Regenbögen überall

Ich würde sagen, mehr Regenbogen geht nicht als an diesem Wochenende und mittlerweile finde ich meine Angabe zu meinen Lieblingsfarben: Schwarz und Regenbogen sehr akkurat. Eine bessere Farbkombination gibt es nicht, auch wenn es dieses Jahr nur für drei Stunden war. Ich hatte mich spontan dagegen entschieden mit meiner eigentlich ebenfalls dagewesenen Peer-Group zu treffen und habe mich für meine Freunde entschieden. Eine absolut richtige Entscheidung, auch wenn wir leider kurzfristig immer weniger wurden. Wir, die übrig geblieben waren, hatten trotzdem wahnsinnig viel Spaß und ich war nur halb so nervös. Bewaffnet mit Pride-Accessoires jeglicher Couleur ging es dann auch nur mit einer halben Stunde Verspätung los. Ich möchte bereits jetzt anmerken, dass ich ein wenig Stolz darauf bin, dass wir per Zufall am Ende quasi mit fünf verschiedenen Flaggen dort standen. Diversität ist doch gar nicht so schwer. Wir waren übrigens trotz Verspätung reichlich pünktlich. Denn trotz Hindurchschlängelns kamen wir noch nicht einmal in die Nähe des Startpunktes. Wann also welcher Wagen losfahren sollte, war uns völlig unbekannt. Wir wussten noch nicht einmal welche Wagen es überhaupt gab. Das würde ich gerne für nächstes Jahr ändern, das ganze ein wenig besser organisieren und mir eine bessere Sonnencreme besorgen. Keine Angst ich hatte weder den Ansatz eines Sonnenbrandes noch einen Sonnenbrand, aber die Konsistenz ließ arg zu Wünschen übrig. Sie ließ sich absolut nicht verreiben, weshalb ich noch drei Tage und zwei Duschen später immer noch weiße Schlieren auf meiner Haut hatte.

Ich kam mir übrigens ein wenig merkwürdig vor, die einzige Person in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu sein die in voller Montur dort steht und merkt, dass es zwei Arten von Personen gibt. Die, die einen völlig ignorieren oder die, die völlig irritiert meine Flagge anstarrten. Regenbogen kennt die Allgemeinheit ja und ist ein klares Zeichen für CSD, aber den Rest? Wir sind aber auch die Minderheit, der Minderheit auf unserem Planeten ergo Pride-Ninjas. Aus Zeitgründen und mangelnder Organisation wurde sich dann gleich hinter dem ersten Wagen eingereiht, der wieder rum von den Dykes on Bikes, Lesben gegen Rechts und den Fahnenträgern eskortiert wurde. Ich war übrigens verwundert, weshalb so viele Leute am Rand standen? Ich meine, wozu geht man den zum CSD, wenn nicht um mitzulaufen? Was ist den sonst der Sinn der ganzen Sache dabei? Schließlich ist es immer noch eine Demonstration, wobei ich auf diese Definition noch später eingehen werde….

Wie auch immer, trotz so manchem leider verpassten Highlight (was ich erst hinterher rausgefunden habe) nahm der spätestens dann zu, als einer unserer Gruppe sich eines der schicken rosafarbenen Schilder schnappte und wir mit zwei Sprüchen nun durch die Gegend marschierten. Auf der einen Seite stand: Händeweg von meiner Seifenblase, auf der anderen Seite dagegen: Wir sind schwul und wollten mal Hallo sagen. Auch wenn es witzigerweise seine einzige homosexuelle Person unter uns gab, wurden wir plötzlich zu dem gaysten Priderudel, was es gab. Die Schamgrenze sank gewaltig. Unterwegs begegneten uns weitere Schilder und weitere grandiose Sprüche, meine Favoriten wären ja: Mann?, Frau? Fuck Off; Trump is the only dick that I can’t handle; Homophobia sucks, but I suck better; Statt Konfetti einfach mal den Locher werfen (Familienspezialität) und I would choose hell over a homophobic heaven.

Ich war übrigens gespannt, wenn ich dort alles aus meiner Vergangenheit antreffen würde. Überraschenderweise gab es keine Überraschungen, es gab niemanden den ich dort nicht vermutet hätte. Menschen sind teilweise so herrlich durchschaubar und obwohl wir viel Spaß hatten, leider viel zu früh gehen mussten und ich am Ende des Tages trotzdem tot müde ins Bett gefallen bin (es war nachmittags, ich gebe es gerne zu) sind mir doch irgendwie ein paar Sachen aufgefallen, die ich gerne anmerken würde.

Allen vor ran, natürlich der Horrorvorfall. Während des Umzugs hatte wohl ein Wagen Feuer gefangen. Genau genommen Wagen 8, der Queer-Refugee Support Wagen. Inwiefern dies nun in unserer derzeitig politischen Lage Zufall war, überlasse ich jedem selbst. Ich persönlich finde es äußerst bedenklich. Was ich jedoch noch bedenklicher finde ist, dass zu dem Zeitpunkt absolut kein Informationsfluss stattgefunden hat. Wir liefen hinter Wagen eins her und hatten absolut keine Ahnung, was hinter uns geschehen war. Wir bekamen zwar die Feuerwehr mit, die an uns vorbeisauste aber in einer Großstadt ist dies absolut nichts Ungewöhnliches. Irgendwann hielten wir an, für uns jedoch aus völlig unersichtlichen Gründen. Selbst Social Media schwieg erst einmal, erst eine Stunde später gab es, dann diverse Meldungen mit ein Wagen brennt, dann ein wenig später präzisierter Wagen 8 brennt, und erst nach weiteren Minuten der Wagen gehörte dem Queer Refugee Support. Überhaupt meldeten gerade mal ganze drei Tweets letzteres. Die Meldung, dass keiner ernsthaft verletzt worden ließ ebenfalls auf sich warten. Der Rest der Wagencrew, wurde schließlich auf die benachbarten Wagen verteilt werden. Immerhin dort ein Zeichen des Zusammenhalts innerhalb der Community. Es gibt übrigens immer noch keinen Bericht darüber, ob es nun Brandstiftung war oder nur ein Unfall. Absolut nichts, ihr dürft gerne in sämtlichen Medien nachschauen. So viel zum Thema, unsere Berichterstattung ist rein objektiv.

Des Weiteren gab es dieses Jahr wieder eine Vielzahl von Beschwerden. Im Vordergrund natürlich stets die Diskussion inwiefern der CSD immer noch eine Demonstration wäre. Denn seien wir ehrlich, es wird mittlerweile mehr gefeiert und ich kann verstehen, wenn Personen, die jeden Tag direkte Diskriminierung erfahren immer wieder die Mehrheit erinnert, dass der Ursprung des CSD ein Aufstand war. Absolut politisch, absolut nicht friedlich und eigentlich absolut nicht salonfähig. Spätestens meine Generation (selbst die Betroffenen) haben absolut keinen blassen Schimmer vom Aufstand im Stonewall Inn in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 in der Christopher Street. Feiern und Sichtbarkeit zeigen ist fein und sollte definitiv beibehalten werden, nur löst es die Diskriminierung im Alltag nicht auf. Niemand ist im Mai auf die Straße gegangen, um gegen die Reform des Transsexuellengesetztes zu demonstrieren und das hätte jeder tun müssen. Es war nämlich eine eindeutige Verschlimmbesserung, der jetzt eh schon nicht ganz rosigen Lage. Deutschland ist zwar auf dem Vormarsch gegen Anti-LGBTQIA+ Gruppierungen vorzugehen, von Pro-LGBTQIA+ sind wir aber ebenfalls noch meilenweit entfernt.

So war dieses Jahr das Thema des CSD Grundsätzlich gleich – für eine bessere Verfassung zumindest laut Website, denn mitbekommen hat man davon rein gar nichts. Gerade die öffentlich, rechtlichen Medien berichten weiterhin über ein drittes Geschlecht, welches übrigens gar nicht existiert. Was nämlich eigentlich gemeint ist, ist der dritte Geschlechtseintrag von mittlerweile vier möglichen. Die Repräsentation von Betroffenen sah ebenfalls absolut mau aus… Fragt nächstes Jahroder sogar noch dieses Jahr, denn die Pride Saison geht bis zum 28. September, wer genau von den Regenbogenbeflaggten Personen ganz genau weiß, was die dritte Option ist.

Ähnlich sieht es mit adäquater Aufklärung in Schulen aus. Die ist nämlich absolut nicht vorhanden, ja immer noch nicht. Leitende Personen stellen sich gerne quer, aus diversen Gründen. Man dürfe Kinder nicht zu früh sexualisieren (in der 6. Klasse), es beträfe ja nur Minderheiten (jedes zweite Schulkind ist statistisch gesehen nicht hetero) und mein Lieblingsargument es fehle an finanziellen Mitteln (es gibt so viele Organisationen, die Aufklärung mittlerweile ehrenamtlich betreiben). Das Thema Homosexualität wurde bei uns folgendermaßen abgehandelt: und dann gibt es noch Männer die lieben Männer und Frauen, die lieben Frauen und das ist völlig normal. Es gab noch eine sehr kurze HIV-Präventionssektion, aber die haben wir im Französischunterricht nicht im Biounterricht. Demnach hatte ich mehr Aufklärung en français, als ich es jemals im Sexualunterricht in Biologie hatte.

Was mich am meisten an dem ganzen Thema stört, ist vor allem der Fakt, dass sich die Community jeden Tag aufs neue selbst zerfleischt. Denn zusammen an einem Strang ziehen, um gleiche Rechte für alle zu erzielen scheint keine Stärke der Menschheit zu sein. Stattdessen wettert man gegen die eigenen Lanzleute und sucht nach Argumenten, weshalb jemand nicht richtig sei oder nicht queer genug. Stellt euch vor, man Menschen ihre Sexualität nicht an. Demnach verständlich weshalb die meisten betroffenen Menschen oftmals als gereizt wahrgenommen werden. Wenn sowohl die eigene Community, die einen eigentlich unterstützen sollte sondern an die Wand fährt wie es das nicht tolerante Umfeld tut, dann ist das höchst anstrengend, nervenaufreiben und macht auf Dauer krank in jeglicher Hinsicht.

2 Kommentare

  1. Klasse Bericht! Ich stimme Dir auch in allem zu. Mich stört diese Selbstzerstörung besonders. Selbst innerhalb einer Gruppe.
    Und Aufklärung kann ich auch nirgendwo entdecken. Es ist meiner Meinung nach nicht gewollt. Es ist eh nur eine Scheinakzeptanz. Man darf sich mal zeigen, am besten nur 1 x im Jahr…. es ist heuchlerisch.

    Gefällt 2 Personen

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