz fort. Seit Jahrhunderten wurden wir bereits gejagt und nie war jemand von uns am Tod eines Mitglieds Schuld gewesen. Bis heute, heute war ich es. Ich versuchte den aufkommenden Würgereiz zu unterdrücken, ich wusste das es Amon wusste und er wusste, dass ich wusste. Sein Bruder war aufgrund meines Fehlers gestorben. Gerechtigkeit sah anders aus.

Ein Entrinnen würde es nicht geben, nicht mehr für ihn. Für keinen von uns. Vielleicht hätten wir ihn vor Jahrtausenden mit unseren Legionen retten können, aber Zeiten änderten sich.

Zu zweit, war es schlichtweg unmöglich. Dort wo Amons kleiner Bruder nun bis zu seinem Tod verweilte würde es düsterer und tödlicher sein, als die menschliche Hölle selbst.

Schon bei dem puren Gedanken stellten sich meine Nackenhaare auf. Gleichzeitig verlangsamten sich meine Schritte, meine Füße hatten mich automatisch zum Unausweichlichen geführt. Ich wusste was auf mich wartete, vielmehr lauerte. Ein verzweifelter Amon in der Hoffnung seinen Bruder wieder zu sehen. Ich hatte es ihm in aller Naivität versprochen. Ich hatte ihm geschworen Chumur zurückzubringen, schließlich standen die Chancen am Anfang sogar gut. Bis zu dem Moment, als Chumur gestand oder vielmehr dem Druck nachgab zu gestehen. Wie versteinert hatte ich zusehen müssen wie der Gong geschlagen wurde, der dumpfe Klang hatte meine Füße erfasst, meine Knochen durchdrungen und war durch die Mauern hindurch auf die Straßen getragen worden. Insgeheim hoffte ich, dass es Amon gehört hatte. In seinem Zustand, ihm den Tod seines Bruders zu verkünden machte mich wahnsinnig vor Angst. Gleichzeitig wusste ich je länger ich wartete, desto schlimmer würde seine Reaktion und ich wollte nicht noch jemanden verlieren. Nicht jetzt, selbst ihn nicht. Ich war schließlich kein Mensch. Wir würden schon einen Weg finden wie bisher immer.

Ich schloss die Augen, hörte auf meinen Herzschlag, versuchte ihn wahrzunehmen nur um ihn anschließend zu packen und zu schütteln auf, dass er endlich Ruhe geben sollte. Nichts geschah, ich begann sogar leicht zu schwanken. Sofort öffnete ich die Augen. Es musste enden, jetzt hier sofort, sonst würde ich noch vor Kummer verrückt.

Unsicher lehnte ich mich an den Stein und ließ mich innerlich fallen. Niemand, selbst der stärkste Rammbock hätte diese Wände zerbrechen können. Außer man war wie wir, nicht menschlich. Doch ehe ich mich überhaupt sammeln konnte, wurde ich an der Schulter gepackt und so stark herumgezerrt, dass ich das Gleichgewicht verlor. Wäre die Hand nicht gewesen, wäre ich vermutlich auf den harten Steinboden gestürzt.

Staub wirbelte auf und verklebte meine Wimpern, nur undeutlich sah ich die Gestalt vor mir. Dann ein erneuter Ruck durch meinen Körper, die Gestalt vor mir hielt mich gepackt wie ein Schraubstock. „Wo ist er?!“, donnerte es mir entgegen. Erst nach Sekunden begriff ich, dass es Amon war. „Sag mir wo er ist oder…“ er vergrub seine Fingernägel in mein Schlüsselbein und ich zuckte vor Schmerz zusammen. Durch den inzwischen wegeblinzelten Staub konnte ich seine Befürchtung geradezu wachsen sehen. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, dann erfasste der Schmerz der Verzweiflung seinen Körper, übermannte ihn und begann seine Seele zu zerfressen.

Bevor er sich wieder fassen konnte stieß ich ihn von mir weg und stolperte ein paar Schritte nach hinten. Bloß raus aus seiner Reichweite. „Du weiß ganz genau wo er ist“, flüsterte ich leise. Noch immer vermied ich der Wahrheit ins Auge zu sehen . „Ist-ist er tot?“, stieß Amon hervor. Ich ignorierte ihn, wusste er es doch selbst. „Antworte, Gott verdammt!“, hörte ich ihn schreien. „Es gibt keinen Gott, es gab nie einen, und es wird auch nie einen geben! Jedenfalls nicht für uns…“, schrie ich zurück. Da gaben seine Beine endgültig nach und er fiel auf die Knie, vergrub sein Gesicht in seine Hände. Sein Körper fing stark an zu zittern und seine Schreie hallten noch Minuten in dem uralten Höhlensystem wieder. Das war keine Verzweiflung mehr, dass war purer Zerfall. Alles erbebte: Mark, Bein, der feine Staub, selbst die Wände schienen zu vibrieren unter dem puren Schmerz eines liebenden Bruders.

Ich ließ ihn schreien, kein einziges Wort und keine einzige Geste hätten ihn beruhigen können. Gegen Schmerz gab es nur ein Mittel und dass war die Zeit. Er konnte nicht endlos so weiter schreien, irgendwann würden seine Stimmbänder nachgeben oder sein Bewusstsein. Unentschlossen zog ich mich zurück, bemerken tat er mich nicht und schließlich nach schier endlosen Minuten sollte ich recht behalten. Sein Schluchzen wurde leiser, seine Schreie kürzer und das Husten und Röcheln lauter bis er letztendlich ganz verstummte.

Dann Stille, weder ich noch er bewegten sich. Keiner von uns schien zu atmen, jeder von uns schien auf die Reaktion des anderen zu warten gespannt wie ein Flitzebogen. Auch nur ein falsches Wort und das Grauen würde von vorn beginnen. „Warum? Warum musste es ihn treffen?“, Amon rang nach Luft. Erschöpft und immer noch zitternd stemmte er sich hoch und drehte seinen Kopf schwach in meine Richtung. Sein Blick war leer und tot, ich erschauderte. „Hör zu“, fing ich an, „es gibt Dinge, die können selbst wir nicht verstehen.“, nun brach meine Stimme. Ich war immer noch angespannt, wie viel Zeit blieb mir noch ehe er eins und eins zusammenzählte und mich beschuldigte. Mein Sichtfeld verschwamm und ich presste die Augen zusammen, jetzt bloß nicht weinen. Nicht hier und nicht vor ihm, einer von uns musste einen kühlen Kopf bewahren. Zumal ich ihn wohl bald brauchen würde.

Anstatt mich meiner Trauer hinzugeben starrte ich wie gebannt auf den Boden, doch irgendwann gab mein Wille den Geist auf. Meine Beine wurden weich und ich glitt die Steinwand herunter dort kauerte ich mich zusammen. Das Einzige, was ich jetzt noch wollte war schlafen. Schlafen, schlafen schlafen. All das schlechte, all das Grauen der letzten Stunden vergessen, aber ich wusste es würde nicht funktionieren. Solche Dinge konnte und durfte man nicht vergessen…

Verträumt dachte ich an die Zeiten, als ich noch so etwas wie glücklich gewesen war. Niemand hatte auch nur eine Notiz von mir oder gar von meiner Familie genommen. Wir waren stinknormale Bauern gewesen, nicht besonders reich aber zufrieden. Es reichte zum Leben und es gab schlimmeres als auf dem Feld zu arbeiten. Selbst unser Lehnsherr war gütig gewesen vielmehr streng, aber gerecht. Ungern erinnerte ich mich an die Geschichten von den fahrenden Spielleuchten, ich hatte sie bis dato immer für Schauermärchen gehalten bis zu dem Tag an dem unsere Äcker abgebrannt wurden und ich mich inklusive meiner Eltern plötzlich auf der Flucht befanden. Erst dann fand ich heraus, was ich wirklich war und dass mein Leben nie wieder so sein würde wie vorher. An dem Tag der Flucht verlor ich nicht nur meine Eltern, nein ich verlor alles was ich bis dato kennengelernt hatte: Geschwister, Freunde, Verwandte, Nachbarn und meine Heimat.

Wie durch ein Wunder gelang es mir zu entkommen und wie das Schicksal es so wollte stieß ich auf Amon und seinen kleinen Bruder. Amon wollte mich zuerst verraten, sah dann aber ein dass ich recht nützlich war und behielt mich dann doch widerwillig. Schließlich konnte ich lesen, schreiben und dass was mir mein Vater sonst noch so gelehrt hatte. Wie dumm ich gewesen war, mich vorher nicht zu fragen weshalb ich über die Dinge nie mit anderen reden durfte. Wie dämlich von mir, dass ich dachte es sei normal Sachen zu bewegen ohne sie jemals berührt zu haben.

Wir zogen einige Zeit durch die Länder, möglichst bedacht darauf unentdeckt zu bleiben. Drei arme Waisen getarnt als Kinder von gewöhnlichen Schmieden, Bäckern oder Stallmännern. Eines Tages gelangten wir an den Rand des Tals, in dem die Stadt so friedlich lag. Unschuldig und fast noch unberührt. Es gab nirgendwo Anzeichen darauf, dass wir auch hier gejagt werden sollten. Es wurden weder Waffen verkauft noch hingen hier irgendwo Aushänge, die die Bewohner anstacheln sollten die Augen aufzuhalten. Selbst heute, selbst nach diesem Vorfall änderte sich weder das Verhalten noch das Äußere der mittlerweile nicht mehr ganz so winzigen Stadt. In dem Sinne war es sogar noch schlimmer als in den südlicheren Großstädten. Hier glichen die Aristokraten Schlangen, die nur darauf warteten dass sich jemand zeigte und dann wurde kurzer Prozess gemacht. Ohne Kommentar, ohne großes Aufsehen… Oder war der Geburtstag des Kaisers Schuld gewesen? Färbte der nationale Eifer auf den Charakter der Gesellschaft ab? Tief in meinem Inneren zweifelte ich, Menschen waren und blieben grausam ungeachtet der äußeren Umstände. Wie viele Menschen würden in den nächsten Tagen wohl anreisen? Hunderte, Tausende? Eine Hinrichtung unseresgleichen am Nationalfeiertag hatte man noch nie erlebt, es würde sicherlich ein großartiges Fest werden. Allein die Vorstellung jemandes Todes so ausgiebig zu feiern war einfach nur zu grausam um wahr zu sein.

Ich wollte gar nicht wissen, wie Amon sich fühlen müsste. Schließlich erlebte ich es zum ersten Mal, er nun zum dritten oder vierten? Ich war mir nicht mehr sicher wusste ich nur, dass er bereits seine gesamte Familie verloren hatte. Um ehrlich zu sein, war es noch nicht einmal wirklich wichtig. Für uns zählte nur die Gegenwart und der nächste Tag. Weiter trauten wir uns nicht zu denken, früher war es anders gewesen. Zumindest für mich bis ich eines nachts  von meinen Eltern wachgerüttelt und anschließend in einem Kartoffelsack auf einem Wagen verstaut worden war.

Schnoddersurfen

Es ertönt ein Bing und ich schlage mehr unwillig als freiwillig die Augen auf und greife reflexartig nach meinem Telefon. Wieder stellt mein Gehirn meinem Körper die Frage, ob er das wirklich möchte… Ihm scheint es gleichgültig zu sein, denn er fummelt fröhlich weiter am Display herum. So viel zum Thema Körper und Seele sollten eins sein. Einen Scheiß sind sie es, aber jedes Mal wenn mir jemand schreibt habe ich das ungute Gefühl, dass etwas schlimmes passiert sein könnte. Jedes gottverdammte Mal, seitdem ich ein Telefon besitze.

Vor mir tut sich eine Benachrichtigung auf die besagt, dass N. mir ein Foto mit einer Caption geschickt hätte. Dieses Mal versucht mein Gehirn wesentlich offensiver meinem Körper zu zeigen, dass es zumindest nicht will. Körper findet mal wieder, dass sich mein Gehirn zu sehr anstelle und ignoriert es gekonnt. Mit brennenden und halb verquollenen Augen wische ich also auf dem Glas herum und hoffe, dass es noch die richtige Form des Wischens war. Beim Auftun des blütenweißen Hintergrundes zucken meine Lieder wie blöd. Das hast du nun davon, höre ich mein Gehirn flüstern und irgendwie habe ich das Gefühl dass es vergessen hat, dass es sich dabei nur selbst weh tut. Meine Pupillen kommen jedenfalls nicht mehr mit dem Schließen hinterher und mein inneres Ich beginnt fröhlich vor sich hin zu schreien. Meiner Finger tippen nun mehr als dass sie Wischen, meine Kehle röchelt, meine Nase läuft Marathon und mein Kopf sendet mittlerweile fast schon hysterisch-panikend SOS Signale. Das Foto maximiert sich automatisch vor mir und zeigt N. in Bermudashorts, Tanktop und mit einem Surfbrett in der Hand Marke Mini Malibu. Die Versuche dabei möglichst cool auszusehen ignoriere ich beflissentlich, ich sehe ihm an wie er an Muskelkater stirbt. So zurechnungsfähig ist mein Gehirn dann doch, erstaunlich.

Den Satz darunter: „Sau geile Wellen gehabt heute“ lässt mich ebenfalls zweifeln. Das Meer im Hintergrund sieht für Wellen nämlich eindeutig zu flach aus, aber dass schreibe ich nicht. Heute fehlt mir eindeutig die Geduld, die Konzentration und die Ausdauer für eine gute Diskussion. Zumal mein Gehirn jetzt aufgehört hat SOS-Signale zu schicken, dafür hat mein Kopf beschlossen ein einziges Inferno von Feuerwerk zu zünden. Womit habe ich das nur verdient, denkt sich mein Gehirn und meine Augen rollen dazu unterstützend. Schön, dass die beiden zumindest einmal einig sind.

Die Phrase „Atemlos durch die Nacht“ bekommt in einem solchen Zustand eine ganz neue Bedeutung muss ich immer wieder feststellen muss. Meine Finger befürworten nur, dass sie nicht doof herumliegen und toben sich gerade mithilfe der Tastatur aus. Wobei ich mir sicher bin, dass das Geschriebene auch eher nur halb so viel sinn macht wie ich es mir gerade vorstelle. Was nun folgt kenne ich schon und zwar zur Genüge. Denn kurz darauf

steht unter Ns Namen ungefähr drei Minuten lang das Wörtchen „schreibt…“. In diesen drei Minuten, wälze ich mich mindestens zwei Mal in meinem Lazarettbett herum, schnaube mir mal wieder die Nase wund und saufe einen weiteren Liter Tee. Drei Minuten können verdammt lang sein denkt sich mein Gehirn und will schon wieder abdriften, da erscheint auf dem Screen „Spielverderberin“. Und dafür drei Minuten?! Ich merke wie mein Gehirn anfängt zu kochen, aber statt zu einer Predigt anzusetzen, die den Unterschied zwischen Ehrlichkeit und einfach nur maßloser Dämlichkeit beleuchtet schreibe ich einfach nur: „Zumindest kann ich besser surfen als du“.

Danach gibt es kein Halten mehr, zumindest nicht für N. Was folgt ist eine Litanei in pseudo- Fachjargon, was heutzutage keiner mehr spricht. Es sei denn man will auf Teufel komm raus cool wirken eben wie N. Mein Kopf hat mittlerweile von Feuerwerk auf Technoparty umgesattelt und überdreht gerade meine inneren Boxen, der Bass der Loveparade war angenehmer. Du kannst dich doch lediglich auf dem Brett halten denke ich und meine Augen rollen mal wieder Purzelbäume. Sie wissen nämlich noch wie N. sich kaum auf einem Skateboard halten konnte. Das Ganze war kaum sieben Tage her. „Ich kann immer noch besser surfen als du, selbst wenn ich krank bin“, schreibe ich wieder.

Daraufhin schließe ich meine Augen und bevor ich überhaupt irgendetwas dagegen unternehmen kann renne ich bereits aus der Tür, schnappe mir mein Board und beginne mit meinem einen Bein Schwung zu holen und gleite durch die Straßen.

Ich passiere Wellenberge- und täler aus Beton, dann drehe ich der potenziellen Bedrohung den Rücken zu und bringe mich in Position. Jetzt geht es ans Eingemachte, mein Körper muss genau mittig auf dem Brett liegen, die Spitze des Boards darf nicht höher als einen guten Kopf über dem Wasserspiegel liegen. Ich schaue immer wieder über meine Schulter, der Wind pfeift und meine nassen Haare klatschen mir ins Gesicht. Pass dich der Welle an, säuselt mein Gehirn worauf hin ich mich arg verlangsame. Dann irgendwann kommt der Lift und ich stemme mich hoch.

Der Lärm des Verkehrs schwillt an, vermischt sich mit dem Rauschen des Meeres bevor es letztendlich den Straßenlärm vollständig überlagert. Ich kann es kaum fassen, jetzt surfe ich doch tatsächlich durch die Straßen meiner Stadt. Meine Haare lösen sich von meinem Gesicht und wehen nun wie verrückt im Wind. Die Gischt schlägt mir ins Gesicht und ich muss aufpassen, dass ich sowohl kein Salzwasser in die Augen bekomme als auch das Gleichgewicht halte, denn die Kraft des Meeres ist stark. Es ist niemals dein Freund mag es dir noch so ruhig und gleichmäßig vorkommen. Es nimmt auf niemanden Rücksicht, weder auf dich noch auf irgendein anderes Lebewesen. Es ist sich selbst genug mehr braucht es nicht.

Mein primäres Ziel ist nun nicht mehr der Arzt, sondern auf dem Weg dorthin einen vollständigen 360° zu schaffen. Die Triefnase habe ich schon längst hinter mir gelassen genauso wie meinen schmerzenden Hals, Kopf und Gelenke. Ich verlagere mein Gewicht langsam auf meinen hinteren Fuß und schwinge dann blitzschnell mit meinem vorderen Bein mein Brett einmal um mich herum und fahre dabei mit meinen Händen durchs Wasser. Sofort bemerkte ich, dass es eine schlechte Idee war schließlich stehe ich eigentlich immer noch auf dem Board und Asphalt lässt sich schlecht durchfahren. Wenn ich wieder zu Hause bin heißt es wohl Hände desinfizieren. Zum Glück habe ich nicht mein Gleichgewicht verlorenen, dazu gehört schon mehr als nur ein paar Kratzer an den Fingerspitzen.

Meine Konzentration ist so vom Betonwellenverlauf vereinnahmt, dass ich fast die ausgeschriebenen Sonderangebote an meinem lokalen Supermarkt übersehe, aber eben nur fast. Ich reite eine erneute Welle durch den Laden, bei der ich dieses mal auf einen 360° verzichte. Satt dessen nutze ich einen Wellenkamm als Halfpipe und hebe tatsächlich ein wenig von der Meeresoberfläche ab. Das Aufsetzen ist knapp, aber ich schaffe es gerade noch so bevor die Welle bricht, damit meine Beine erst gar nicht an Schlapp machen denken steuere ich gleich in die nächste an.

Der Weg zum Arzt will schließlich hinter sich gebracht werden, allerdings merke ich langsam wie mein Adrenalin erheblich abnimmt. Fast wäre ich beim Arzt vom Brett gefallen, aber da spüre ich einen erneuten Lift und mein eiserner Wille packt mich wieder. Meine Kräfte mögen zwar nachlassen, aber den nach Hauseweg würde ich trotzdem noch schaffen. Das morgendliche Krankheitshoch musste schließlich ausgekostet werden.

Bevor ich mich jedoch dem Strand zuwenden kann, sehe ich aus dem Augenwinkel die perfekte Welle. Diesen Jackpot werde ich mir nicht entgehen lassen, so viel steht fest. Ich schmeiße alle reifen Überlegungen über Bord und reiße mich noch einmal zusammen.

Dann bringe ich mich abermals in Position. Körper mittig auf dem Brett, mein Tempo dem der Welle anpassen und zu guter Letzt den Kopf nach unten nehmen. Sobald ich erneut den den Aufschwung spühre, schwinge ich mich hoch und lehne mich seitlich gen Wellenwand und dann befindet sich die Welle auch schon über mir. Nicht nur über mir, auch unter und rechts von mir. Links fällt der Schaum nach untern, dem Ruf der Schwerkraft folgend. Der einzige Ausweg ist nach vorn und dorthin rase ich nun auch.

Während ich in Gedanken damit beschäftigt bin die Pipe erfolgreich zu meistern, versuche ich in der Realität den übergroßen und viel zu schweren Staubsauger aus der Kammer zu ziehen und noch einmal schnell die Wohnung zu säubern bevor das ernsthafte Nachmittagstief eintrifft. Gerade wenn man viel am Vormittag und am Morgen erledigt hat, trotz Erkältung fühlt sich das Nachmittagstief an wie das Wellental eines Tsunami. Satt Staub wirbelt nun wieder Wasser um mich herum und das Rauschen erfüllt wieder meine Ohren.

Das hin und her Bewegen des Staubsaugerausläufers fusioniert mit dem leichten Wackeln des Brettes unter meinen Füßen und bevor endgültig die Gischt über mir zusammenschlagen kann bin ich aus dem Tunnel heraus und surfe wieder unter der Sonne. Das Adrenalin gibt mir noch einmal den letzten Kick um an den Strand zu kommen ergo aufs Bett zu fallen. Dort angekommen lass ich mich nach hinten plumpsen und lasse die Wellen über mich hinweg rollen…

Siehst du? Jetzt sag nicht, dass ich nicht Wellenreiten kann, ich kann sogar meine Erkältungswellen reiten. 

Gesammelten Schätze des Monats des Lärms

Da ich quasi über die Hälfte diesen Monats Ferien hatte und deshalb nicht in die elendige StrafvollzugsBildungsanstalt musste, kann ich kaum von irgendwelchen verrückten oder gar vernünftigen Taten berichten. Ich selbst habe die ganzen vierzehn Tage (mit Ausnahme von 48 Stunden) an meinen beiden parallel laufenden Kunstprojekten gearbeitet und bin immer noch am Verzweifeln oder schon wieder? Zumindest war am Donnerstag der Abgabetag des einen Projektes. Das Papierkleid. Wobei ich sagen muss, dass die ehre nicht mir gebührt sondern meiner Mitbewohnerin. Ich habe lediglich Papier geknüllt und Rüschen zusammen getackert. Als Essstäbchen bin ich eben nur der Kleiderbügel für dieses Meisterwerk, aber immerhin mit Stolz.

Und während sämtliche Mitschüler sich fleißig ans Lernen fürs Abitur begaben saß ich zeichnend in meinem Kämmerlein und bastelte. Dabei brauche ich nun wirklich eine Punktmutation, die in mir irgendeine Aminosäure so verändert, dass ich auf einmal quasi das Superhirn für Mathematik würde. Dafür würde ich mich sogar von so nem Viech beißen lassen: Kakerlake, Spinne, Tausendfüssler völlig einerlei…

Dabei gibt es so viele schöne Dinge in meinem Leben, trotz Streß. Zum Beispiel endlich einen Ort, an dem ich mich wohl und vor allem akzeptiert fühle so wie ich bin ohne wenn und aber. Ich muss mich für nichts rechtfertigen. Zudem gibt es mittlerweile zwei Menschen mit denen ich wunderbare Gespräche führen kann, zwar nur über Sprachnachrichten dafür über mehrere hunderte bzw. tausende Kilometer hinweg. Gar kein schlechter Schnitt. Die Zeitverschiebung ist dabei allerdings irgendwie sehr gewöhnungsbedürftig.

Und hey, ich war sogar seit langem wieder im Kino, Gegen aller Vernunft und wie ihr bereits gelesen haben werdet, hat es sich wahrlich gelohnt. Ghost in the Shell wird dennoch verweigert. Nicht in diesem Aufzug, einfach Nein.

Dafür habe ich ein sehr exquisites Theaterstück sehen dürfen. Exquisit liegt dabei im Auge des Betrachters. Es lag allerdings nicht an dem Umstand, dass es sich mal wieder um den Zerbrochenen Krug handelte. Nein, vielmehr war es die Interpretation der Komödie/ des Lustspiels. Statt süfisant, satirisch und hämisch präsentierte sich das Werk als absurd und blutig.

Der Dorfrichter Adam war ohne ersichtliche Begründung, die ganze Spielzeit über nackt. Komplett… Soweit so gut, so theatralisch. Ich hätte dennoch gerne eine Begründung dafür gehabt. Ähnlich wie für folgende Interpretationen: Das über den gesamten Körper verteilte Blut, den cholerischen Veit der seinen Sohn verprügelt, die Liaison zwischen Licht und Adam (?!) und zu guter letzt Walters Kuss mit Evchen und dem darauf folgenden Missbrauch (?!). Bitte, wie Bitte?

Ihr lest, eine wundervolle Abendbeschäftigung, zumal die ach so wundervolle Betonung nicht existierte. Für mich zumindest nicht, ich empfand es eher als monotones Heruntergerassel.

Unsere Fassung hat mir wesentlich besser gefallen. Humorvoller, mehr Elan und auch nicht ganz so Interpretationsfrei…. Um die Pressestimmen mal zu kommentieren: Ja, dieses Stück ist eine Farce nur keine geistreiche, bitterböse sondern lediglich eine gewalttätige sowie verstörende. Ich hätte genauso gut Mann gegen Mann oder Bück dich ansehen können. Es hätte keinen Unterschied gemacht….

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Es war einmal….

Ich bin dank eines Theaterprojektes mal wieder rigeros abstinent, so dass nun eine etwas ältere Kurzgeschichte herhalten muss. Ich hoffe ihr verzeiht mir, dass ich euch gerade auf den zweiten Platz meiner Aufmerksamkeit degradiert habe. Ich verspreche hoch und heilig, dass nächste Woche mal wieder etwas aktuelleres erscheint…

Es war einmal ein Prinz, weit drüben im Märchenlande. Weil der nur ein Träumer war, liebte er es sehr, auf einer Wiese nahe dem Schlosse zu liegen und träumend in den blauen Himmel zu starren. Denn auf dieser Wiese blühten die Blumen größer und schöner wie sonstwo… -Bertolt Brecht

Doch bald nahm das satte Blau des Himmels allmählich ab, immer mehr verlor es seine Farbe bis er dem Gefieder eines gemeinen Straßenvogels ähnelte, der sich drüben in den Armenvierteln der um jeden Brotkrumen arg zankte. Dies trübte den Prinzen, waren seine Träume nun nicht mehr so farbenfroh und leuchtend wie die Glühwürmchen die Nachts um sein Fenster herum schwirrten. Bald schwanden ebenfalls die leuchtenden Farben der Blumen von Tag zu Tag bis nur noch graue Fetzten an den Stängeln hingen. Der junge Herrscher bekam es mit der Angst zu tun, so etwas hatte er noch nie erlebt. Stand das Ende der Welt bevor? Ihm wurde ganz Bang ums Herz, was sollte er bloß tun? Denn auf das plötzliche Blumensterben folgte auch die erschreckende Beobachtung, dass die Blätter sich verfärbten ähnlich wie die Blumen nur wurden sie nicht grau, nicht schwarz sondern gelb, orange und rot. Nur die Nadelbäume blieben ungerührt und versteckten sich in der warmen Farbenpracht. Ob die grünen Bäume wohl gehänselt wurden beim Versteckspiel? Grasgrün ließ sich schwer tarnen in dem Meer aus grau und orange. Der Prinz seufzte. Wie weit die Bäume wohl laufen mussten um passende Verstecke zu finden? Konnten Bäume überhaupt zählen oder warteten sie nach einer inneren Uhr einfach ab? Vielleicht waren die Bäume auch Schuld, dass es den Blumen so schlecht ging. Wenn Bäume rannten musste sicherlich die Erde beben. Was sollten die kleinen zarten Blüten diesen massigen Monumenten aus Holz entgegensetzten? Der Prinz fühlte die Wut in sich hinauf steigen, wie eine kleine Spinne das Regenrohr an der Schlossfassade. Die Angst um sein Königreich hatte er vergessen. Er musste die Blüten retten, wenn die Bäume ihr Versteckspiel unterlassen würden, erginge es den Blumen bestimmt besser. Insgeheim fasste er einen Entschluss: Das Blumensterben musste verhindert. Koste es was es wolle! Und er selbst würde den Grundstein dafür legen.

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54. „Ich zeichne Faultiere für die Nachwelt“ -Ice Age

54. „Ich zeichne Faultiere für die Nachwelt“ -Ice Age

„Nächste Haltestelle …..!“

Ich sprang auf. Wie der nächste Halt hieß wusste ich schon seit Jahren, schließlich träumte ich eben so lange mir hier meinen Lebenstraum zu verwirklichen. Zugegeben ein wenig nervös war ich schon, aber das gehörte eben dazu. In dem Moment kam mir der Lieblingsspruch meiner Großmutter in den Sinn, stets predigte sie mir: Leben heißt Veränderung sagte der Stein zur Blume und flog davon. Im zarten Alter von fünf Jahren gefiel er mir außerordentlich gut, doch spätestens als meine beste Freundin auf die andere Seite der Erde zog, ich von meiner ersten großen Liebe betrogen wurde oder ich meinen Lebenstraum entdeckte ging er mir zusehends auf die Nerven.

Es gab Dinge die sich nicht veränderten wie mein Traum beispielsweise. Fünf Jahre mochten für manche eine kurze Zeit, doch für mich war es eine halbe Ewigkeit und diese undefinierte Ära reichte aus um mir die Entscheidung der Vermählung mit mir selbst und der Kunst abzunehmen. Ich hatte gesucht, gelesen, weiter gesucht, Termine vereinbart, weiter überlegt, gefunden, verworfen, wieder gesucht und vor ein paar Wochen hatte plötzlich alles gepasst. Der Ort, die Menschen, der Preis sowie meine Wünsche. Endlich fühlte ich mich respektiert und ernst genommen, außer der Himmel. Er fand meinen Lebenstraum wohl nicht allzu prickelnd, denn er schickte mir den heißesten Tag des Jahres ohne auch nur eine einzige Brise geschweige den Wolken.

Zu meinem Bedauern war da nicht nur der sengende Scherz der brennenden Mittagssonne sondern ebenso diese Angst. Diese verdammte Angst, sie ließ sich trotz Optimismus und immer wieder kurz aufblitzenden Glücksgefühlen einfach nicht abschütteln. Unversehens spürte ich wie der Wagen langsamer wurde, dann erschien der kühle orange, grün, gelb gekachelte Bahnhof in meinem Blickfeld. Die Türen schwangen wie von Geisterhand und mit einem undurchdringlichen Quietschen auf und ich sprang quasi aus dem Zug. Ich durfte meinem Restzweifel auf keinen Fall die Oberhand übergeben. Komme was wolle, ich würde es durchziehen. Kneifen galt nicht, auch wenn niemand, wirklich niemand von meinem Vorhaben wusste. Wenn es auch nur irgendjemand erfahren hätte, wäre ich auf dem Präsentierteller meines gesamten Freundes- sowie Familienkreises verbal gehängt worden.

Aber egal ich durfte jetzt keine kostbare Energie verschwenden um mich um andere zu kümmern. Bloß nicht, also Treppe hinab sprinten. Die Hitze traf mich wie ein Vorschlaghammer, der Bahnhof selbst war trügerisch kühl gewesen, doch der Rest der Welt schien dem Hitzetod erlegen. Kein Wunder, dass keine einzige Seele auf der weiten Verkehrsstrasse zu sehen war.

Straßenseite wechseln, Fassade suchen… Noch 20 Meter. In mir kribbelte es, besonders in meiner Nase. Noch 10 Meter, ich fing an in meinem Schweiss zu baden. Die Hitze, und die Angst ließ meinen Körper einen gewaltigen Cocktail voller Adrenalin, Testosteron, Endorphine sowie Trijodthyronin. Konnten Frauen überhaupt Testosteron bilden?! Verdammt vor Aufregung konnte ich mir noch nicht einmal den Stoff des ersten Semesters merken.

Mittlerweile hatte sich meine Nervosität mit meiner Angst zu einem fiesen Darmknäul entwickelt welches sich ganz langsam als lähmende Ungewissheit in meinen Adern ausbreitete. Das Gift des Menschen: seine Launen. Hätte ich nicht doch noch einige Nächte darüber schlafen sollen? Oder lieber Sophie mitnehmen sollen? Ich hatte selbst überlegt, ob ich Anke bitte sollte… aber wenn es Anke wusste, wussten es alle.

Vor wenigen Tagen hatte ich mir noch gesagt, dass ich tapfer genug wäre um diese Stunden mit mir allein durch stehen zu können. Es wäre ein hervorragender Selbstfindungsprozess werden. So viel zum Thema Erwachsenenvernunft. Im Moment hatte ich nicht den geringsten Hauch des Gefühls, dass immense Schmerzen meine Selbstfindung auch nur irgendwie positiv beeinflussen würden. Wo musste ich eigentlich stehen bleiben? Richtig, bei Meter null. Null Meter über dem Abgrund der Hölle oder null Meter vor dem Eingang zum Himmel… Wie ging das gleich noch einmal? Schultern straffen, Brust raus und lächeln. Es würde so oder so kein zurück geben, also was sollte schon passieren. Dieses Ereignis hatte ich seit Monaten geplant… Es war alles abgesprochen worden, mehrmals sogar. Wieso blieben also mir diese Bedenken? Ich würde gerade wegs durch diese Tür hinein gehen, meine alte Hülle abstreifen und als vollkommen neuer Mensch hinauskommen. Wo war das Problem?!

Es gab keins. Punkt fertig aus, meine Angst wollte mir nur einen Streich spielen nichts weiter… Mit einem gewaltigen Zischen zog ich die Luft ein und drückte dann versucht entschlossen die Tür auf. Ein Windspiel ertönte. Ein Windspiel in einem Tattoostudio? Das war bei meinem letzten Besuch aber nicht hier gewesen… Sofort nagte die eben noch erfolgreiche verdrängte Angst wieder an mir. Windspiele hingen doch nur bei Dosensammelnden Omas, nicht dass ich etwas gegen dosensammelnde Oamas habe, die im Wald wohnen mit ihren zwölf Katzen, aber von einer solchen älteren Dame wollte ich in Paracelsus Namen nicht gezeichnet fürs Leben werden! War so etwas überhaupt legal? Die Crew zu wechseln ohne jemandem auch nur ein Sterbenswörtchen zu erzählen? Ich spürte wie ein sich das ganz kleine Schweißrinsal das meine Wirbelsäule entlang lief leicht anstieg, wehe es würde ein Amazonas werden. Ich sah mich im Vorzimmer um. Allerdings sehr, sehr langsam… Falls ich auch nur eine unbekannte Nasenspitze erblicken würde, wäre ich ebenso schnell wieder weg mit Hyperlichtgeschwindigkeit. Auf ins andere Ende des Universum!

Nach einigen Sekunden angestrengtesten Lauschens setze ich zögerlich einen Schritt vor den anderen Richtung Tresen. Dann fiel mein Blick auf die Klingel… Konnte ich es wagen? Sicher… Im Klingelstreichspielen war ich schon immer die Größte gewesen, nur Bowie war damals noch flinker gewesen als ich. Dennoch, sollte ich sie wirklich drücken? Dann gäbe es wirklich kein Zurück mehr. Jetzt könnte ich immer noch umdrehen und mir lebenslang einreden, dass ich es geschafft hätte, aber unter diesen Umständen niemals.

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26. „Muss ich dich erst überfahren, damit du auf mich hörst?“ -Ziemlich beste Freunde

Folgendes ist über mehrere Wochen entstanden… Quasi Me and Julio down by the schoolyard mäßig. Wobei wir auch schon beim Thema wären. Dieser Monolog entspricht nämlich dem Gespräch, was heraus kommen würde wenn man die Quintessenz auf Gefühlsebene unseres schulischen Lebens extrahiert und zwar von allen Schülern fünfte bis zwölfte Klasse…
„Das Glücklich ist eher ein deprimierendes Glücklichsein weißt du? Ich meine kennst du das Gefühl wenn du weißt, dass du glücklich sein solltest, aber es irgendwie doch nicht bist, weil du es irgendwie nicht zulassen willst oder kannst? Deinem Schweigen nach zu urteilen wohl nicht… Wie solltest du auch.. Hey, hör dann mal zumindest zu! Vielleicht kannste dir ja mal zur Abwechslung ein Beispiel nehmen.
Gerade eben in der Metro von San Lázaro nach Balderas ist es um diese Uhrzeit ja immer höllisch überfüllt, wegen des noch gesperrten Autobahndeckels…. kennste ja, deshalb würde ich die Strecke ja normalerweise laufen, aber dank des Regens und meiner undichten Jacke fiel mein Vorhaben ins Wasser, sprichwörtlich sogar. Gerade jetzt kann ich ja wegen der Arbeit unmöglich pulmonale Symptome zeigen, bin ja so schon gehandicapt genug. Jedenfalls stand ich da halt so an der Haltestelle neben den ganzen Massen an Menschen und habe erst bei der Einfahrt der Bahn, die viel zu kleine Relation von Menschenmassen zu Bahnwagon gesehen. Der schlimmste Albtraum – dank des ganzen semi-ariden Stromes jedoch konnte ich auch nicht mehr zurück. Wurde nun also unaufhörlich vorangetrieben auf die sich öffnenden Türen zu. Was sollte ich denn machen außer mich mittreiben zu lassen? Mit nem Achsenknick in der Extremität lässt es sich schlichtweg einfach nicht freiboxen. Meine Idee im Türbereich stumpfsinnig sinnierend zu verweilen haute schließlich auch nicht so hin wie geplant. Scheiß Nahverkehrslogistiker.
Nicht ma’ festhalten konnt’ ich mich. Die Enge reichte eben auch nicht aus, um mich so fest zu pressen wie eine Sardine in der Dose, sodass ich alleine stehen konnte. Gott sei dank traf ich Frau Klaustrophobie heute mal nich’. Vielleicht hat sie ja den Wink mit dem Zaunpfahl endlich mal absorbiert und inhaliert. Der noch ausstehende Raum maximierte allerdings leider die Wahrscheinlichkeit des Sich-auf-die-Fresse-legens bei vier von fünf Bremsen um ein Hundertfaches. Also stand ich da so vollkommen konzentriert auf meine Füße starrend und war in diesem Augenblick überhaupt nicht fröhlich, bis ich direkt vor mir diese Haltestange erspähte. Der Junge neben mir hatte sich nämlich immer mehr zu seinem Kumpel hin geschoben, um sein Longboard zu betrachten, so dass ich Platz für meinen Arm bekam. Ich war gerade beim Moment des Ausstreckens angekommen, als ich bemerkte, dass da gar kein Platz mehr für mich war.
Ist dir diese Emotion des völligen im rechtseins schon mal in deinem Leben bekannt gewesen? Du fühlst einfach, dass du keinen Rückzieher machen darfst, weil es sonst einfach zu peinlich wäre?
Genau das ist mir dann zugestoßen, diese entsetzlich paralysierende Peinlichkeit hat mich nicht nur geschockt sondern mich richtig ins Transpirieren gebracht, sowie der Umstand, dass el subterráneo gleich ihre Geschwindigkeit sowas von drosseln würde wie nen’ Selbstmörder der auf’m Boden ankommt. Diese Emotion des ohnmächtigen Zusehens plus des auf die Fresssefliegens ist echt nicht ästhetisch. Besonders wenn du weißt, dass beim Druffallen uff die Anderen deine zweite Extremität auch noch erbrechen wird. Wie erklärst du das dann dem Chief? By the Way, weißt du übrigens wie beschiessen es ist, sich mit nem adhärenten, eingegipsten Arm ne Fluppe anzustecken?! Ätzend.
Wie auch immer… Suddenly hatte ich so ne’ Vision vor Augen, also ne reale Vision, die eines kultivierten Seraphen. Hatte anscheinend meine prekäre Situation erfasst und hab‘ dann anscheinend in Sekunden beschlossen völlig altruistisch ihre Hand einfach nach oben zu rücken um mir Platz zu machen. Dabei konnte die sogar noch freundlich ihre Zähne fletschen. Kannste dir dass vorstellen, ne Jüngere macht mir Platz! Ich meine, dass war zwar voll gut wegen des Auf-die-Fressefliegens aber sehe so abgefuckt aus? Die Haltestange habe ich dann aber angepackt, dass kannste mir glauben. Sekunden später hätte es Tote gegeben. At this moment war ich so quietschfidel einer Anklage wegen Körperverletzung entronnen zu sein, dass mir sogar ein ¡Gracias! über meine zyanose Labium Oris entfuhr. Natürlich nicht freundlich, aber dennoch laut genug damit es die umstehenden hören konnten. Mein erstes ¡Gracias! seit Äonen und dass nur wegen ner verdammten Haltestange! Alter Finne, ich glaub’ ich werd’ noch weich auf meine alten Tage. Nicht dass ich noch als verweichlichter, nostalgischer Vermes auf der Chaiselongue einer Psychotante ende. Diese Seelenklempner sind das Letzte was wir brauchen, ne Wilson? Wenn sich nen Mensch ins Himmelreich schicken will soll er es doch tun. Schützt uns vor Überbevölkerung. Also nicht das du jetzt denkst, dass ich an einen Stairway to Heaven glaube, kennst’ mich ja… Hab mit dem dort oben nicht viel am Hut… und Wilson auch nicht.
Sag mal hörst du mir überhaupt zu? Also ich weiß ja, dass es dir wohl echt beschissen gehen muss zumindest nach deiner Hämatemesis zu urteilen, aber kannst du mich nicht wenigstens einmal angucken wenn ich dir hier mir mein Herz ausschütte? Kannst dir ja ne hässlichere Klobrille kaufen, dann ist es auch leichter mich anzuschauen. Weil dass hier gerade voll die vielen großen Fortschritte sind, die ich hier mache und du emesist dir hier lediglich die Seele aus dem Leib.
Kann ich doch nichts dafür, dass du dir eben gerade wieder mal nen‘ Kilo Nudeln, nen’ Glas Erdnussbutter mit Stückchen, zwei Tafeln XXL Nougatschokolade und drei Packungen Cupcake Fertigmischung gefressen hast. Ich habe dir doch extra Tipps aufgeschrieben wie du eben das verhindern kannst. Mann, 20 Días clean und jetzt sowas. Ich predige dir doch schon seit Monaten, dass du dir Hilfe suchen musst. Selbst Wilson ist der Meinung… und der is ja echt nich’ der Emphatischste. Warum willste de eigentlich nie auf mich hören? Du fühlst dich doch immer prekär nach so nem’ Gelage, dass sehe und fühle ich. Das Schlimme ist ja nicht nur, dass du dich scheiße fühlst sondern du ziehst mich ja automatisch auch mit runter… Ich verehre dich ja, aber wie soll ich dir helfen wenn du dir nicht helfen lässt? Dass ich heute mal deinen Anruf determiniert habe, weil ich dachte es wäre meine santísima Madre de Dios war ja nur ein Versehen. Ist es meine Schuld, bin ich culpable?
Muss ich dich erst überfahren, damit du auf mich hörst? Ach weißt du was, wenn du dich hier so aufführst wie el Gallo, dann sag ich dir mal eins: Ich kann ja noch was drauf setzten auf deine dich so belastenden Neurosen, denn das ist im Moment noch wunderbar blühende Rosa. Ich sorg dafür, dass deine wunderbar blühenden Rosacea ganz schnell zu verdorrter Biomasse wegschimmelt. Vergiss deinen Minderwertigkeitskomplex ganz schnell, denn der ist bloß imaginär. Du bist hübsch, beliebt und hast sogar Grips, was tatsächlich Realität ist, dass dein Abstand von der Nase zum Kind asymmetrisch ist. Es ist nicht derselbe Abstand den daVinci für den Menschen bestimmt hat… Jetzt haste deine vergammelnde Biomasse. Mann, mann, man… Warte, ich hol dir ne’ Packung Kleenex oder auch zwei oder drei.… Okay, vergiss es, ich begehe gleich Kahlschlag, aber wehe ich krieg die Asche nicht zurück.

„Willkommen in der Todeszone!“ – Tomp Raider #4

Statt der flackernden Bilder sah ich nun nur rote und schwarze Punkte, sie kreisten wie wahnsinnig um mich herum, tanzten einen Reigen. Rechtsherum, Linksherum, drumherum. Mir wurde flau… Blinzel, blinzeln befiehl mir eine Stimme irgendwo her. Ich gehorchte, infolge dessen wurden der Reigen etwas langsamer. Ich blinzelte wieder und ganz langsam formten sich die, inzwischen nun nicht mehr nur roten und schwarzen, Punkte zu einem Bild zusammen. Da war Gelb, etwas Blau und so viel Grün… Von dem alten Schwarz oder Rot war keine Spur mehr zu sehen, dafür jede andere Farbe des Spektrums vertreten.

Vorsichtig zog ich erneut die Luft ein, meine Lunge brannte nun noch schlimmer als in dem grauen Nebel. Ich öffnete den Mund und röchelte , das Röcheln ging in einen lauten Reizhusten über, der mein ganzen Körper für Minuten durchschüttelte… Gott Luft, süße, klare, kalte Luft. Ich schluckte gierig, mein Husten wurde weniger. Erschöpft streckte ich die Zunge heraus mir war nicht nur Flau im Magen sondern übel. Dieser widerliche süße Gestank. Ich erschauderte. In dem Moment in dem ich den Kiefer ein wenig nach unten bewegte, hörte ich ein Knacken und als ob ein Damm bräche schwappte ohrenbetäubender Lärm über mich hinweg und ließ meinen Kopf wieder ins Gras zurückfallen. Ich presste meine Hände auf meine Ohren, wieder keuchte ich nach Luft. Jäh wurde ich bei meinem regelmäßigen Ein und Ausatmen unterbrochen, etwas packte mich unsanft und versuchte mich hochzuhieven. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nicht mehr im Auto saß sondern frei auf einer Wiese gelegen haben musste, doch anstatt stehen zu bleiben knickten meine Beine wieder unter mir ein und ich viel unsanft zu Boden. Ein stechender Schmerz durchfuhr meine Brust und ich schrie auf. Jetzt riss mir jemand die Hände von den Ohren und schrie ebenfalls: „Leif?! Geht’s dir gut?“, „Sollen wir einen Arzt holen?“, „Kannst du sprechen?“ „Gott verdammt, antworte!“ Ich antwortete nicht, zu viele Fragen in zu kurzer Zeit. Ich war immer noch damit beschäftigt tief ein und aus zu atmen und in die Dunkelheit zu starren. Ganz ruhig du bist in Sicherheit. Die Zeit dehnte sich, ich atmete. Mein Mund war trocken, dann fiel mir auf wie mich sechs schwarze Silhouetten anstarrten. „Alles gut…“, flüsterte ich. Meine Stimme brach weg. Hatte nur einen Albtraum, versuchte ich zu ergänzen doch in dem Moment durchfuhr mich ein erneuter Hustenreiz und brach ab. Der Schmerz verstärkte sich wieder, wuchs ins Unermäßliche und bevor ich schreien konnte wurde der Husten wieder weniger und der schmerz verschwand fast wieder. Was war bloß passiert? In Zeitlupe drehte ich mich zurück auf den Rücken und stütze mich auf meine Unterarme, sie zitterten, alles an mir zitterte. Was wohl kein Wunder war denn die erdrückende Hitze war nun einer Eiseskälte gewichen und Nässe. Woher kam die Nässe? Nichts Gutes ahnend schaute ich an mir herunter, mein Blick bestätigte mein Gefühl. Etwas oder Jemand musste mich wohl baden geschickt haben, denn meine Kleider selbst meine Socken klebten durchweicht. Hatten die Irren mich versucht etwa zu ertränken?! Automatisch spannten sich alle meine Muskeln auf einen Schlag an und meine Harre stellten sich hoch, doch statt wie gewünscht hochzuspringen und Thomàs oder wem auch immer eine zu verpassen blieb ich nur verwirrt liegen. Mein Brustkorb hatte bei der Kontraktion wieder angefangen zu schmerzen. „W-W-Was ist passiert?“, stotterte ich statt dessen zwischen Zähneklappern. Pierre kam auf mich zu: „Junge hast du uns erschreckt! Das war kein Traum! Du warst wie besessen!“ Die Anderen nickten lediglich wie mechanisch aufgezogen sie alle waren kreidebleich, gegen sie hätte selbst eine Leiche mehr Teint gehabt.

„Kurz nachdem du eingeschlafen warst, wollte dich Jewgaf nach den Stiften fragen und sah, dass du komplett verschwitzt warst und wie verrückt zittertest“, legte er los, „er versuchte sofort dich zu wecken, aber es klappte einfach nicht. Weder mit Rütteln noch mit lautem Anschreien. Irgendwann hat er dann Thomàs angeschrien und meinte wir sollten anhalten. Du bekamst bereits blaue Lippen und es sah so aus als ob du ersticken würdest!“ Karen nickte abermals immer noch wie versteinert. Sie sah so aus als ob sie sich gleich übergeben musste. Ich war immer noch nur mit Atmen beschäftigt und den dabei auftreten Schmerzen, ein Glück das kein Husten mehr dazu kam. Die Erde hatte sich für mich immer noch nicht gänzlich beruhigt sie schwankte ebenso wie mein Magen. „Wir haben versucht dich mit dem Baustrahler aufzuwecken, dass klappe aber auch nicht. Als uns klar wurde, dass du gleich krepieren würdest rannte ich zum See und schüttete dir einen Eimer Wasser über dich, das half zumindest ein Bisschen.“, ergänzte Karen kleinlaut, ihre Stimme zitterte noch mehr als meine. „Zumindest hörtest du auf zu schreien und dich zu verkrampfen, danach lagst du allerdings wie tot da. Schließlich hat Pierre angefangen dich zu beatmen damit du wieder zu dir kommst…“ ergänzte Thomàs erschöpft. Er wirkte auf einmal überhaupt nicht mehr angetrunken sondern stocknüchtern wie die Anderen. Sie musterten mich immer noch voller Schrecken. Der Schock stand ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben insbesondere Pierre, der sich nun erleichtert neben mich ins Gras fallen ließ. Der Kerl der neben ihm stand musste anscheinend dieser… Wie war noch mal sein Name? Ich konnte mich nicht mehr erinnern, außer Kälte und Luft erfüllte nichts mein Denkvermögen.

„Wäre nett gewesen uns vorher zu informieren, dass du seit neustem gegen etwas allergisch bist.“, hörte ich Pierre sagen. Er roch entsetzlich nach Feuerwerkskörpern, vermutlich hatte er geraucht. „Oder Epileptiker“, tönte es hinter Piere aus der Dunkelheit zu uns herüber. Ich setzte zu einer Antwort an, jedoch wurde ich vorher von Karen unterbrochen. „Wenn wir im nächsten Dorf sind sitz du im auf jeden Fall im nächsten Zug nach Hause, du musst zum Arzt!“ Pierres neuer Freund murmelte was da zu und runzelte die Nase, ich glaubte „Psychiater“ verstanden zu haben. Aber dafür die Hand ins Feier legen würde ich nicht. Dass war mir auch herzlich egal… „Hört… Ich hatte einfach einen Albtraum, und der kam mir eben so echt vor, dass ich etwas überreagiert habe. Mehr nicht!“ „Du bist uns fast krepiert. Schau dich dann! Deine Lippen sind blau, du schnappst immer noch nach Luft und du bist so blass wie ein Vampir… Ich bin froh, dass ich genug Knoblauch gegessen habe! Schluss. Aus. Punkt. Du fährst ins nächste Dorf mit Thomàs und dann geht’s nach Hause!“, Karen hatte sich anscheinend gefangen, den nun ging sie um Angriff über. Auf ihre Nase hatte sich diese Zornesfalte gebildet, die ich aus früheren Zeiten nur allzu gut kannte. Wenn dies auftauchte war Obacht geboten, eine scharfe Handgranate in der Hand zu halten war nicht dagegen. Dennoch, was mischte sie ich gerade in meine Gesundheit ein?! Ich war erwachsenen, besaß einen eigenen Verstand und war somit allein für mich verantwortlich. All meine Erfahrungen, guten Vorsätze und Thomàs Warnung waren mir auf einen Schlag völlig egal. Sie wollte Konfrontation, die bekam sie nun auch. Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust, ich würde nicht zurückfahren. Nicht nachdem ganzen Mist den ich erlebt hatte. „Vergesst es. Ich fahre nicht zurück, ich klaue nicht umsonst mein eigenes Gepäck und lasse mich von einem angetrunkenem Volltrottel anfahren nur um wenig später wegen eines Alptraums zurückfahren…“ „Du hast was?!“, Pierre prustete los, aus Hysterie oder wegen Übermüdung konnte ich nicht feststellen ich wusste nur, dass er mir tierisch auf die Nerven ging. Mein Kopf hatte angefangen zu dröhnen und da war lauthals Lachen nicht unbedingt förderlich. „Das erklärt vieles… Aber warum?“ Thomàs schaute mich ungläubig an, „Mein Freund du fährst definitiv nach Hause.“ „Wer wollte den früher starten?! Ich nicht!“ schrie ich zurück.

Der Traum war wahr gewesen, doch inwiefern war es real? Nur weil ich ein bisschen überreagiert hatte, wollten sie mich nach Hause schicken… Waren sie verrückt? Was sollte aus der Reportage werden? Aus der Natur dort, irgendjemand musste doch zeigen, dass dort illegale Versuche durchgeführt wurden. Nicht wegen so eines Drecks würde ich umkehren! Beleidigt schob ich das Kinn vor und setze erneut an, „Ich fahr aber nicht nach Hause, ich fahre weiter. Mit euch und dann zeichne ich drei Monate lang! Was soll denn schon passieren, dort ist Niemandsland. Wir müssten mit Tonnen von Glück gesegnet sein, damit wir die Monate überleben!“ Karens Augen verkleinerten sich augenblicklich zu eiskalten Schlitzen: “Sag das nie wieder. Hast du mich verstanden!“ fauchte sie mir ins Gesicht, „Ich will so etwas nie, nie wieder hören. Dein Pessimismus geht mir gehörig auf den Geist.“ Dann drehte sie sich auf ihren Absätzen um und stampfte in die Dunkelheit davon. „Du hast aber nicht Monate im Krankenhaus verbracht du…“ Noch bevor ich meinen Satz auch nur annähernd zu Ende sprechen konnte durchzuckte mich dieser Schmerz und stellte mich ruhig. Satt mich geschlagen zu geben meckerte ich statt dessen Thomàs an „Sieht dass für dich aus wie Liebe? Das einzige was Karen liebt, ist sich selbst und Leon, aber nicht mich du Idiot!“

Und deine Anfälle werden garantiert nicht durchs Zeichnen besser. Vielleicht werden sie sogar noch schlimmer“ Sie fröstelte und zog ihren Pullover näher um sich. In dem Moment hörten wir den Motor des Busses. Pierre zog mich hoch. Ich liess mich wieder fallen, ich würde nicht zurück fahren. Erst würde ich dass hier beenden. Ich war es ihnen schuldig, den Opfern, den Angehörigen und vor allem Jordis Eltern. „Ich bleib hier!“ sagte ich nur und kauerte mich noch mehr zusammen. Mittlerweile war mir eiskalt und meine Glieder schmerzten, trotzdem zur Not würde ich hier 40 Tage und 40 Nächte hocken. Thomàs kam und sah mich schief an „Was ist jetzt? Zurück oder nicht?“ „Leif, wenn du so weiter machst fahren wir alle zurück und blasen das gesamte Projekt ab…“

Ich erstarrte, dass konnten sie unmöglich machen. Sie riskierten damit ihren Job. Bis auf die zwei Fotographen, schien dies aber niemanden sonderlich zu beunruhigen. Ob die zwei sich wohl gerade eine Notlösung überlegten? Schließlich sahen sie nur so ihre Familien… anders kamen sie nicht in die Sperrzone. Nicht alleine oder zu zweit sondern nur mit einer Internationalen Genehmigung. Die Strahlung war zu stark. Pierre ergriff abermals meine Schultern und machte Anstalten mich wie einen Mehlsack zu schultern, als der Mann der mich wecken sollte nach seinem Handgelenk und mit der anderen Hand auf mich zeigte. „Zweiter Van Gogh schadet niemals. Was soll schon im Niemandsland passieren? Zurücklassen können wir ihn immer noch.“ Ob er lebendig im Sinne hatte? Ich sah mich schon in seinem inneren Auge mit einem Stein an den Füßen unter Wasser… Auf einmal gefiel mir der Typ überhaupt nicht. Sein Freund folgte ihm mit hängenden Schultern in Richtung Bus, anscheinend hatte sich für die zwei das Thema erledigt. Kurz bevor sie einstiegen nickte der größere mir noch einmal zu. Dann sah er wieder Pierre an und schüttelte den Kopf. Thomàs schaute zwischen mir und Pierre hin und her, er sah aus wie der kleine Bruder der gerade darauf wartete, ob er nun das Eis bekommen würde oder nicht.  „Als Übersetzter sind Jobs rar.“, meinte er nur und trottete ebenfalls in Richtung Bus. Ich schaute immer noch stur gerade aus „Es geht mir gut ehrlich.“, sagte ich. Machte dabei aber keine Anstalten mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Sicher war Sicher. „Igiot“ meinte Karen nur und dann stieg auch sie ein. Pierre schüttelte den Kopf. „Unser Chef wird uns umbringen so oder so… Aber damit das klar ist: Du nimmst Tabletten klar?! Und du gehst nirgendwo alleine hin, verstanden?!“ Ich wollte schon protestieren, dass ich doch kein Kleinkind sei, da sah mich Pierre wieder scharf an. „Das oder Zug!“ Er klang eisern. Also was hatte ich für eine Wahl? Gefeuert werden oder wie ein Kleinkind behandelt zu werden. Ich entschied mich fürs Kleinkind. „Ich bräuchte, aber dringend frische Klamotten…“ nuschelte ich leise in mich hinein, prompt bestätigte mein Körper meinen lauten Gedanken mit einem gewaltigen Nieser. „Auch das noch“ seufzte Pierre und verschwand in der Dunkelheit.

Ich war gerade dabei zu versuchen den Nebel aus meinem Traum mit ein paar Strichen aufs Papier festzuhalten, da unterbrach mich eine Erschütterung und schleuderte meinen Bleistift 30 Zentimeter in die Tiefe ein leises Tatschung ertönte und dann herrschte wieder Stille. Die Anderen taten als ob sie schliefen. Vermutlich hatten sie sich mit der neuen Situation wohl noch nicht ganz angefreundet zu haben. Welch ein Segen, so hatte ich zumindest genügend Beinfreiheit, wenn sie allerdings in Zukunft jemanden einteilen würden um auf mich aufzupassen würde ich mir wohl eine andere Lösung suchen müssen als bloße Gleichgültigkeit. Skeptisch schaute ich hoch, erwartet ich Karen oder Pierre durch meine Skepsis schlug in unangenehme Überraschung um als ich direkt in das Gesicht meines womöglich-vielleicht Mörders starrte. Zuerst starrte er mich einfach nur zurück an, doch dann ließ er blitzschnell etwas in meinen Schoß fallen und starrte mich dann weiter an. Ich schielte nach unten, wagte es noch nicht meinen Gegenüber aus meinen Augen zu lassen. Nur für den Fall… Ich setze zu einer Frage an, doch er drückte mir bloß seine Hand auf meinen Mund und zischte: „Ich hab dir den Hals gerettet. Tu mir eingefallen zeichne.“ So schnell wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden und mein Mund war wieder frei. Instinktiv stellten sich mir die Nackenhaare hoch, und ich sollte der Freak sein. Langsam bekam ich das Gefühl, das unsere Reise nicht so geplant verlaufen würde wie angedacht und die Rede war hier nicht von der Planung. Ich zögerte, sollte ich ihn noch einmal darauf ansprechen? Vorsichtig beugte ich mich in den Flur, keiner rührte sich. Mein mysteriöser Besuch war wohl in den hinteren Reihen des Buses verschwunden, von ihm würde ich garantiert keine weiteren Gespräche erwarten können.

Vielleicht würde mir das zusammengefaltete Papier mehr sagen? Auf den ersten Blick viel mir eines auf, es musste alt sein. Sehr alt. Die Ränder waren abgegriffen, die Faltlinien brüchig, das Papier gelblich und die Fotographie fast vollkommen verblasst. Ich musste die Augen zusammen kneifen und das Stück ins Licht halten, damit ich überhaupt etwas erkannte. Eine Person, ein Kind, ein Kind mit Zöpfen? Ein Mädchen. Höchstwahrscheinlich. Es schien an etwas zulehnen, an was konnte ich nicht erkennen. Vielleicht an einem Baum? Doch was war nun das Besondere an diesem Foto? Der Blick des Mädchens? Im Gegensatz zum Rest des Bildes konnte man ihn selbst durch die klaren Faltlinien erkennen. Er sollte fröhlich sein, gewitzt, nachdenklich vielleicht auch nur neutral. Doch  anstatt der erwartenden Gefühle sah ich nur ein blankes Entsetzen. Die bloße panische Angst, die ich in diesem Nebel hatte. Ich schluckte schwer, mein Hals war plötzlich rau wie Sand und mein knurrender Magen auf der Stelle verstummt. Wer das wohl war? Seine Tochter, seine Schwester? Was hatte dieses Mädchen mit mir zu tun? Warum schaute dieses Mädchen so entsetzt? Ich ahnte, dass der Besitzer des Fotos genauso wenig wusste wie ich… War es möglich, das etwas auf der Rückseite des Bildes stand? Eilig drehte ich es um, da in der unteren linken Ecke stand etwas geschrieben. Mit schwarzer Tinte, meine Augen strengten sich noch mehr an um diese mögliche Information zu entziffern. Ein Datum… 26 апреля 1986. April also… 1986. Langsam wurde die Situation nicht nur unangenehm oder unrealistisch, schein sie schien langsam ein unheimliches Ausmaß anzunehmen, aber daneben stand noch etwas. Ich blinzelte stark, da. Ein Schriftzug, diesmal in römischen Buchstaben geschrieben: „Willkommen in der Todeszone!“

 

„Willkommen in der Todeszone!“ – Tomp Raider #2

Hat etwas länger gedauert. Ich weiß. Großes sorry, aber Grammatik und Rechtschreibung will gelernt sein. Dennoch: Viel Spaß damit und wer sich nicht mehr erinnern kann hier geht’s zu Teil 1.

 

Doch die Erleichterung währte nicht lange. Ich war zwar aus der größten Gefahrenzone entronnen, aber ich konnte immer noch festgenommen werden oder abgeführt… Wie war überhaupt das Gesetz hier? Exestierten Haftstrafen für Diebe des eigenen Gepäcks oder blieb es bloß bei einer Verwarnung…? Meine Hände wurden schwitzig, trotz des eisigen Windes der mir nun um die Ohren und unter die Jacke kroch. In solchen Momenten hasste ich reisen. Noch mehr als lausigen Tee und Flughafentee war verdammt lausig. Jedes mal wenn ich ihn gezwungener maßen trank, nein eher hinunter würgte, hatte ich das Gefühl den Schierlingsbecher getrunken zu haben. Nur ohne das wunderbar betäubende Mohnextrakt, so dass ich bei vollem Bewusstsein mit erlebte wie die lähmende Wirkung erst meine Beine, dann meine Arme und zum Schluss zu meiner Lunge kroch um sich dort für die letzten Sekunden meines Lebens ein zu nisten und mich somit zum Ersticken brächten. Kalt, fremd, bedrohlich. Wenn ich noch länger hier stehen blieb würde mir genau dass passieren, nur ohne Gift. Die freudigen Rufe des Nachtfrosts begannen nun endgültig mir die letze Wärme aus meinen Knochen zu saugen.

Ob Thomàs wirklich hier parkte? Wie sollte ich eigentlich sein Auto in der Dunkelheit finden? Langsam drehte ich mich erst nach rechts, außer Schwärze und ein herrenloser Koffer, der im flackernden Vorlicht des Lufthafens immer wieder aufleuchtete, konnte ich nichts erkennen. Aber ein herrenloser Koffer um diese Uhrzeit? Merkwürdig. Wachsam drehte ich mich in die endgegengesetzte Richtung, doch auch dort: Nichts. Es reihten sich nur Kleinbusse an Kleinbusse. Alle unterschiedlichen Alters und Zustands, dennoch ausnahmslos von der selben deutschen Firma. Wie sollte ich Thomàs finden? Ich schaute auf die Uhr. Mir blieben noch zwei Minuten, die Zeit raste. Warum rief ich ihn eigentlich nicht an? Sollte er mich doch vor dem Haupteingang abholen, wie die Anderen. Mittlerweile war ich wohl der Letzte… Ich wollte gerade mein Mobiltelefon aus meiner Hosentasche nehmen, als ein lautes „Buh!“ von hinten ertönte. Ich erschrak, zuckte zusammen, schrie und und machte einen Satz nach vorn, kurz vor das Ende des Bürgersteigs. Dabei fiel mir mein mein Handy aus meiner Hand und landete klackernd in einer schwarzgrauen Pfütze. Verärgert drehte ich mich um meine eigene Achse und hob die Hand um gerade zu einer Schimpftirade anzusetzen, als ich erkannte wer mich erschreckt hatte…

„ Karen“ stotterte ich, „was machst du denn hier?“ Ich riss mich gerade so zusammen, das meine Kinnlade an meinem Kiefer haften blieb. „Du scheinst ja gerade zu entsetzt darüber zu sein, dass ich hier auftauche..“ Sie lachte und zwinkerte mir zu. Ich starrte sie immer noch böse an, doch dann legte sich mein Schrecken, dass wir uns wiedersehen würden hätte ich nie für möglich gehalten. „Ach weißt du, eigentlich hätte ich mir denken können, dass ich dem Teufel auf dem Weg in die Hölle begegnen sollte…“, antwortete ich. Dann fielen wir uns freundschaftlich in die Arme. „Mein Gott. ich habe das Gefühl es ist ewig her seit dem wir uns gesehen haben.“ „Mittlerweile über zwei Jahre schätze ich…“ Sie löste sich von mir. „Na, da haben wir uns ja was zu erzählen, allerdings würde ich unser Wiedersehen sehr gerne im Warmen weiter feiern, denn meine Jacke für Arktikexpeditionen liegt zu meinem Bedauern ganz unten in meinem Koffer und so frostige Wurzeln wie du sie hast kann ich leider auch nicht vorzeigen.“ Sie lächelte wieder und zeigte auf meinen Rucksack. Willst du den nicht mal richtig anziehen? Du siehst aus als ob du in aller Eile vor einem Bombenattentat fliehen musstest. Ich unterdrückte ein hysterisches Kichern „Sagen wir, es war etwas ähnliches.“ ich lief rot an. Verdammt, sobald Karen wieder auftauchte wurde ich wieder zu einem 13-jährigen der sich in seine Sportlehrerin verknallt hatte. Schnell wechselte ich das Thema „Weißt du eigentlich wie sein Wagen aussieht? Ich habe Thomàs schon ewig nicht mehr gesehen. Nicht seit…“ Ich schüttelte den Kopf, nein unser Kontaktabbruch war sogar noch vor dem Zwischenfall gewesen. Karen lächelte, „Nein aber ich schlage vor, dass du dein Mobiltelefon erst einmal aus der Pfütze holst und du da weitermachst, wo ich dich vorne hin unterbrochen habe.“

Ich drehte mich etwas verwirrt zu ihr, was meinte sie? Dann folgte ich ihrem Blick. „Verdammt, das habe ich ja komplett vergessen.“ Schnell holte ich mein Telefon aus der sogar noch kälteren Pfütze. Dabei streifte ich mir den Rucksack und mein Handgepäck ab. „Na danke auch, ich hoffe das es noch funktioniert.“ Ich schürtze meine Lippen. „Wie ich dich kenne, hast du die 300 Meter tiefe panzerknackerdichtes Modell. Ich bin verwundert, dass in dem Ding kein Taschenmesser eingebaut ist.“, sie machte eine Pause und sah mir dann direkt in die Augen, „Ach ja und ähm bevor ich es vergesse… Ich soll dir beste Grüße ausrichten. Von Leon, er meint er vermisse dich. Er wünschte ihr wäret anders aus einander gegangen. Es tue ihm Leid.“ Ich schluckte und sah weg… Wo blieb Thomàs? Ich grunzte und gab vor seine Nummer in meinem Telefon zu suchen. Doch meine Gedanken, schweiften immer wieder zu Karen. Warum hatte sie unser Wiedersehen gleich wieder zerstören müssen? „Besonders taktvoll warst du noch nie“ flüsterte ich, „ und wenn es ihm wirklich so unglaublich leid tuen würde, dann kann er mir dass auch gerne selber sagen.“

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„Wilkommen in der Todeszone!“ – Tomp Raider

31. „Wilkommen in der Todeszone!“ – Tomp Raider

„Sehr geehrte Fluggäste, wir bitten Sie ihre Sitze wieder in eine gerade Position zu bringen, die Tische hochzuklappen und alle elektronischen Geräte aus zu schalten. Wir befinden uns im Landeanflug. Vielen Dank“

Verschlafen sah ich aus dem Fenster, und reckte mich. Diese verdammten Ansagen, warum nur? Ich war mir sicher, jeder normale Mensch mit ein wenig Verstand wusste was man zu tun und vor allem zu lassen hatte während eines Landeanfluges. Warum konnte man die Passagiere nicht friedlich schlafen lassen? Ich reckte mich, sah ich doch aus dem Augenwinkel wie von hinten eine Stewardess die Reihen nach Übeltätern durchforstete, um sie etwas zu energisch auf ihre Fehler hin zu weisen. Das Letzte, was ich wollte war ein Streitgespräch um… Wie spät war es eigentlich? Ich hielt inne. Ging die Sonne gerade unter oder auf? „Excuse me…“, jemand lehnte sich über meinen Nachbarn und tippte mir auf die Schulter. „I know, I know…“, antworte ich verärgert und ließ schnell meinen Walkman verschwinden. Doch die das mitfliegende Sicherheitspersonal deutete unverholen auf meinen Tisch. Es knackte, nicht im Plastik sondern in mir. Jeder einzelne Knochen hatte sich anscheinend dazu entschieden während des Schlafes aus der Reihe zu tanzen und nun geschwind zurück an seine Position zu hüpfen. Große Menschen hatten viele Nachteile, irgendwo Schlaf zu finden war einer davon. Gäbe es nur mehr Notausgangsplätze. Die Stewardess war wohl inzwischen von mir als folgsamer Passagier überzeugt, denn sie wannte sich nun an meinen (noch) schlafenden Sitznachbarn. Gelangweilt wischte über das kleine Plexiglasfenster, und schielte nach draußen. Rechts von mir erstreckte sich ein wahres Lichtermeer. Blau, grün, rot alle Farbnuancen waren vertreten. Hätte auf meinem Ticket nicht mein Ziel gestanden, ich hätte auf Las Vegas getippt. Ein riesiger Organismus der lebte… Das war das einzige was ich am Fliegen liebte, die Landeanflüge, aber nur bei Nacht. Bei Nacht sah alles anders aus, aufregender, unbekannter, lebendiger. Diese Art der Vorfreude gab es nur bei Landeanflügen…

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