Geschenk

19. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 8

„Ich kann gerne nicht mehr stören. Aber leider weiß ich wo weder die Schlafzimmer sind noch das Bad, oder sonst irgendwas.“, fuhr ich ihn funkelnd an. Mochte es ihm gerade aufgefallen sein oder nicht, ich wäre hier gerade fast elendig verreckt! Jetzt platze mir endgültig der Kragen „Mag sein, dass ihr euch länger kennt. Mag auch sein dass ich hier vielleicht nicht sonderlich erwünscht bin aber um ehrlich zu sein interessiert mich das einen feuchten Dreck denn ich brauche diese verfluchte Kohle und es ist mir aktuell auch völlig egal was ich dafür tun muss. Genauso gut könnte ich auch zwei einfach umbringen und mich davonstehlen, mit Geldkasten den würde ich nämlich auch noch suchen. Genauso wie neue Klamotten oder etwas zu essen. Eine Tür wäre übrigens auch nicht schlecht, denn dann könnte ich euch nicht mehr auf die Nerven gehen, wobei dass ja dann egal wäre, weil ihr tot wäret.“ Ein wenig erstaunt von meiner durchschlagenden Stimme nach der Eiskonservierung holte ich nun erneut tief Luft. Wenn er jetzt noch etwas dagegen sagte dann… Ich schielte deutlich zu den Küchenmessern. Groß genug wären sie. Dann wieder zurück zu den zweien. Der Große schaute nun nicht mehr mich an, sondern den kleineren. Ihm schien scheinbar der Blick nichts auszumachen. Also konnte der Herr wohl seine Fähigkeit kontrollieren. Ein wunderbarer Meuchelmörder.

Eine Weile geschah erneut nichts. Irgendwie bekam ich das Gefühl in einer Zeitschleife zu stecken. Aktion, Reaktion, lange Pause… und wieder von vorn. Wie gerne wäre ich jetzt wieder hinter Gittern. Dort gab es zumindest einen enorm gerechten Alltag. Dann eine Reaktion,  “…und wir sollen es ihnen zeigen?“ Ich stöhnte ärgerlich, dabei wäre mir fast meine Decke heruntergefallen. Wie begriffsstutzig oder dumm waren denn hier alle?!“ Wortlos drehte ich mich um und langte nach den Messern, wozu hatte ich überhaupt gefragt. War ja klar, dass das nicht funktionieren würde, die waren doch alle komplett verrückt. „Die einzig verrückte sind wohl Sie, aber das dürfte ihrer Arbeit wohl kein Abbruch tun. Nur stürmen Sie nicht gleich wieder davon ich bin nicht so schnell“, völlig unbeeindruckt kam der Große näher und schob sich an mir vorbei, nicht ohne seinen Freund auf seinen Rücken zu laden. Ein Absurditätenkabinett hätten die zwei wirklich alleine verdient. Ich folgte ihnen mit gebürtigem Abstand mit dem Messer, was wusste ich schon… Die beiden verursachten noch nicht einmal irgendwelche Geräusche, selbst auf den Holzböden nicht. Genauso wenig redeten sie, sahen sich nach mir um oder taten überhaupt etwas anderes als zu laufen.

Nach mindestens 10 Korridoren, drei Stockwerken in die Höhe und vielen, vielen, sehr vielen Treppen standen wir am Anfang eines Ganges, von dem verschiedene Türen abgingen. Einige waren weiß und aus Holz, andere wiederum aus Metal. Auf jeder Tür war ein Symbol abgebildet. Sonst nichts, keine Klinke, kein Schloss. „Ihre Tür ist die dunkelrote. Den Rest finden Sie im Zimmer.“ Langsam schob ich mich an den zweien vorbei, es folgte ein Blitz, ein Kreuz und ein Traumfänger. Welche Bedeutung hatte diese Zeichen. Elektrizität? Telekinese? Gedanken Manipulation?

War vielleicht das vorhin gar keine wirkliche Kälte sondern nur gedanklich eingepflanzte? Eine Halluzination? Inzwischen war mir nicht mehr kalt, viel mehr knurrte mein Magen noch lauter. Dann stand ich vor besagter Tür. Dunkelrot und mit einer hölzernen Masserung. Statt eines Kreuzes oder Kompass war ein Auge abgebildet. Ich lächelte, dass war das erste was mir an diesem Ort gefiel. Das Auge, über alles wachend, über alles wissend. Neugierig strich ich über das vermeintliche Holz. Statt meiner Berührung stand zu halten glitt die Tür beiseite und gab mir meinen Blick frei auf mein neues Zuhause. „Für warmes Wasser legen Sie einfach den Hebel um“. hörte ich von hinten. Ich ignorierte sie lediglich. Ab jetzt gehörte die Welt wieder mir…

 

Ende

18. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 7

Um es kurz zu fassen so oder so wäre ich geliefert. Also war es eigentlich egal wie ich mich entschied und da mir immer noch Klamotten fehlten, ich spürte meine Zehen nicht mehr und mein Knöchel brannte immer noch entsetzlich, wäre es schlauer auf direktem Wege zum Ziel zu kommen, als einen womöglich riesigen Umweg zu laufen. Vielleicht behielt mein Chef ja doch Recht und es war lediglich die erste Begegnung gewesen. Beim Hinausgehen kam mir noch der Gedanke:  „Mein Chef“… wie komisch das Klang. Ich konnte die Male an einer Hand abzählen wo ich wirklich einen echten Chef gehabt hatte.

Kurz darauf, kurze Wege sei dank, stieß ich die Küchentür erneut auf und wäre am liebsten gleich wieder gegangen… In der Küche befand sich zwar nich Xion, dafür aber der humanoide Eisbären-Panther und der junge Mann mit dem Raubtier-Beute-Blick. Nicht unbedingt die besten Startvoraussetzungen, doch hatte ich zumindest auf dem Weg hier her eine riesige Filzdecke schnappen können, die herrenlos über einem Treppengeländer hin. So war das Unterwäschemodell Dasein endgültig passé. Hoffte ich zumindest.

Der große trug übrigens jetzt eine riesige Kapuze, starrte auf den Boden und stand ansonsten genauso dort wie vor meinem Einstellungsgespräch. Der kleinere saß dagegen auf der Küchenzeile und las in etwas. Was genau konnte ich allerdings nicht erkennen, denn beim Anblick des Buchrückens verstand ich außer Kauderwelsch genau gar nichts. Symbole an Symbole tummelten sich dort und fast erschien es mir so als ob sie mich tanzend auslachen würden. Zumindest hatten sie mich noch nicht bemerkt.… Hinausschleichen und nach einem Flucht- und somit Lageplan suchen wäre noch im Bereich des möglichen.

Infolge dieses Geistesblitzes wollte ich mich gerade rückwärts in Sicherheit bringen als der Große plötzlich den Kopf hob und mich wie vorhin anstarrte. Genauso wenig erfreut wie ich und darüber hinaus noch weitaus böswilliger als der rothaarige. Reflexartig blieb ich stehen, was nun? Entdeckt hatte er mich. Ein Kneifen in Form von panischem Hinausrennen fiel ebenfalls weg. Die Würdelosigkeit nur in eine Decke gekleidet, immer völlig ahnungslos zu sein, reichte mir für das nächste Jahr. Zumal wenn ich jetzt zurückstarrte könnte ich meinen Status vielleicht etwas mehr auf sein altes Niveau heben. Kurz um, mein Brustkorb hebte sich möglichst unbemerkt und dann starrte ich zurück, in diese eiskalten grauen Gletscheraugen… Ohne dass ich es beeinflussen konnte wurde mir kalt, noch kälter als draußen im Schnee. Dies war keine fremde Kälte von außen, nein diese Kälte kam aus mir heraus so als ob… Gefror ich etwa gerade von innen?! Verdammt, mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Ich kannte die Gerüchte über Hybriden, die das Wetter beinflussen konnten, aber seit wann gab es Kräfte, die einen von innen erfrieren ließen? Sofort horchte ich auf meinen Puls, gut er war noch da zwar schwach aber noch definitiv da. Stellte sich nur die Frage,wie kam ich aus der Situation wieder raus. Meine Füße inklusive Beine waren inzwischen taub so viel stand fest. Weglaufen war also unmöglich geworden. Immer noch in seine Augen starrend versuchte ich abzuschätzen ob er wusste was in mir vorging. Ach was war ich auch doof, natürlich wusste er es. Er kannte schließlich seine Stärke. Unvermittelt vernahm ich von der Seite das Rascheln einiger Buchseiten, garantiert war der Zweite nun auch auf mich aufmerksam geworden. Die Reaktion auf mich blieb allerdings aus. Wie lange konnte ich wohl den Blick des Großen standhalten bevor ich endgültig zu Eis erstarrte. Vor Kälte waren jetzt nicht nur meine Füße, Schienbeine und Oberschenkel gelähmt, die Kälte begann auch in den Fingerspitzen und zog ganz langsam meine Unterarme hinauf. Perfide, er spielte mit mir wie die Katze mit der Maus. Der Raubtier-Beute-Blick bekam nun eine ganz neue Bedeutung. Ich bekam Angst, wäre mir nicht so entsetzlich kalt gewesen, ich hätte garantiert angefangen zu schwitzen.

“Miss, schauen Sie ganz langsam weg… Dass reicht, lassen Sie ihn.“, die Stränge war nicht zu überhören. Äußerlich versuchte ich mich geschlagen zu geben, was allerdings kaum mehr möglich war. Ich konnte noch nicht einmal mehr die Schultern oder meinen Hals bewegen. Apropos Hals, plötzlich dämmerte es mir. Wenn mein Gesicht gefror konnte ich gar nicht mehr wegschauen. Ich würde weiter einfrieren, ob ich es wollte oder nicht und wer sagte, dass man diesen Vorgang umkehren konnte?! Ich tat gerade nichts anderes, als mir mein eigenes Grab zu schaufeln! Hatte ich bis vor wenigen Sekunden noch Angst so schwebte ich innerlich in blanker Panik. „Bitte“ , die Stimme klang nun nicht mehr streng sondern genauso panisch wie ich mich fühlte. Dann schließlich brach ich meinen Stolz und wollte den Kopf wegreißen als ich bemerkte dass nichts geschah. „Drehen sie den Kopf einfach zur Wand und lassen Sie ihn… Jetzt!“ das „Jetzt“ klang schon fast drohend. „Das würde ich ja gern..“ brachte ich noch heraus bevor  un auch mein Mund erstarrte. Ich dachte, konnte aber nicht mehr sprechen. Was ging hier ab?!

Bereit für mein Ende kniff ich die Augen zusammen und wartete, dass mein das mein Herz aufhörte zu schlagen oder mir die Luft ausblieb, da meine Lunge erschlaffte. Doch nichts passierte. Nichts –  weder das eine noch das andere. Selbst nach gefühlten Minuten nicht. Um mich herum raschelte es wieder, dies mal länger und lauter. Selbst jetzt spührte ich immer noch meinen Puls, der übrigens nicht mehr schwach sondern wie ein Vorschlaghammer meinen Brustkorb sprengen wollte. Auch kam es mir so vor, als hätte ich wieder Gefühl in den Zehenspitzen bekommen. Die Kälte blieb, aber ich konnte definitiv meine Zehen wieder zusammen ziehen und auch meine Gänsehaut fühlte sich nun wirklich nach Gänsehaut an. Erleichtert versuchte ich zu schlucken und siehe da es funktionierte. Nach und nach taute mein körper wieder auf. Zwar noch innendrin völlig vermutlich blau und verbrannt, falls man das übehaupt sein konnte. Zumindest nach außen völlig normal aussehend. Inzwischen hatte ich mutig die Augen wieder geöfnnet. Ich starrte geradeaus auf den Boden. Das war keine Vorsicht. In diesem Fall war es pure Lebenserhaltung. Ganz heimlich schielte ich doch irgenwann nach oben und sah gerade noch so von meinen wimpern vedeckt, wie seine Fingerknöchel mittlerweile ganz weiß waren. Und die Fingernägel gruben sich unnatürlich tief in  seinen Handballen…

Wie aus heiterem Himmel tauchte in meinem Blickwinkel plötzlich das weise Fell des humanoiden Bären auf. “Was haben sie sich eigentlich dabei gedacht?!“ Ich fuhr zusammen. Also meine Körperrflexe funktionierten wohl wieder. Um meinen Schrecken zu verbegen, zuckte ich lediglich mit den Schultern, dann knurrte mein Magen. Sollte ich es wagen ihn zu duzen? Er schien nicht viel jünger zu sein als ich, vielleicht war er sogar älter. Aufgrund seines schneeweißen Fells war es echt schwer zu schätzen.

17. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 6

Plötzlich wie auf Knopfdruck aktiviert von meinem Gedanken des Rückzugs um mir endlich  gewisse Kleidung zu besorgen, die mich vor dem erfrieren retten würde, begann sich der halb humanoide vielmehr Eisbär als Panda zu bewegen. Er sprang von der Anrichte herunter und schlurfte oder krabbelte aus dem Raum hinaus um kurz danach mit einer Sprühflasche zurück zu kommen, die er dann über dem noch einzigen Schlafenden positionierte. Seine weißen Haare vielen ihm über die Augen, so dass nun endgültig ein weißes Fellknäul vor mir stand. „Wasser marsch“, meinte der rothaarige nur und sofort schrak der Betroffene auf und sah als zu allererst nur mich. Nach einigem Blinzeln murmelte er so etwas wie: „Nicht schon wieder…“, und versuchte dann Anstalten zu machen aufzustehen. „Miss äh….“, er fing an zu überlegen. Ich konnte es förmlich ein seinem Hirn rattern hören. Waren denn hier alle völlig beschränkt, selbst die FreakShow am ersten Tag des Strafantritts war amüsanter gewesen. „Ähm…“ er hob die Augenbrauen und sah mich an. Dann zuckte er die Schultern und stieg über den Eisbärenpanda hinweg und rauschte an mir vorbei. „Folgen sie mir einfach“, wortlos setzte ich mich in Bewegung. Kurz bevor ich um die Ecke bog drehte ich mich noch einmal um und sah zur Küche. Der rothaarige versuchte sich gerade an einem Kopftand auf dem Tisch. Wo war ich hier bloß gelandet?!

„Entschuldigen Sie, die benehmen sich manchmal wie kleine Kinder“, ich brauchte einen Moment um zu kapieren wen er mit „die“ meinte… „Das hört irgendwann wieder auf“, setze er schnell nach als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte. “Ich wüsste gerne wann ‚irgendwann‘ ist“, entgegnete ich. „Kommt ganz d’rauf an. Es kann sich auf 3 Stunden oder 3 Monate hinziehen. Je nach Laune…. Setzen Sie sich, bitte…“ Dabei zeigte er auf einen der unzähligen Bücherstapel, die wie ungeordnete Zinnsoldaten auf dem Boden seines Büros herumstanden. Hätten sie bis zur Decke gereicht, stünde man in einem Wald. Statt setzen beäugte ich den Buchenholzstamm eher misstrauisch, mindestens 10000 Seiten, ob die wohl „sitzfest“ waren?

Um mein Glück heute nicht noch mehr herauszufordern dankte ich liebend gerne ab. Mein Gegenüber grinste bloß, er selber pflanzte sich auf seinen großen, schwarzen Bürostuhl mit hoher Lehne. Um dann noch mehr Papier aus den Untiefen des Schreibtischs heraus zu befördern und mit einem erstaunten Pfiff den Stapel Papier auf seinen Schreibtisch fallen zu lassen. Ein Blick darauf und sein Stirnrunzeln glättete sich. „Hier haben wir Sie ja: Lilith Zeller, geboren 1988, Berlin. Mutter verschollen, Vater ein todgeglaubter Mutant aus der Fabrik, statt Abschlusszeugnis eine schriftliche Auflage für einen Haftantritt und statt eines Lebenslaufes randvolle Bewährungsauflagen. Ich sehe sie waren fleißig und schon früh darum bemüht vorzusorgen.

Nichts Gutes ahnend schaute ich auf ihn hnrunter und versuchte einen kurzen Blick auf das genau Geschriebene zu erhaschen. Keine Frage, dieser Typ kannte mich besser als ich mich vermutlich selbst. Die Frage blieb immer noch, woher? Er schien kein Mann, der besondern Art zu sein…

So scheinheilig wie möglich hackte ich nach: „…und was wollen Sie mit dem Kram. Vor allem mit oder von mir?“

Nach der geäußerten Frage hing der erhobene Ton noch etwas in der Luft und ich konnte quasi zusehen wie die Klangmalerei verhallte. Gut es war eher Klanggeschmiere. Erneut verspürte ich wieder tiefe Unruhe in mir, irgendwas lief hier schief oder zumindest ganz und gar nicht richtig. Waren diese Kerle nicht von der Regierung – so waren sie doch nicht vollkommen legal, so schien es mir. Der Mann starrte mich an. Dann schaute er verständnislos und schließlich lachte er wieder. „Was ich mit Ihnen will? Einstellen natürlich! Sie sind die Beste die Xion je gefunden hat und glauben sie mir ihre Lebensgeschichte hat ihm ganz schöne Arbeit bereitet. Der Arme weiß selbst bis heut nicht mehr so ganz wo er ist…“

„Also?“ Jetzt strahlte er wie ein vierjähriges Kind, dass stolz seiner Mutter präsentierte allein auf die Toilette gehen zu können. Es sah zu dämlich aus. „Ich erwarte ihre Antwort natürlich nicht sofort, aber solange Sie nicht unterschrieben haben müssten wir Sie nun ja eher unter Verschluss hierbehalten. Nur zur Sicherheit…“. Ich überlegte, plötzlich schien es mir so als ob ich gar keine andere Wahl mehr hatte. Entweder… oder. Und über das Oder wollte ich gar nicht so genau nachdenken. Wer wusste schon, ob der Verschluss auch irgendwann wieder aufging. Nur behagte mir die Vorstellung wieder in etwas Illegales abzurutschen gar nicht. Nochmal einsperren ließ ich mich nicht. Totentänze hin oder her. Zellennachbarn zu haben, die acht Augen besaßen oder Kettensägen anstatt Händen, den Mund am Hinterkopf waren nicht unbedingt eine Wiedersehensparty wert. Andererseits, wie sah es denn nochmal mit Nötigung aus. Theoretisch könnte ich die Drohung seinerseits durchaus gegen in verwenden. Wenn ich es nur aufgenommen hätte! Mist… musste wohl so gehen. Essen und Bits war wichtiger als Legal und Illegal. Die Begriffe waren schließlich durchaus dehnbar und sobald ich genügend BitCoins zusammen getragen hätte würde ich hier verduften und zwar im Hyper-Raum. Zumal das Amt garantiert bald vor meiner Tür stehen würde und dann würden sie nicht mehr so freundlich anklopfen wie vor drei Monaten…

„Aber damit eins klar ist…“, setzte ich an, „wenn Sie mich noch einmal im Regen oder Schnee stehen lassen sorge ich davor, dass dieser kleine Maulwurfshügel hier ganz schnell auffliegt und wenn wir schon mal dabei sind – ich will verdammt nochmal neue Klamotten.“ Damit unterschrieb ich per Fingerabdruck und starrte meinen wohl nun offiziellen Chef erwartungsvoll an. Sollte der jetzt mal zusehen, wo er Damenkleidung herbekam. Unterwäschemodell war definitiv noch nie mein Traumjob gewesen und würde es auch nicht werden.

Doch statt sich an die Arbeit zu machen um meine Forderung zu erfüllen reichte er mir die Hand, ergriff sie und schüttelte sie immer noch breit grinsend. „Sehr erfreut, Sie glauben gar nicht wie wichtig Sie für uns sind. Ich heiße übrigens Orion, Orion Tonak, ehemaliger Psychologe und Arzt der Wyoming-Klinik“. Dann sah er mich ernst an, „Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren. Sie sollten spätestens um 24:00 hier sein. Und niemand, wirklich niemand darf von uns und diesem Ort erfahren?! Verstanden?! Und glauben Sie mir wenn Sie zumindest gegen diese zwei Richtlinien verstoßen werden Sie sich den Schnee nur wünschen.“ Seine Ernsthaftigkeit war mittlerweile einer Finsternis gewichen, dass ich mich fast entschuldigt hätte, aber nur fast. Ich hatte weitaus schon fiesere Typen vor mir, beispielsweise die merkwürdigen Männer aus der Küche. Bemüht unbeeindruckt auszusehen, nickte ich lediglich. Als er, Tonak das wahrnahm, lächelte er wieder breit und nickte wie ich, nur sehr viel glücklicher mit dem Kopf. „Ich wusste Sie sind vertraulich.“ Dann schaute er zufällig auf seine Uhr um daraufhin erschreckt aufzustöhnen „mein Gott so spät schon, entschuldigen Sie vielmals, aber ich habe noch einiges zu tun…“ und damit schritt er um seinen Schreibtisch an mir vorbei und aus der Tür. Kam allerdings gleich zurück mit den Worten: „ Den Komplex lassen Sie sich am besten einfach von einem der Jungs zeigen… Einmal aufgewärmt können sie sehr hilfsbereit sein.“

Bei den Worten kam erneut eine dunkle Vorahnung auf, dass hier könnte ganz böse enden…

Nachfragen waren offenbar nicht erwünscht und gerade überlegte ich stark ob nicht ein Erkundungsrundgang allein weniger lebensgefährlich war, als erneut auf die Gestalten zu treffen. Normalerweise war ich nicht so leicht einzuschüchtern. Vor allem hatte ich die Herren nur Augenblicke erleben dürfen. Aber irgendetwas sagte mir, dass ich hier nicht die Einzige war, die ihre Begabungen besonders beherrschte. Mich komplett zu durchleuchten, allein und ohne Hilfe hatte ich bis jetzt für unmöglich gehalten. Besonders scharf darauf, es herauszufinden was seine Freunde alles konnten, war ich nicht. Nur wollte ich denen weder in der Gruppe noch einmal begegnen, noch einem von ihnen von Angesicht zu Angesicht.

16. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 5

Wirklich Lust es herauszufinden verspürte ich nicht und so riss ich mir nicht nur meine Maske vom Kopf sondern im selben Atemzug auch meine Klamotten. Bloß raus aus dem verseuchten Zeug. Angeekelt und stinkwütend schleuderte ich die Sachen so weit weg von mir wie ich nur konnte. Dann nach Vollendung der Tat klaubte ich meine noch einigermaßen verschonten Habseligkeiten wie mein heißgeliebtes Lederetwas zusammen und richtete mich langsam auf und stellte fest das das Auftreten mit meinem Knöchel nicht mehr ganz der Norm entsprach, schon gar nicht das Verhältnis von Schmerz zu Körper. Wieder umschauen. Von Wachposten oder installierten Kameras keine Spur. Wo waren diese Bastarde? Niemand ließ mich einfach so draußen stehen. Ich schaute zurück in den Hof, der Schneefall hatte aufgehört und der vorhin noch so fröhlich rieselnde Wattebausch verwandelte sich nun in radioaktive Pfützen, die nun um die Wette strahlen würden, falls dort jemand hineinträte… einzig und allein um diese Freerider tat es mir leid… Diese wunderbaren Gefährten waren nun endgültig hinüber.

Gerade wollte ich mich wegdrehen als mir ein Gedanke durch den Kopf blitzte. Rache war Blutwurst und so knallte ich das Fenster zu und legte den Schalter um. Jetzt konnten Nachkömmlinge sehen wo sie blieben. Ich drinnen alles andere draußen, dass zählte. Dann drehte ich mich auf einem Bein energisch zur diesmal existierenden Tür und hinterließ neben meinen halbdurchlöcherten Klamotten jede Menge Dreck auf dem sauberen Boden. Ich würde die Scheiße nicht sauber machen. Genauso wenig würde ich nicht ohne Bewerbungsgespräch und eine Entschädigungssumme gehen. Schließlich war ich gezwungen worden nun halb nackt durch die Gegend zu lahmen. Für ein T-Shirt unter dem Sweater hatte es nämlich nicht gereicht, geschweige denn für eine Leggins unter der Hose.

Nach passieren der, oh Wunder, unverschlossenen Tür, humpelte ich weiter den schmalen Gang entlang und tastete währenddessen die Wand ab. Raufasertapete… gab schlimmeres. Der Boden war mittlerweile zu bordeauxrotem Linoleum gewechselt, weshalb nahezu mein gesamtes Humpelpaket absorbiert wurde. Fast schon gruselig. Wo war ich hier nur reingeraten? Hoffentlich nicht in das woran ich dachte. Kaum bog ich um die Ecke tat sich eine Gabelung vor mir auf… Rechts oder Links? Schwer zu sagen. Ich horchte. Vielleicht würden mir der Luftraum und Schallwellen mehr Anhaltspunkte geben als meine optische Wahrnehmung. Es existierten weder Wegweiser noch irgendwelche Flecken, die darauf hinwiesen wohin die beiden Flure hätten hinführen können. Vorsichtig legte ich mein Ohr zwischen den verschiedenen Ausgängen an die Wand und horchte. Tapeten waren nicht die besten Schallleiter, aber besser als blind ins Leere zu laufen.

Da – ich hörte Stimmen, dann ein Lachen. Die Vibration kam von rechts. Trotz Linoleum auf leichte Schritte bedacht, wendete ich mich in besagte Richtung und folgte dem Gang. Das Erste was mir nach einiger Zeit auffiel war, dass sich der Boden erneut änderte. Statt bordeauxfarbenem Linoleum zierten nun abgewarzte Holzdielen in derselben Farbe den Untergrund.

Ich murrte widerwillig, jetzt hieß es erst recht vorsichtig sein. Holz so neu es auch scheinen mochte verzog sich unheimlich leicht und ein fieses Knarren war somit vorprogrammiert.

Ich trat wieder einen Schritt vor, nur im Unterschied darin, dass ich mich bemühte so leicht wie eine Feder zu werden. Einatmen, ausatmen. Sich vorzustellen man selbst sei ein Kranich und würde über den Boden schweben. Dann, nach dreimaligem Sammeln betrat ich den Boden beziehungsweise ich stellte mir vor wie ich darüber schwebte. Plötzlich krachte die erste Diele so laut, dass ich einen Augenblick dachte sie würde weg brechen. Die Stimmen verstummten sofort, anschließendes hektische Stühlerücken dann nichts mehr.

Wie beschissen konnte ein Tag noch werden? Ich rollte mit den Augen, biss die Lippen so fest zusammen, dass ich aussah wie Voldemort auf dem Sterbebett und schmiss all meine persönlichen Vorsichtsmaßnahmen über Bord. Wenn nichts mehr ging, half nur die Flucht nach vorn. Direkt ins Kreuzfeuer. Ehrentod war immer noch besser als zigtausend dahinsiechende Jahre ohne nicht ein Fleckchen Tageslicht. So fiel ich quasi die letzten Schritte und riss in einem Zug schwungvoll die Tür auf… Dass ich immer noch lediglich Unterwäsche trug war mir gerade einerlei. Sollten sie sich doch in Grund und Boden schämen… oder was auch immer dort drinnen auf mich wartete.

Was ich in kürzester Zeit nach betreten des Raumes wahrnahm waren: sechs Männer, die allesamt auf dem Tisch saßen, auf dem Boden oder auf der Küchenzeile, wie beispielsweise der größte von allen. Der Eine stand und trug etwas weißes auf dem Rücken. Ich kniff die Augen zusammen. Etwas sehr großes weißes. Ein Panda? Plötzlich bewegte es sich und schaute mich verschlafen an und aus dem Panda wurde ein Mensch mit sehr viel weißem Fell… Ein weiterer junger Mann mit eisblauen Augen starrte mich an, wie eine Eule in die Nacht. Dann drehte er den Kopf und schlief weiter. In dem Moment schaute der Träger des möchte-gern-Pandas von seinem Becher auf und sah mich genauso durchdringend an, mit den gleichen Augen nur nicht wie eine Eule in die Nacht sondern wie ein Raubtier auf seine Beute. Ich fröstelte. Davon völlig unbeeindruckt löste sich sein Blick von meinem Gesicht und taxierte mich weiter von oben nacht unten und zurück. Dabei verzog er keine einzige Miene. Dort wo seine Blicke mich getroffen hatten, waren meine Körperhaare so dermaßen noch oben geschoßen, dass ich mich wie ein elektrisiertes Kaninchen fühlte. Na wunderbar, ihn möglichst zu ignorieren und mir nichts anmerken zu lassen musterte ich die anderen. Wer mir sofort auffiel war der Unbekannte von vorhin am Fenster. Ebenso wie der andere saß er auf einem bequem aussehenden Birkenholzstuhl und schlief. „Sie an, der Geschäftsleiter schläft!“, kommentierte ich aggressiver und ein wenig lauter als eigentlich beabsichtigt. Sofort starrten mich zehn Augen an, direkt, und sie sahen nicht erfreut aus. Vielleicht hätte ich mir den Kommentar doch sparen sollen. Der Umstand der fehlenden Kleider machte es sicher nicht besser. Wobei allzu schlimm sah ich jetzt nicht aus. Särge schleppen machte eine gute Figur.

„Bist du die Neue?“ fragte der erste den ich wahrgenommen hatte. „Nein ich bin der Weihnachtsmann, deshalb auch der wunderbare Auftritt.“ „Es ist Mitte…“, er geriet ins stocken und brach dann ab. Anscheinend musste er sich erst darüber klar werden wo und in welcher Zeitdimension er sich befand. Ein typisches Zeichen von Wandlern… Den Gedanken offenbar verworfen stand er auf und ging zum Kühlschrank. Jetzt war ich es die ihn anstarrte. Er war es gewesen der vorhin an mir vorbei gesprintet war. Die Statur passte zumindest, weinrote Haare und als er sich erneut zu mir drehte sah ich, dass er neben den eisblauen Augen nur ein Ohr besaß, das andere fehlte. Er lächelte nicht. Er sah eher so aus als ob er mir gleich an die Gurgel gehen wollte. Trotzdem streckte er mir die Hand entgegen und reichte mir eine braune Flasche. „Nimm“, war das einzige was er sagte und schlurfte mir die Flasche in die Hand drückend wieder zurück zu seinem Platz und vertiefte sich in den Kaffeesatz seiner vor ihm stehenden Tasse. Ich biss mir auf die Lippen. Ich machte mir hier gerade keine Freunde.

15. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 4

Der Mann stützte sich mittlerweile mit seinen Händen im Rahmen ab. So weit ich es erahnen konnte sah mein Gegenüber nicht wirklich gesund aus, selbst für die Verhältnisse die hier herrschten. Sein Gesicht war arg eingefallen und die Zähne gelb verfärbt, fast wie Zitronen. Vermutlich rauchte er, das würde auch seine gräuliche Haut erklären. „Oh. Das heißt ich habe hier mein Vorstellungsgespräch?“ ich hoffte dass meine Maske den sarkastischem Unterton überdecken würde. Was war hier los? „Falls sie mit jedem ihrer Bewerber ihr Gespräch vom Fenster aus geführt haben würde ich diese Tradition gerne brechen…“ fuhr ich leicht wütend fort. Meine Laune war endgültig am Ende mir war kalt, ich hatte Bärenhunger und als I-Tüpfelchen sagte mir das Blinken eines blauen Streifens in meinem Display, dass sich Regen ankündigte und da es bereits ungefähr minus fünf Grad hatte würde aus Regen Schnee werden, gelber Schnee. Gefahr im Anflug und wenn ich so den aufkommenden Wind einschätze – verdammt schnell. Wer diese Defahr überlebte, dem sah man dass an und dann war es aus mit der versteckten Identität. Dann stand selbst für die Dümmsten fest, derjenige war ein Drag und für den Abschuss freigegeben. „Warten Sie kurz“, hörte ich gerade noch. Dann verschwand der Unbekannte nach Innen und aus meinem

Sichtfeld. Vorsorglich positionierte ich mich unter den kleinen Sims. Zumindest war der besser als gar nicht. Für die ersten Flocken würden es geradeso reichen…

Was mich wohl drinnen erwartete? Der Kerl meinte er hätte schon mehrere Bewerber gehabt oder waren bereits mehrere Menschen eingestellt? Erst jetzt realisierte ich erst wirklich wie wenig ich über diesen Menschen oder dieses Wesen wusste. Nur wie viel er oder es über mich wusste, dass war beängstigend. Ich hatte weder einen Schulabschluss noch sonst irgendwelche Referenzen außer dass ich einen Pokal besessen hatte, der besagte, dass ich mit 8 Jahren das Kind mit dem meisten Wissen, zumindest im Genre der Kunstgeschichte gewesen war und dem Geheimnis, dass ich zu der Gattung der Drags sowie der Undertaker gehörte. Nun negativ und negativ ergab positiv.  anscheinend nicht für mich, leider. Wie unvernünftig… Hätte ich nicht doch eine Sicherheitsbrücke mehr schließen sollen? Waren all die geduldeten Zellengenossen Spione gewesen? War zusammen gegen den Feind verbündet nicht die Tagesregel gewesen? Warum hatte er mich auserwählt? Wegen der Affinität zu Binärcodes und elektronischen Einbrüchen? Lilith finde den Fehler…

Ungeduldig lugte ich nach oben. Rauchte er erst einmal ein ganzes Pack Zigaretten um sich von dem Schock zu erholen oder hatte er mich vergessen? Ich vermutete letzteres mal wieder.

Dann wie gerufen vernahm ich Schritte. Noch fern, doch kamen sie rasch näher, sehr rasch, zu rasch für rein menschliche Beine und ich musste es wissen. Mein erster Gedanke gehörte dem merkwürdigen Kauz, der zweite gehörte wiederum einer Falle. Noch einmal hörte ich genau hin. Eine Person, das Wiederhallen von bloß zwei Beinen. Das bedeutete derjenige besaß lediglich die Fähigkeit der übermenschlichen Schnelligkeit. Schnelligkeit war leider relativ neutral, sie sagte nichts über das Individuum aus. Oft war sie nur eine Begleiterscheinung des wahren Kerns. Gut oder Böse, dass war hier die Frage. So schnell wie die Schallwellen näher kamen musste diese Frage entweder sofort gelöst werden oder ich brauchte einen verdammt guten Plan B.

Ein großartiges Versteck bot dieser Hinterhof nicht. Der Container stand an einer Wand und die beiden Seitenwände waren leicht einsehbar. Wäre die Bedrohung nicht blind würde sie mich sofort entdecken. Die einzige Möglichkeit bestünde darin mich neben dem Tor an die Wand zu pressen und zu hoffen, dass es mich nicht bemerken würde. Diese Sekunde könnte ich ausnutzen um entweder anzugreifen oder zu flüchten. Fight or Flight wie der Sympathikus es betiteln würde.

Gedacht getan, so gut es auch nur irgendwie ging, presste ich mich gegen die Mauer, Atmung verlangsamen, den aufkommenden Wind und Schnee ignorierend. Mit der Schnelligkeit wäre das Problem schnell behoben. Je schneller dieser jemand war desto schneller konnte ich wieder unter den schützenden Sims. Kleinste Auffälligkeiten konnten mich verraten. Genau in dem Moment in dem ich sogar meinen Atem anhielt um das Rauschen des Filters zu unterdrücken, zischte etwas an mir vorbei. Etwas Helles. Der Größe nach zu urteilen konnte es kein wirklich Erwachsener sein.  Allerdings bedeutete es nich außer Gefahr zu sein. Die Regierung züchtete auch Kinder, um uns dranzukriegen, darüber hinaus gab es auch kleine Erwachsene…

Nur war dieser Person meine Wendigkeit anscheinend gleichgültig, denn statt sich umzudrehen und mich anzugreifen sprang es einbeinig aller Kängurumanier vom Boden ab in die Luft und flog anschließend durch das geöffnete Fenster.

Diese ganze Szene hatte laut meiner eingebauten Stoppuhr noch nicht einmal Sekunden gedauert. Wahrgenommen konnte sie kaum ein anderer. Selbst für meine geübten Augen war dies schon arg schnell gewesen… Bemerkenswert. Jetzt waren es schon zwei Unbekannte in einer Jobgleichung, die jetzt gelöst werden musste, sofern ich nicht bis ans Lebensende entstellt würde sein wollen. Meine Neugier war geweckt, nicht nur meine Neugier auch mein Forscherdrang, mein Adrenalin und den Argwohn, dass sich so die Regierung nicht verhalten würde. Wenn es eine Situation gab, in der man uns Undertaker oder Drags beseitigen könnte hätten sie es sofort getan, leise und effizient.

Wenn ihnen so viel an mir lag konnten sie auch ruhig ihren Arsch hier runter bewegen. „Hier wartete jemand auf sein Vorstellungsgespräch!“. Den stärker werdenden Schneefall verschwieg ich lieber. Sollten sie ja nicht denken, dass ich hier draußen verkümmern würde. Schnell trat ich erneut unter den Sims, die ersten Flocken begannen zu fallen und ich bemerkte nach einigen Minuten wie die Freerider leise anfingen zu zischen. Scheiße, sobald der Wind wieder einsetze wäre ich nicht mehr sicher.

Damit trat ich gegen den Müllcontainer. Der Container hielt stand, mein Knöchel weniger. Verflucht! Wenn die Idioten halt nicht raus kommen wollten, musste ich zu ihnen. Auch ohne Wohnungstür. Das Ding von eben hatte es ja auch geschafft, wenn auch sehr viel akrobatischer als ich es je schaffen würde. Ich stemmte mich mit einem Fuss gegen den Boden und warf mich auf den riesigen schwarzen Kasten – mit mäßigem Erfolg. Er bewegte sich zwar ein Stück Richtung Fenster, aber war noch weit davon entfernt. Um den Containern weiter bewegen zu können musste ich mich vom Sims entfernen. Wobei – ich musste so oder so hier weg und die Wahrscheinlichkeit drinnen sicher zu sein war größer als die Wahrscheinlichkeit heil zurück zur Metrostation zu schaffen. So warf ich mich ein zweites Mal gegen den Containern, dann ein drittes und viertes. Ich spürte bereits ein gewisses Pitzeln in den Fasern des Pullovers und ein Ziehen auf meiner Haut. Der Stoff war durch, die Kacke am dampfen und ich endlich mit einem halb zerstörtem Knöchel endlich am scheiß Fenster.

Durchnässt, schlecht gelaunt, hungrig, durchgefroren und zittrig waren keine Ausdrücke meines Zustandes, als ich begleitet von purem Ächzen und Stöhnen durchs Fenster fiel, geradewegs in die nächste Gefahr. Doch statt Kolonnen von Wachen oder auch nur einem Gegner lag ich in einer Art großem Lager in dem sich ein riesiges Sammelsurium an Schrauben, Muttern, Metallstreifen, Spulen, Kabeln, Platinen und Leuchten befanden. Jeweils alles ganz ordentlich beschriftet und mit einem Schild versehen. Von jeder Schraube gab es ungefähr Hundert verschiedene Variationen und von den Muttern, kam es mir so vor, mindestens doppelt so viele. Ich legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Decke. An ihr hingen weitere Regale. Doch was dort gelagert wurde konnte ich nicht erkennen. Sie waren zu weit entfernt….

14. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 3

Wäre die Wahrscheinlichkeit nicht so hoch gewesen nach dem ersten Jahr einsam, allein und völlig zerfressen von ein dutzend Geschlechtskrankheiten im Dreck zu sterben, ich hätte diesen Berufszweig durchaus für mich nutzen können. Fetische für Hyperschnelligkeit waren durchaus eine Marktlücke, aber die Aussicht von einem viel zu neureichen ausgebrannten Jungunternehmer als Gesprächspartnerin missbraucht zu werden hatte mich endgültig und sprichwörtlich sexuell ernüchtert. Gehorchte man denen nämlich nicht, dann starb man sehr viel schneller genauso einsam und allein nur statt mit Pilzen – einer Nadel oder Kugel im Körper. Ein solches Schicksal teilten viele junge Frauen. Wir nannten sie im Fachjargon Defectors, eine Art störender Parasit in unserer namenlosen Vereinigung. Bei dem bloßen Gedanken an diese verzogenen schlechteren Hälften unsererseits begann ich missmutig meine Kapuze über meinen grauen Pullover zu zerren. Sie war trotz beachtlicher Größe zu klein für meine Maske. Was hätte ich jetzt für einen warmen Maisfilzoverall gegeben, die besaßen nicht nur ein bereits eingearbeitetes Sichtfeld nein, auch hielten sie den gefürchteten gelben Schnee ab. Nur hätte ich mit diesem Luxusgut keine Nase lang überlebt.

Wer wusste schon wer wann das letze Mal hier etwas zu essen bekommen hatte oder zu trinken? So ein schöner sauber leuchtender Anzug war quasi das Signal für die Einwohner dich auseinander zu pflücken, wie eines der Gänseblümchen aus den Gärten der Bewohner des ersten Sektors. Wobei ich bezweifelte dass diejenigen hier noch nicht einmal wussten wie genau ein Gänseblümchen aussah. Bildungskanäle wurden überbewertet schließlich stahlen sie einem die Zeit, die man auch im Müll verbringen konnte. Wenn mein Mund und meine Nase nicht von der Gasmaske überdeckt worden wären, wäre ich vermutlich bereits erstickt. Erstickt an zu viel Geruch. Ob der Verkäufer auch Kiemen besaß, die für ihn die Luft filterten? Wahrscheinlich wäre es, nicht alle Drags waren so auffällige Echsenmenschen, wie der Weltrat den Ärmeren suggerieren wollte. Während meiner Auszeit durfte ich erfahren, dass ich sowie wohl 99% meiner Art eben humanoid aussahen. Nur hier und da manchmal vier Ohren, ein versteckter dritter Arm oder zu große Eckzähne gaben ein Hinweis auf die sonst noch verborgenen Fähigkeiten der Träger. Einige waren mehr verstörend, andere bei Spezialisierung sogar sehr praktisch. Eine Mutation am Prothrombingen brachte dem einen Typen eine immens schnelle Blutgerinnung. Selbstheilung garantiert, hatte er damals lachend gemeint – bis ihn jemand eines Tages erwürgt hatte. Schnell gerinnendes Blut half anscheinend nicht gegen Sauerstoffmangel. Das war der erste Tag an dem ich froh gewesen war mal kein Bestattungsdienst gehabt zu haben. Normalerweise liebte ich es mit den jeweiligen Leichen zu reden, sie anzumalen mit ihnen zu tanzen aber ihn hatte ich fast schon gern gehabt. Als Konsequenz des spontan Verabschiedung war für ganze fünf Tage der Westflügel gesperrt worden… damals hieß es dann den zwanzigminütigen längeren Umweg laufen… Durch den Nordflügel und der war bei weitem nicht so zivilisiert wie unser Heim. Glich unser Bereich mehr einer alten normgerechten Haftanstalt -herrschten im Nordflügel ganz andere Regeln, nämlich gar keine. Selbst die Wachen schleuderten die Körper der jeweilig Verurteilen lediglich hinter die Sicherheitstüren und machten sich wieder aus dem Staub.

Ganz anders als damals hätte ich nun noch 20 Meter laufen müssen. Sichtweite. Nur war das hier wie in der öffentlichen Stellenanzeige kein blaues Haus sondern ein kleiner Hinterhof und selbst dieses Fleckchen abseits der großen Straßen war kein Hinterhof wie die der urbanen Höfe in denen die Reichen und Schönen wohnten oder einkauften. Es war auch keiner dieser süßen, kleinen Hinterhöfe, die man in der Nähe von irgendwelchen Nischencafés fand, in denen man Weinreben, Klettertrompeten, Spalierobst oder hochgezüchteten genmanipulierten Strelizien und Lianen seinen vier Euro teuren extra von Wega importierten Jiaogulancuracao Tee süffeln durfte. Nein, dieser Hinterhof hatte definitiv schon bessere Tage gesehen, die große schwarze Gittertür lehnte nur halb geschlossen an der anderen, und neben einem riesigen grünen Müllcontainer standen mehrere halbaufgelöste Deltas herum. Reine Geldverschwendung solche Schätze verkommen zu lassen. Ein Unterstand hätte ja schon gereicht um diese Freerider vor dem Schnee zu schützen zumal dieser eigentlich nur in einer dreimonatigen Zeitspanne fiel.

Was ebenso merkwürdig erschien, war die fehlende Tür… Aber das konnte nicht sein, ich war mir ganz sicher gewesen dass ich sie richtig notiert hatte. Schließlich hatte ich dreimal nachgefragt. Beziehungsweise dreimal unterschiedliche Sicherheitscodes verwendet. Denn diesen Straßennamen hatte ich noch nie zu vor gehört und dass war sehr ungewöhnlich. Ich drehte mich noch einmal unentschlossen um mich selbst. Aber ich sah immer noch keine Tür. Verdammt, war die Stellenanzeige vielleicht doch nur eine Art Lockvogel gewesen, ein Lockvogel der Regierung? Mir war das gleich so merkwürdig vorgekommen. Warum sollte jemand es sich so einfach machen, lediglich zwei Ebenen für einen gut dotierten Job zu erstellen? Jetzt hatte ich meinen Vormittag umsonst verschwendet. Womöglich sogar meine gesamte Zukunft, denn schließlich wollen Bewerbungshelfer selbst, wenn sie lediglich elektronischer Natur sind, regelmäßig erfolgreiche Fakten zu futtern bekommen. Sonst würden nicht nur ihre Schaltkreise durchknallen sondern ebenso meine 191 Identitäten, was dieses mal fatal wäre, denn ich hatte keine Möglichkeit für eine 192zigste. Sämtliche Kontakte hatte ich über die Jahre verloren oder noch schlimmer sie waren  aufgeflogen. Das durfte doch nicht wahr sein! Ich hatte meine gesamte Monatsration an Zigaretten eintauschen müssen gegen diesen neuen Sweater und gegen gereinigtes Wasser. Wenn ich den Kerl jemals zu fassen bekäme… Selbst wenn es irgendein halbgararer Spion wäre oder ein zäher schon seit Jahrhunderten geräucherter, ich würde ihre eigene Hau abziehen. In mir duplizierte sich die schlechte Laune. Was sollte dass denn? Gerade wollte ich wutentbrannt den Rückweg antreten, da öffnete sich ein Fenster und ein Mann mittleren Alters streckte sich zu mir hinaus. Schließlich hörte ich wie aus weiter Ferne mehrere gurgelnde Laute. „Li..lit-h Zel-ler?“

Ich schwieg und wog meine Möglichkeiten ab, entweder ich spielte falsch oder richtig mit oder ganz anders. Ich nahm die dritte Möglichkeit. Wortwörtlich im Hyperraum zu verschwinden. Dank meines Sichtfeldes sah ich wie der Mann die Augenbrauen hoch zog. Ich dagegen zog die Augenbrauen zusammen. Lilith… fang nicht an zu krampfen, du musst ganz gelassen bleiben. Sobald du auch nur ein wenig Angstschweiß produzierst fliegst du auf. Bleib Cool. Von Angesicht zu Angesicht ist nichts anderes als von Screen zu Screen.

Ein tiefer Atemzug folgte, dann ein zweiter und schließlich starrte ich durch meine gelblich schimmernde Scheibe zurück und schnarrte mit Stimmenverzerrer: „Woher wissen sie meinen Namen. Ich wüsste nicht dass ich sie kenne.“ Der Mann zuckte mit den Achseln „Sie haben meine Anzeige gehackt, als einzige. Übrigens sie sind pünktlich, dass hat von meinen Anwärtern bis jetzt niemand geschafft. Viele musste ich sogar persönlich an ihre Zukunft erinnern, natürlich auf kryptischem Wege“ Meine Alarmglocken begannen zu schreien. Dieser Herr kannte nicht nur meinen Namen sondern, wie ich vermutet, hatte er nur für mich diese Anzeige doppelschichtig gestaltet. Das hieß, er hatte gewusst dass ich den Datenträger lesen würde… er musste meine Routine kennen, er hatte mich ausspionieren lassen ohne dass ich es bemerkt hatte. In diesem Moment wusste ich nicht ob ich erleichtert sein sollte, zur Regierung konnte dieser Mann nicht gehören. Selbst die geschicktesten Undertaker der Regierung fielen auf wie Nacktkatzen in einem Wolfsrudel. Konnte es sein, dass ich vielleicht nun doch meine „rechtmäßige“ Stelle antrat nur aus dem Grund, dass er nicht von der Regierung kam…

13. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 2

Wahrnehmen ist in dieser Welt übrigens das Stichwort, zumindest seit der Jahrtausendwende. Seit dem Unfall des Gen-Konzerns Phyton gab es so einiges was man zwar nicht sehen oder hören konnte, dafür aber wahrnehmen, durch die unterschiedlichsten siebten Sinnen oder Auswüchse. Giftgasexplosionen mit anschließender Flucht von künstlich hochgezüchteten humanoiden Wesen war nicht zu unterschätzen. Zumal sich humanoide Wesen gerne mit Homo sapiens paarten. Heraus kamen Hybriden, die sich von ihren Sapiens Verwandten äußerlich kaum unterschieden, außer durch ihre hin und wieder auftretenden minimalen Besonderheiten. Von voll und ganz ausgenutzter Hirnkapazität bis hin zu Menschen mit fledermausähnlichen Ultraschallfähigkeiten war vermutlich alles dabei. So genau konnte das allerdings niemand beweisen, weder Konzerne noch die Regierung… Eine genaue Beweisführung existiert bis heute nicht, weshalb die Betroffenen entweder verjagt wurden, in jungen oder weniger jungen Jahren in der Verbrennungsanlage zur Stromerzeugung endeten oder zur Gattung gehörten, die begann gegen das bestehende  System Widerstand zu leisten. Zu dieser Gattung gehöre ich übrigens auch. Kleiner Prozentsatz mit großem Potential.

Denn nachdem der Skandal der gesamten Nation bewusst wurde rüsteten sie nach und zwar mit denelben humanoiden Wesen wie unsere Elternteile es gewesen waren, nur mit dem Unterschied, dass diese komplett auf die Bedürfnisse sowie Wünsche der Zivilbevölkerung geeicht waren. Bloße Sklaven ohne jeglichen Charakter. Zugeben einen Vorteil hatte ihre Daseinsform, sie bekamen all dies was ich niemals bekommen hatte. Aufmerksamkeit, Bildung, Geborgenheit, ein Dach über dem Kopf, eben all diese süßen Versuchungen. Gut, das Dach hatte zwar existiert nur war es eher weniger dicht gewesen und sobald der Frühjahrsregen einsetze musste ich nachts zusehen, dass ich nicht im Schlaf ertrank.

Sie sollten sogar so etwas wie Privatsphäre besitzen, ich dagegen ließ mich zwar gerne hin und wieder beschatten aber dieses „gläsern“ sein sobald man irgendwie in die Gesellschaft eintrat war mir schon immer gehörig gegen die Schuppen gegangen. Zumindest gab es etwas Abhilfe, besonders mit speziellen Algorithmen wurde ich sehr schnell, sehr unsichtbar. Was das ganze perfekt abrundet ist, sich kein „Handheld“ anzueignen… Diese kleinen TouchPads waren nicht nur dein bester Freund wie von der Werbung suggeriert sondern ebenfalls Freund der Regierung. Dieses Ding zeichnete alles auf was man ihm bewusst oder unbewusst zu fressen gab: Kaufverhalten, sämtliche physische sowie psychische Daten über dich und beim Benutzen der Kamera deine Einrichtung. Innerhalb seines Lebens bekam man eigens eine extra Akte nur für sich angelegt. Von dem Moment des Erstkontakt des „Handheld“ bis zum letzen Atemzug, denn schließlich konnte dieses kleine Wunderwerk der Technik im Alter als Schrittmacher dienen. Ob diese Menschen dann freiwillig ins Gras gebissen haben kann ich bis heute leider nicht nachweisen. Die Spuren werden nach Ableben sofort unwiderruflich verschlüsselt, gesichert und verstreut. Selbst ich mit meinen recht flinken Fingern kam diesem Mechanismus nicht mehr hinterher.

Im Moment kam ich kaum auch nur irgendetwas hinterher. Erst recht nicht meiner herrlichen, glorreich miefenden Zukunft. Doch hatte ich schon immer Paradoxien geliebt, weshalb ich überhaupt auf diesen sicheren Weg gestoßen war. Schließlich braucht ein Undertaker wie ich neben überleben eben eine Freizeitbeschäftigung, die ähnlich die der normalen Bewohner dieses Landes vergleichbar wäre. Zweckmäßig durchforstete ich deshalb regelmäßig die Arbeitsanzeigen in unseren lokalen Datenträgern. Denen, die ich jetzt folgte war besonders kryptisch gewesen.

Auf den ersten Blick hatte es wie eine Anzeige für die Beschäftigung einer Mechatronikerin eines Robotorsekretärs ausgesehen, doch für ein Wesen mit solch geübten Augen wie mich hatte dieses Inserat einige Schwächen wie beispielsweise diese Doppelschicht… Dieses Angebot hatte zwei übereinander liegende Ebenen. Mir war es nur durch eine winzige Unregelmäßigkeit im Quellcode aufgefallen. Einmal die original Datenmenge ausgegraben, sah es mit der Arbeitsstelle schon ganz anders aus: Kost und Logie frei, Sperrstundenausweis dazu 500 Bitcoins Taschengeld pro Monat. Als Gegenleistung sollte man lediglich einige Datentransfere betreuen. Selbstverständlich rund um die Uhr. Fast schon zu rosig sah die gesamte Sache aus. Nur war ich im Moment nicht wirklich in der Situation irgendwelche Ansprüche zu erheben. Darüber hinaus, falls es eine Falle der Regierung sein würde, könnte ich mich immer noch wimpernklimpernd als kleines Mädchen mitten in der Reifezeit ausgeben. Datentransfere waren in unserer heutigen Zeit doch völlig der Norm entsprechend… und dieses rund um die Uhr ebenso, Server konnten schließlich jeder Zeit zusammenbrechen unter solcher Last. Die Doppelschicht könnte ich ja durch wildes Herumklicken umgangen haben oder durch eine über die Tastatur laufende Ratte.

Den verschieden farbigen Linien folgend bestritt ich jetzt schon die zehnte Route in meinem neuen  nun folgendem Lotterleben. Die letzen neun waren eine Gleichung gen null gewesen. Zu eigensinnig, zu primitiv, zu eigenbrötlerisch war ich betitelt worden… Dies hieß in meiner Sprache: zu vorbestraft.

Schon in einem von 198 Slums als Drag eingestuft zu werden sahen nicht viele gern. Wobei ihre Datenbank mein restliches Leben gar nicht kannte. Niemand außer mir selbst wusste wer ich wirklich war und selbst ich hatte schon einige Probleme mit der Identitätenzuordnung gehabt, was zeitweilig zu einigen Komplikationen geführt hatte. Meine unfreiwillige Auszeit war nur eine der damaligen Konsequenz gewesen. 190 Identitäten zu verwalten war eben kein Zuckerschlecken. Erst dann nicht, wenn zwischen diesen über tausende von Ecken, Sicherheitsmaßnahmen und Mittelsmänner lagen. Ich war sozusagen eine Art moderne Puppenspielerin. Es wurde Zeit, dass nach all den Jahren eine neue Lebensweise ans Tageslicht gelangte. Adé Agneta Kinnon – willkommen Lilith Zeller. Mein bescheidenes Ich-selbst, zumindest mein 5- jähriges Ich-Selbst in der Zeit in dem Computer oder Spyware noch Fremdwörter für mich darstellten. Vielleicht bewirkte die Unkreativität meinerseits etwas in den Gehirnzellen meines Gesprächspartners… Wieso nicht einmal mit etwas offeneren Karten spielen? Ich konnte es mir zwar nicht leisten zu verlieren, doch half die 191ste Identität nicht gerade dabei. Jedes Mal einen neuen Pass zu beantragen hieß erneut lügen, bestechen sowie alte Beziehungen aufwärmen und für all dies außer fürs Lügen fehlte mir schlichtweg das Geld und die Nerven. Man könnte meinen das staatliche Kapital für Resozialisierte könnte saftig ausfallen, aber 800 Bit-Coins zeigen eher das Gegenteil. Zudem war ich es leid jedesmal ein anderes zuckersüßes Püppchen zu spielen, welches stumm ertrug wie blöde Säcke sich an ihrem Arsch nicht satt sehen konnten. Prostitution war in den meisten Slums seit Jahren verboten worden, aber wie es die biochemische Zusammensetzung des Menschen so wollte waren die Verbote eher ein netter Ratschlag. Zwar versuchte der Rat mit regelmäßigen Datenkriegen dem ein Ende zu setzen, nur waren die Attacken machtlos. Zumindest jenseits des zweiten Sektors und unter uns, für so manches Entgeld ließ man sich auch gerne ins Zentrum der Reichen und Schönen schmuggeln…

12. Türchen:

7. “Ich würde ihnen gerne die Vorschriften zitieren, aber ich weiß, Sie werden das alles ignorieren.“ -Star Trek XI/ Teil 1

Angespannt trat ich in die grelle Außenwelt hinaus. Hinaus aus dem Schutz des Untergrundes und hinein in die urbane Hässlichkeit des dritten Ringes. Freiheit hin oder her, warum musste meine letzte Chance ausgerechnet sinnbildlich an der Endstation des sozialen Gefüges liegen? Eindeutiger konnte das verfluchte Leben einem auch nicht in den Hintern treten. Aber ich würde meinen Stolz nicht verlieren, selbst hier nicht; in einem Meer aus Müll, alten Leuchtreklamen deren blitzende Kabel in die Gegend stachen und unglaublich viel zersplittertem Glas. Woher das stammte blieb mir ein Rätsel, selbst durch die extra geschliffenen Gläser meiner Maske war es mir nicht möglich irgendwelche Fenster oder Gebäude in Reichweite auszumachen… Das Einzige was vor mir lag war ein sich schier endlos erstreckender Sektorenplatz, der nach römischen Vorbild erbaut worden war. Nun ein römisches Meer aus Müll. Wie lautete noch gleich das Sprichwort mare nostrum? Was wohl „unser Müll“ auf Latein hieß… Die reale Deponie lag zumindest nach offiziellem Plan auf der gegenüberliegenden Seite des Ringes. „Offiziell“ war heutzutage allerdings zu einem sehr dehnbaren Begriff geworden, ebenso wie „legal“ oder „Freundschaft“. Gewundert hätte es mich jedenfalls nicht, wenn unsere Regierung sich spontan dazu entschieden hätte, der Deponie einen kleinen Außenposten zukommen zu lassen, als Präsent für was-auch-immer. Der Vorteil in dieser Region war zumindest, dass es niemanden ernsthaft störte. Viel mehr begrüßten es wohl manche Einwohner, denn neben möglichen erst halb vergammelten Rationen existierten ebenso vielleicht noch nicht vollkommen zerstörte Ausrüstungsgegenstände. Eine Reparatur war meist langwieriger als ein Neukauf, doch sparte es erhebliche finanzielle Belastungen und wie bereits erwähnt legal war mittlerweile relativ. Um ehrlich zu sein schuldete selbst ich solchen Bergen den einen oder anderen Dank, besonders in der nahen Vergangenheit, nach meiner Entlassung um genauer zu werden, waren sie meine Hauptanlaufspunkte gewesen. Durch sie war es mir überhaupt erst möglich mich wieder halbwegs auszurüsten. Man würde meinen, dass staatliche Haftanstalten sich vor Bürokratie kaum retten konnten nur war das wohl in einem anderen Jahrhundert gewesen, denn all meine Sachen waren innerhalb meiner Bedenkzeit entweder eiskalt verschlampt oder geklaut worden. Schadensersatz war übrigens ein Wort, dass quasi auf der roten-Liste der heimischen Linguistik stand. Zwar bekamst du als recht gutbetuchter Bewohner des oberen zweiten Ringes Versicherungen für solche Fälle vorgezeigt, nur deckten die nur ein Bruchteil des Gesamten ab. Wirklichen Schadenersatz bekamst du nur indem du deinem Schädiger ein Auge ausstachst oder ihm etwas anderes klautest. Mittlerweile gab es sogar gewisse feige Menschen, die andere Menschen damit beauftragten für sie selbst diese Drecksarbeit zu erledigen. Solche Menschen waren für mich ein einziges Rätsel. Beauftragten andere Menschen mit Ihren Problemen und gingen darüber hinaus sogar noch das Risiko ein dabei erwischt zu werden. Schlaue Menschen oder Auftragnehmer machten regelmäßige Backups der Kunden, denn solche Informationen lassen sich hervorragend als Kreditkarte für den zweiten Bankautomaten nutzen. Kritisch wird es dann allerdings wenn man zu viel wusste… Zumal ich mir nichts vormachen sollte, im zweiten Ring war ich selten gewesen, Höchstens um meine damaligen schon stinkreichen Mitschüler zu ähm.. nennen wir es von ihrem überflüssigen Kram zu befreien. Unter uns, sie stanken wirklich und zwar anders als wir, statt Müll und Brackwasser nach künstlich-chemischen Himbeeren oder noch schlimmer nach Zuckerwatte. Das Zeug bekamst du selbst mit dem guten Kaffeesatz nicht mehr aus deiner Nase.

Missmutig werdend von den eigens ins Bewusstsein zurückgerufenen Erinnerungen durchwühlte meine Hand abwesend die abgegriffene Patchwork-Leder-Imitation. Ich glaubte zumindest, dass es Leder imitieren sollte, möglicherweise war es sogar „echtes“ Leder. Das würde die fehlenden madenähnlichen Würmer erklären, die sonst an allem halb verbrauchten hingen und schmatzen, alles zersetzten was sich nicht mit Feuer und Haaren retten konnte. Diese konnte man, hatten sie sich erst einmal in etwas verbissen, nicht wie normale Maden abzupfen, auch vielen sie nicht wie Egel herunter. Nein, um sie loszuwerden musste man sie ausbrennen, am besten funktionierten Zigaretten, schön gefüllt mit beißendem japanischen Tabak. Radioaktivität bewirkte Wunder. Nur war ihre Abstinenz damals ein Zeichen für mich gewesen. Wie auch immer, damals unbezahlbar -heute kaum noch einen Cent wert. Wenn man eben zuviel wusste würde man in Zukunft dazu gezwungen werden eben auf solche Müllversammlungen zurück zu greifen. Schließlich konnten selbst zwei Kreditkarten überzogen werden oder gesperrt – für immer und ewig. Glücklicherweise fanden gewisse Dinge sich von ganz allein ohne dass ich etwas großartiges tun musste, außer ein wenig nachhelfen. Eben dieses Nachhelfen hatte mich wohl in die verflixte Kreditkartensituation gebracht. Heute nun, einige Jahre später rettete es mir mein Leben. Ich hatte nicht nur die noch halb funktionierende Gasmaske aus einem vollständig abgefackelten Herd herausgezogen sondern auch noch genießbare Essensrationen sowie meinen von dort an treusten Weggefährten –  meinen völlig analogen Stadtplan.

Zugegeben am Anfang war es recht knifflig mit diesem unhandlichen Fetzen Papier zu gehen und dabei nicht aufzufallen, aber nach einigen Stunden wurde das Einordnen diverser Punkt für mich wesentlich leichter als vorher. Grün stand für einwandfreie Schlafplätze, gelb für mögliche Schlafplätze die allerdings nur mit großer Vorsicht zu genießen waren. Lilafarbene Markierungen standen für verschiedene Versorgungstellen wie Müllberge oder Container und blau war mein heutiger Weg. So neu und rein, das es fast schon wieder stank… natürlich nach Brackwasser und nicht nach Zuckerwatte. Das einzig Positive bis jetzt.

Hier draußen scherte es offensichtlich niemanden. In Anbetracht dessen, dass niemand hier war erschien mir dies als eine relativ einfache Tatsache. Hatte ich gesagt niemand? Nachdem ich die dritte Ecke passiert hatte bemerkte ich eine Art zusammengesetzter Unterschlupf aus unterschiedlichsten Materialen was zur Folge hatte, dass dieses Gebilde mehr nach einem Fliegenpilz als nach einem Heim aussah. Beim Passieren im gebührenden Abstand stellte ich allerdings fest, dass offenbar niemand dieses Bretter-Metall Kunstwerk zu bewohnen schien, laut nun lesbarem Aushang war dies offensichtlich ein Laden, der die wundervollsten Dinge anpries. Durch die bunt anmutenden Flecken neugierig geworden, signalisierte ich per Pupillenbewegung, dass sich mein Sichtfeld doch bitte so vergrößern sollte, dass die Beschriftungen zu erkennen waren: Mohrenköple, Stangeneier, Adukibohnen sowie Fensterblätter wobei ich mir sicher war, dass keine dieser Lebensmittel tatsächlich unter seiner Theke lauerten. Vielmehr waren es entweder Riegel mit den jeweiligen Zusatzstoffen oder passend bemalte Heimware. Original organische Lebensmittel zu finden, insbesondere hier draußen, war schlichtweg unmöglich und damit meine ich wirklich unmöglich. Selbst für den gerissensten aller Jäger war es hier draußen aussichtslos. Was hier regierte waren Rationen und selbst dann nur in toten Briefkästen oder im Inneren von unappetitlichem. Neben dem Eingangstor entdeckte ich nun auch noch eine abgelegte Maske, aber mit eingerissenem Riemen, also nutzlos… Für den Besitzer wohl ebenso. Entweder er hatte bereits eine neue oder ihm waren Kiemen gewachsen mit denen er die Luft filtern konnte. Ich hoffte auf letzteres, denn ohne Maske konnte er mich nicht war genommen haben und Unauffälligkeit war hier trotz offensichtlicher Menschenleere ratsam… Menschen waren nicht die vertretene Hauptrasse…

11. Türchen:

55. “Die Heimat liegt nun hinter euch- vor euch die Welt.“ -Der Hobbit/ Teil 7

Ich trat einen Schritt zurück dann noch einen. „Dann… Danke“ hörte ich meine Schwester sagen. Jack nickte ihr zu, irgendwie sah er jetzt verdammt alt aus. Fast hätte ich Mitleid bekommen, aber nur fast. „Das mit deinem Auge tut mir übrigens Leid“, setzte sie nach. Gespannt beobachtete ich ihn, auf seine angespannten Kiefer nach zu urteilen wollte er wohl etwas sagen beließ es aber beim Schweigen. Nur die Mundwinkel verzogen sich…

Dann wandte er sich zu mir und starrte mich an. „Pass auf… sie auf…“, war das Einzige was er herausbrachte. Als Antwort nickte ich knapp, irgendetwas sagte mir dass das noch lange nicht alles gewesen war nur war nachfragen quasi vergeblich, dass hatte ich inzwischen gelernt. Auf einen weiteren Streit war ich nach dem Sprung ebenfalls nicht aus. Diese Erfahrung saß mir noch zu tief in den Knochen. „Lass uns gehen“, meinte ich mich beim wegdrehen und lief in Richtung wohin der schwarze Pfeil zeigte. Zu erst zögerte meine Schwester, doch dann hörte ich ihre eiligen Schritte hinter mir. „Du bist echt verdammt ungehobelt“, bemerkte sie spitz. „Sagte die, die regelmäßig die Wärter beschimpfte. „Dass ist etwas völlig anderes“, beschwerte sie sich lautstark und schaute mich gespielt beleidigt an. Wir lachten beide, dass erste Mal seit Wochen wenn nicht sogar Jahren. So genau wusste ich es nicht, letztendlich war es sogar einerlei. Unbeschwertheit war wohl das Gefühl was wir gerade erfuhren. Zugeben nicht der schlechteste Teil vom Brot.

Wir beide waren auf dem Weg in eine zwar ungewisse aber definitiv besser Zukunft. Plötzlich viel mir abermals die Aufschrift des Schildes ein: “Die Heimat liegt nun hinter euch- vor euch die Welt.“ so ganz passte es nicht zu uns. Vielmehr lag die Welt hinter uns, eine schreckliche Welt voller Hass und Ungerechtigkeit und vor uns, vor uns lag die hoffentlich goldene Heimat. Irgendwie verdammt kitschig. Freiheit war unbezahlbar. Vielleicht gab es deshalb solche Menschen wie Jack… Apropos meine Schwester stupste mich an und sah ernst zu mir hoch. „Es gibt hier in Deutschland nicht wirklich einen Milchmann oder?“. Ihr Stimme sagte mir, dass sie die Antwort bereits kannte. Es nützte also nichts ihr irgendetwas vorzuspielen. Langsam schüttelte ich den Kopf. „Nein, gibt es nicht. Tu mir Leid.“ Sie nickte ernst, dann lächelte sie gequält. „Man muss nicht immer alles verstehen…“, murmelte ich dazu und dann „Mach dir keine Sorgen es ist eine Hauptstraße es wird schon jemand kommen…“

Sie schien nicht wirklich erfreut, es war aber auch ein schwacher Trost für sie, das musste ich zugeben. Eine Weile schwiegen wir, dann wie aus dem Nichts rief sie: „Wer als erstes an der Post ist hat gewonnen!“ und sprintete sich zu mir umdrehend davon.

Ende

10. Türchen:

55. “Die Heimat liegt nun hinter euch- vor euch die Welt.“ -Der Hobbit/ Teil 6

Zögernd drehte ich mich in Richtung Jack, der kniete mittlerweile fast aufrecht sich auf einen Arm stützend. Der Rest allerdings sah ziemlich ungesund aus. Ganz langsam machte ich einen Schritt in seine Richtung, sollte ich ihm helfen? Wobei… Auf halbem Weg entschied ich mich anders und folgte statt dessen meiner schon fast verschwunden Schwester. Wenn er wollte würde er uns finden. Wie immer…

Sie einzuholen war ein hartes Stück Arbeit wie ich schnell feststellen musste. Ich hoffte sie kannte den Weg, denn so schnell wie sie voran lief würden wir einige Meter aufholen müssen, falls ihr ein Irrtum unterlaufen würde. Warum war sie allerdings sauer auf mich? Hatte ich ihr irgendetwas getan? Nein, sie war die Einzige gewesen, die offenbar sogar noch einigermaßen weich gelandet war. Der Sprung war doch glatter Selbstmord gewesen und hätte sich Jack nicht verletzt hätte er unsere Landung garantiert dazu genutzt um uns auszurauben. Wenn man vom Teufel sprach, wo steckte er überhaupt? Langsam drehte ich meinen Kopf, mit dem Ergebnis das der Schmerz nachließ. Bei Jack sah es wohl anders aus, er befand sich zwar gerade mal mehrere Meter hinter mir nur war mein Zustand wohl nicht vergleichbar mit seinem.  Wobei ich wohl das Ass gezogen hatte und er die Arschkarte. Stark humpelnd, den Arm in einer Schlinge, gebaut aus seinem Mantel sowie den Kopf zum Boden gerichtet, bahnte er sich seinen Weg. „Geh einfach weiter, brauchst keine Rücksicht nehmen“, zischte er im Vorbeigehen.

Entnervt schaute ich ihm eine Weile zu, ihn zu überholen würde mich vielleicht einige Sekunden kosten. Das war die Rache für alles, war er im Zug getan hatte. Normalerweise glaubte ich nicht an Karma, aber es gab wohl doch so etwas ähnliches. Auf Abstand erpicht schlich ich durch das niedrige Unterholz hinter ihm her. Sollte er mir doch eine Schneise bauen. Ich würde mich garantiert nicht abrackern, schon gar nicht für ihn. In weiteren Gedanken versunken setzte ich meinen Weg durch den Wald fort. Dummerweise bemerkte ich den stehen gebliebenen Jack zu spät, denn ich rannte geradewegs in ihn hinein. Das allein war schon schlimm genug nur war er anscheinend so geschwächt dass er nach vorne fiel und markerschütternd aufschrie. Jetzt erschrak ich, was hatte ich getan. Wehe ich müsste ihm helfen. Hilfesuchend schaute ich nach vorne gerade noch so sah ich den Rucksack meiner Schwester hinter einer Gruppe von Bäumen verschwinden…

mehr als „Hilfe“ bracht ich nicht heraus. Inzwischen bewegte sich Jack nicht mehr. Widerwillig stupste ich ihn mit meinem Fuß an. Beweg dich, komm schon… dachte ich nur. Nichts. „Sehe ich so aus als könnte ich irgendwie aufstehen…?“ kam die prompte Antwort. Ich schluckte. „Was hast du angestellt?“ Ich zuckte erschrocken zusammen, Schwesterlein war so leise zurück gekommen das ich sie nicht bemerkt hatte. „Dein Bruderherz will mich umbringen..“ scherzte er eher halbherzig. Nur merkte man dass selbst reden ihm schwer fiel. „Scheiße!“, stieß meine Schwester lediglich aus. „Helfen wolltest du ihm anscheinend nicht?!“, fauchte mich meine Schwester an. „Ich wusste nicht wie“…, gestand ich aufrichtig. Alleine hätte ich ihn nicht heben können. „Du auf die eine Seite ich auf die andere. Auf drei“, ordnete sie an. „Ähm warte- “ setzte ich an, doch da stemmte sie ihn bereits hoch und machte mir mit einer Kopfbewegung klipp und klar zu verstehen, dass ich jetzt nicht widersprechen wollte. Wortlos folgte ich ihrem Beispiel. Mit einem Ächtzen unsererseits und einem kurzen Knurren Jack´s hievten wir ihn wieder auf seine zwei Füße. Nun gestaltete sich das nächste Problem. So wie er zitterte konnte er nicht lange so weiter gehen. „Wie weit ist es eigentlich noch?“, fragte ich hoffnungsvoll… „Vi-le Kilo-meter“ , stieß Jack zwischen Atemstößen hervor. „Na dann los, je schneller wir dort sind desto schneller kann man dir helfen.“ Er zog die Nase kraus, ähnlich tat ich es. Freude sah anders aus. „Und je schneller seid ihr euch los. Also reißt euch zusammen.“, ergänzte sie. Zähneknirschend setzte ich mich in Bewegung. An ihrer Argumentation war etwas dran, dass konnte ich nicht widerlegen. Der Rest des Weges schwiegen wir, weder ich noch Jack murrten. Ich trug ihn mit der Zeit immer mehr allein da meine Schwester derweil uns den Weg bahnte und er selbst versuchte so wenig meine Hilfe zu beanspruchen wie es ihm möglich war. Ich merkte wie es ihn wurmte doch ging ich nicht drauf ein… Zu erschöpft war ich von den letzen Stunden gewesen. Mein Körper schmerzte immer noch und meine Laune war nicht mehr vorhanden. Ich kam mir vor wie ein Zombie. Für mich stand folgendes fest. Ich würde alles dafür tun nicht so zu enden. „Du hattest recht“, meinte ich nur. “Dein Leben ist beschießen, ich will ins Bett oder sterben. Jetzt “ Letzteres war eher sarkastisch gewesen, nur lachte keiner von uns beiden. Mein Schwester bemerkte es wohl nicht oder ignorierte es gekonnt. „Erfrieren…. ist nicht der schlech-teste Tod… Hättest mi-ch auch dort lie-gen lassen kön…nen“ nuschelte er zurück. „Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?“ ,verärgert stoppten meine Beine. Was tat ich hier eigentlich? Ich unterhielt mich mit dem größten Schwachkopf der Welt während ich ihn mittlerweile trug, fast wie einen Kartoffelsack über der Schulter. Schmerz verband wohl, denn nach den ersten Kilometern war mir alles gleichgültig. „Und?“, mittlerweile musste ich zugeben irgendwie interessierte mich die Antwort. Bloßes Schulterzucken. „Ungestraft… kom-mst du mir nicht… davon…“, murmelt er wieder. An seiner Reaktion bemerkte ich, dass es wohl höchste Eisenbahn war. Eiliger als vorher setzte ich meinen Gang fort. In welche Stadt hatte uns Jack wohl gebracht. Wahrscheinlich in eine ebenso kleine wie unsere Heimat. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich so langsam die Bäume lichteten. So kam nicht nur mein Familienmitglied ins Blickfeld sondern ebenso ein sehr großes und unübersehbares Straßenschild. Ich kniff die Augen zusammen, der Schweiß der letzen Stunden hatten meine Wimpern komplett verklebt. Nur was ich definitiv erkannte war das fetteste Grinsen meiner Schwester, was ich je gesehen hatte. Die letzten Meter fing ich an zu rennen, Jack auf dem Rücken war mir egal, außerdem erfolgte keinen Widerstand von ihm, sodass ich die letzen Schritte quasi sprintete. Widerstand leistete er zumindest nicht. Jetzt wollte ich es erst recht wissen. Sobald ich die Schrift einigermaßen entziffern konnte verlangsamte ich meinen Tritt und erstarrte: Rahnsdorf- Berlin.

„Berlin?!“ völlig außer Atmen sowie fassungslos, blieb ich stehen und ließ Jack los.  Wir waren in Berlin?! Berlin? Das hieß: wir hatten Polen in gut einem Tag durchquert und wir waren in Deutschland. Ich konnte es kaum fassen. „Bist du verrückt geworden?“, konstatiert drehte ich mich um und schaute zu Boden. Jack lag noch genauso da wie wohl gefallen, aber er lachte. Der Typ lachte mich an. „Wir können noch nicht einmal Deutsch!“, stieß ich weiter aus.

Wie sollten wir hier leben? „Berlin“, flüsterte ich immer noch fassungslos. Mindestens fünf einmal hintereinander. Das war unglaublich. Nur dann gefror mir das Blut in den Adern. „Äh… was ist mit unseren Papieren?“  „Liegen bei der Post…“, kam die Information von hinten. „Hinterlegt auf eure Namen…“ „Unseren echten?“, fragte ich misstrauisch nach. Jacks Stimme gewann wieder an Festigkeit „Nein, auf Weihnachtsmann und Elfe“, er verdrehte die Augen.

„Und was ist mit dir?“, hakte meine Schwester nach. „Er meinte wir könnten ihn hier liegen lassen, eigentlich hätten wir dass schon im Wald tun sollen.“, meinte ich mehr sarkastisch. Doch Jack schien die Idee wohl gar nicht so schlecht zu finden. „Ich sollte euch in die Stadt bringen, dass habe ich hiermit getan. Ab jetzt seid ihr auf euch allein gestellt.“, warf Jack ein.

„Dein Ernst?! Das können wir nicht machen…“, hielt meine Schwester dagegen. „Du kannst kaum laufen!“ Bei den Worten lachte Jack. „Der Milchmann dreht abends hier seine Runden, in zwei Stunden sammelt er mich auf…. Es wäre auch für euch nicht förderlich mit mir gesehen zu werden.“ „Dann setzt dich zumindest an den Rand“, forderte meine Schwester mit hochgezogener Braue – wirklich glauben wollte sie ihm nicht… Schnaubend drehte sich Jack auf den Rücken. Anschließend schob er sich mit dem einen Bein nach hinten gen Straßenschild und lehnte sich dagegen. „Genehm? Jetzt verwindet.“, leicht entnervt schaute er uns zwei an. Ich völlig durchgefroren sowie verschwitzt und verdreckt mit Erde oder Essensresten. Meine Schwester voller Laub und klitschnassen Hosenbeinen durch den durchgeweichten Boden.