Misanthropenherz klärt auf, dritter Versuch (Studiumsedition I)

Ein Jahr Studium durchgehalten oder wie ich es gerne bezeichne: 365 dem ausbeuterischen Arbeitsmarkt näher. Heute ist der offizielle Start ins Wintersemester und ich dachte, das nehme ich, als Anlass um mal ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern. Klar tue ich das irgendwie jeden Monat, aber hier bekommt ihr noch einmal die gebündelte Packung. Vielleicht sind Dinge dabei, die bei euch anders waren, vielleicht nicht wir werden sehen.

Ein Jahr Studium durchgehalten oder wie ich es gerne bezeichne: 365 dem ausbeuterischen Arbeitsmarkt näher. Heute ist der offizielle Start ins Wintersemester und ich dachte, das nehme ich, als Anlass um mal ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern. Klar tue ich das irgendwie jeden Monat, aber hier bekommt ihr noch einmal die gebündelte Packung. Vielleicht sind Dinge dabei, die bei euch anders waren, vielleicht nicht wir werden sehen.

Fragen über Fragen:

Jeder Mensch hat am Anfang des Studiums Fragen, so auch ich. Wieso, Weshalb, Warum, Wo, Wie, Wann und Was machten nur einen Bruchteil davon aus. Weshalb ich mich schon geistig darauf vorbereitet habe von einer Informationsauskunft zur anderen Informationsauskunft zu rennen, um diverse Grunddaten zu erfragen. Natürlich war ich auf der einen Seite erfreut, als ich erfuhr, dass es eine so genannte Einführungswoche geben würde, während der mir alles in Ruhe gezeigt werden würde. Auf der anderen Seite war ich sogar ein wenig enttäuscht denn: Wo blieb denn der euphorische Studienhorror, von dem alle redeten? Ich naives Ding, ich… Die Einführungswoche war und ist übrigens Pflicht, in ihr wird einem wirklich alles erklärt. Auch Dinge, die ich eigentlich gar nicht wissen wollte: Kennlernspiele, Führungen durch Gebäude und übers Gelände, Schnitzeljagden und Tutorien hingen an der Tagesordnung. Die meiste Zeit bestand jedoch aus unkoordiniertem Herumstehen, also quasi alles so wie immer. Das einzig nützliche war wohl die Einführung in die Erstellung eines eigenen Stundenplans, sich da durchzuwühlen ist nämlich gar nicht mal so einfach.

Weitere Fragen über Fragen (Tutorium):

War die Einführungswoche nur für den oberflächlichen Einstieg, so folgte darauf das jeweils wählbare Einführungsseminar mit anschließendem Tutorium. Beides war und ist ebenfalls Pflicht und soll die inhaltlichen sowie fachrelevanten Grundlagen vermitteln und vertiefen. Das Seminar wird dabei von einem_r Dozent_in gehalten und das Tutorium von einer studierenden Person eines höheren Fachsemesters. Soll wohl dazu dienen, den Anfänger_innen die Furcht vor möglicherweise doofen Fragen zu nehmen. Das Einführungsseminar ist absolut sinnvoll, denn ihr hat ein jeder Raum für sich und bekommt nicht sofort einen riesigen Minderwertigkeitskomplex, sobald jemand anfängt zu reden. Denn wir werden in unseren Seminaren, studiengangübergreifend unterrichtet. Es sitzen also Master Studierende zusammen mit Erstsemestern in einem Seminar. Pädagogisch nicht sinnvoll, denn statt sich gegenseitig zu befruchten bekommen die meisten Erst- sowie Zweitsemester wie gesagt aus Scham noch nicht einmal den Mund auf. Die Professor_innen beschweren sich natürlich dann über die mangelnde Mitarbeit wie sollte es auch anders sein. So gesehen mochte ich das Einführungsseminar sehr, denn hier hatte ich das Gefühl mal Sein zu dürfen.

Das Tutorium hat mir dagegen (außer vielleicht zwei Sitzungen?) absolut nichts gebracht. Denn alles, was wir dort durchgenommen haben, hätte jeder Mensch eigentlich schon in der Oberstufe lernen sollen. Wie schreibe ich eine Hausarbeit? Wie hat die aus zu sehen? Wie halte ich ein Referat? Was muss ich beim Zitieren beachten? Wann nutze ich Power Point? Was sind für uns die relevanten Plattformen auf denen wir uns bewegen? Etc. Selbstverständlich sollte so eine umfassende Einführung als Möglichkeit angeboten werden, gerade für Studierende, die wieder anfangen oder bereits mehrere Jahre gearbeitet haben oder aus dem Ausland kommen und völlig andere Richtlinien kennen, aber muss es denn wirklich für jeden pflicht sein? Kann sich nicht jeder, die Termine heraussuchen die, sie_er für sich als relevant empfindet?

Literaturlisten:

Was uns recht schnell klargemacht wurde: Die Anhäufung von Literatur im Anhang eines jeden Seminars im Vorlesungsverzeichnis, gilt lediglich als Empfehlung vielmehr als Quellenangabe für die Seminarinhalte. Bedeutete für uns: Auf keinen Fall versuchen jedes einzelne innerhalb eines Semesters zu lesen. Sehr vernünftig, wenn ich bedenke, dass 10 Seminare pro Woche keine Seltenheit sind und jedes Seminar mindestens sechs Literaturempfehlungen beinhaltet. Wie gesagt, sie dienen eben als Referenz falls eine Person sich so sehr für ein Thema interessiert, dass sie dazu unbedingt mehr lesen oder die eigene Hausarbeit darüber schreiben möchte.

Deadlines:

Deadlines, der Horror vieler Studierenden. Nachtschichten scheint hier wohl das A und O zu sein und wie immer falle ich heraus, weil ich meist die Person bin, die bereits vier Wochen vor Deadline abgibt. Die Gründe dahinter sind nicht weniger gesünder, als die konstante Prokrastination von anderen. Unsere Professor_innen sind in Sachen Deadline jedoch sehr kulant. Bis zu zwei Wochen vorher darf ein jeder um Verlängerung bitten. Alles darunter ist nur mit ärztlichem Attest möglich. Dennoch die Hausarbeit sollte innerhalb der vorlesungsfreien Zeit fertig werden, ansonsten zieht sich der Prozess deutlich. Denn schließlich nimmt das neue Semester keine Rücksicht auf die alte Hausarbeit. Mir wurde schon von Fällen erzählt, welche ihre Hausarbeit noch vor drei Semestern abgegeben haben. Löblich, jedoch beträgt die Korrekturzeit der Dozentinnen ebenfalls ein bis zwei Semester und wenn jemand anderes dann zum Bachelor zugelassen werden möchte aber noch auf eine Note von vor fünf Semestern warten muss. Ganz großes Drama.

Die Deadlines für An- und Ummeldephasen zu Lehrveranstaltungen gibt es immer noch und wie es die gibt. So prügeln wir uns dank digitalem Zeitalter zwar nicht mehr vor Papierlisten dafür im virtuellen Raum. Gerade in Geschichte sehe ich zu, dass ich mich innerhalb der ersten fünf Minuten in alle meine Seminare eintrage. Alles Spätere hat keine freie Auswahl mehr und wer langsames Internet hat… Gute Nacht. Die einzige Chance besteht darin, am ersten Termin dennoch aufzutauchen und zu hoffen das gewisse Personen nicht erscheinen. Die fallen dann nämlich automatisch raus und es wird nachgerückt. Aus Lehrveranstaltungen abmelden geht jedoch immer, bis vor zwei Wochen vor der eigentlichen Endklausur oder dem Semesterende. Ansonsten wird es selbst mit ärztlichem Attest schwierig.

Das System

Wie alles hat die jeweilige Studienstruktur seine Vor- Nachteile. Vorgelagerte Studiengänge sind gerne mit Naturwissenschaften, Wirtschaft, Lehramt, Sprachen oder auch Jura verbunden. Feste Pläne, gute Lernstruktur und der Inhalt sowie Ende des Studiums sind ungefähr absehbar.

Dass irgendjemand mal jemanden getroffen hat, der im 15. Fachsemester Kunstgeschichte saß ist dagegen sogar recht wahrscheinlich. Ich spreche dort aus Erfahrung und ganz ehrlich ich hätte zukünftig kein Problem damit diese Person selbst zu sein. Studieren ist toll, lesen und lernen ist toll. Weshalb das nicht ein Leben lang tun? Gut, vielleicht nicht ein Leben lang aber eine stressige 40 Stunden Woche kann auch nicht die Lösung sein. Denn seien wir mal ehrlich, eine 40 Stunden Woche ist ein Relikt aus der Nachkriegszeit und die Gesellschaft baute auf eine aufgeteilte Rollenvergabe im Alltag auf. Für allein lebende Menschen ist demnach die Work-Live-Balance nahezu unmöglich einzuhalten. Denn gerade in Geisteswissenschaftlichen Fächern ist Lesen, Lehren und sich selbst weiterbilden oft der Schlüssel am Spaß an der Freude.

Ich bin mir allerdings darüber bewusst, dass es nicht für jeden Menschen möglich ist. Trotzdem ich wollte nur mal ein vorsichtiges Signal setzen in dem Sturm aus Konkurrenz und Klassendenken innerhalb des Systems. Ein gut dotierte Arbeit ist für viele etwas essentielles (auch für mich keine Frage), ich möchte ihn dennoch nicht 40 Jahre lang machen müssen. 40 Jahre sind eine lange Zeit…

Bafög

Bafög, ein Fluch und Segen zu gleich. Gerade der Papierkram und der ständige „Druck“ von eigentlich jeder erdenklichen Seite Behörden, Eltern, Dozentinnen und im schlimmsten Fall sogar den Freund_innen. Gerade Behörden oder auch das Amt sind meist gar nicht so schlimm, Beamten haben eines Gemeinsam sie arbeiten nach Schema F und dann wird das auch so gemacht. Sofern ihr dieses Schema F bedient ist alles gut und dafür lieben Studierende das Internet, es gibt hier und dort nämlich sehr geniale Menschen die einem Schlupflöcher, und ander Tipps und Tricks diesbezüglich Bafög zeigen. Paragrafenlisten ihr kommet und jeder ist gewappnet. So ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß auch noch außerhalb der Regelstudienzeit Bafög zu beantragen. Wir haben hier das Glück, dass die Universität selbst solche Veranstaltungen anbietet, selbstverständlich werden hier jedoch nur die absolut legalen Basics geklärt. Zur Not fragt jeder höhere Fachsemester (die sind gar nicht so böse) oder Tutor_innen (ebenfalls sehr hilfreich)

Strukturen

Das A und O des Studiums wäre wohl Struktur, Struktur und noch einmal Struktur. Egal ob es während einer akuten Klausurphase ist oder im normalen Alltag To-Do Listen oder ein Terminkalender sind wunderbare Erfindungen des Menschen. Auch hier hilft die Uni aus und bietet Seminare an extra für die Menschen an, die damit Probleme haben oder Hilfe brauchen. Darüber hinaus gibt es sogar weitere Veranstaltungen zu Schreibblockaden, Probleme mit dem Anfangen von Recherche etc. Wie viel die Studierende nun nützen, kann ich leider nicht sagen ich musste sie zum Glück nie besuchen.

Was ich persönlich bis heute ziemlich genial finde, ist der Modulplan in denen wir manuell und völlig analog unsere Leistungspunkte eintragen dürfen oder eher müssen (was wieder rum weniger cool ist). Unsere elektronische Studienplattform zeichnet beinhaltet zwar einen Leistungspunktestand, jedoch zeigt es mir nicht an zu welchem Modul die genau gehören und genau diese Tatsache ist oftmals entscheidungsgebend für die Zulassung zum Bachelor oder Master. Weshalb uns eingeimpft wurde, diesen Plan stets sorgfältig zu pflegen, ansonsten verliert ein jeder sehr schnell den Überblick und das Chaos will niemand wieder ordnen.

Das Mindset des „Ich möchte alles lernen, habe aber nur so und so viel Kapazität“ wird leider alltäglich, gleich gefolgt von meinem derzeitigen Zustand: Mit diesem unnützem Wissen kann ich zwar sehr interessante Vorträge vorbereiten, werde damit aber absolut keinen Job finden. Letzteres ist übrigens absichtlich und betrifft alle Beteiligten meines Fachbereiches, denn unsere Studienstruktur zielt darauf hab, dass wir erst im dritten bis fünften Fachsemester sich uns langsam das Big Picture der Kunstgeschichte offenbart. Auch hier führt Listen oder Notizbücher meinetwegen für jede Vorlesung ein anderes. Ich bleibe bei den guten, alten Schnellheftern.

Ein weiterer netter Hinweis ist, bei uns an der Uni finden die Prüfungen meist am Ende eines Semesters statt meist Februar/März oder Juni/Juli. Sofern jemand Referate hält, auf keinen Fall in diesen Zeitraum legen es kann einem durchaus das Genick brechen.

8 Kommentare

  1. In meiner Familie fangen gerade drei Kinder ein Studium an und weil ich die einzige der vorherigen Generation bin die an der Uni war, bekomme ich nun alles von Ihnen erzählt.
    Dein Text bestätigt meinen Eindruck…so viel hat sich für Erstsemester gar nicht geändert. Hunderte von Fragen und noch mehr Antworten. 🙂

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    1. Sag ihnen bitte von mir nur weil sie „Erstsemester“ sind, sind sie nicht automatisch „minderwertig“. Oft wird über Ersties gelacht, aber die große Mehrheit der höheren Fachsemester sind genauso planlos… Zumindest was ihr Leben angeht. Die sollen sich nicht unterkriegen lassen. Die Existenzkrise kommt übrigens gerne zwischen im 4. oder 5. Fachsemester…. Völlig normal.

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  2. Das war sehr interessant, aber was mich noch mehr interessieren würde. Der einzige Zweck eines Studiums ist, dass man für einen Job qualifiziert. Wie schätzt Du da die Unterstützung ein, Praktika oder Spezialisierungen. Oder bewerbt ihr euch alle dann um die gleichen bzw seIben😉

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    1. Ich sage mal so, die Professor_innen raten uns zu Nebenjobs in dem Gebiet und zu Praktikas. Die Realität sieht da anders aus. Ohne Bachleor läuft in Sachen Nebenjob und Kunstgeschichte gar nichts, es sei denn man hat goldende Beziehungen. Darüberhinaus ist es in den Kulturwissenschaften oftmals der Fall, dass wir später etwas komplett anders machen. Klar, sehr oft im Bezug auf Kunst/ Kultur aber weit weg von Gallerien oder Museen. Es ist ähnlich wie die Medienarbeit, du weißt erst dann dass es diesen Bereich gibt/ einen Job drinn hast wenn du die Stelle bekommen hast. Der Fachbereich ist zu komplex, als das irgendjemand etwas vorhersagen könnte. Darüberhinaus ist Studium so viel mehr als nur eine Jobqualifikation…. Funktioniert in den Geisteswissenschaften auch eher schlecht, es sei denn du willst nen blöden Job und ne schlechte Arbeit machen später. Da kannst du aber auch zu den BWLern gehen, das Studium geht schneller….

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      1. Das klingt interessant. Klar ist ein Studium mehr als Jobsuche. Ich kenne mich nur in dem Bereich nicht aus und mich interessierte, wie man das angeht.

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