Blade Runner, ein inspiriertes Nachsinnen

Wenn man krank ist hat man sehr viel Zeit zum Nachdenken und meist noch sehr viel mehr Zeit um Fernsehen beziehungsweise YouTube zu schauen. Da trifft es sich besonders gut, wenn man wie aus dem nichts auf einen Typen trifft der unheimlich gerne, sehr ausführlich und verdammt eloquent Analysen bzw. „Ruminations“ von Filmen und besonders Videospielen veröffentlicht. Dank ihm hatte ich nun die Muße, den Leitfaden und überhaupt die formulierten Gedanken um diesen Artikel hier zu Stande zu bringen. Ich ziehe meinen Hut vor diesem Herren und wollte dies demnach hier nur mal so erwähnt haben wollen. 

Die grobe Handlung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

Blade Runner spielt in einer dystopischen Zukunft: Die Erde versinkt in Überbevölkerung, die Armut ist allgegenwärtig ebenso wie der undurchdringliche Smog. Die reale Flora und Fauna wie wir sie erkennen existiert nicht mehr. Sie war entbehrlich geworden und so wurde sie schlichtweg durch mechanische Äquivalente ersetzt und nicht nur sie. Dank Eldon Tyrell gibt es auch noch eine zweite Form des „menschlichen“ Seins, die Replikanten.

Replikanten sind irgendetwas zwischen Android und Mensch. Androiden sind humanoide Roboter wie beispielsweise C3PO aus dem Star Wars Universum. Eine Maschine, welche den Menschen sowohl im Verhalten als auch im Aussehen ähnelt. Dennoch sind Defizite vorhanden, denn so humanoid ein Roboter auch sein mag, er bleibt eben ein Roboter weshalb Gefühle oder überhaupt alles damit verwandte wegfällt. Was dagegen ein Mensch ist, spare ich mir an der Stelle nun zu erklären.

Wie oben schon erwähnt sind Replikanten etwas wesentlich feinsinnigeres. Sie wurden weder geboren noch haben sie einen wirklichen Alterungsprozess hinter sich. Sie wurden erschaffen, geformt sowie geprägt allein durch die Hand des Menschen bzw. Tyrells Angestellten.

Aussehen, Verhalten, Intelligenzpotential, grundsätzliche Charakterzüge, Ab- Zuneigungen sowie Motive all dies wird im Vorwege bestimmt und abgesprochen. Um den Slogan des Tyrell Unternehmens zu erfüllen „More human than human“ bleibt es jedoch nicht bei der bloßen Programmierung, es geht viel tiefer, viel perfider… Denn als Basis für das Innere oder die Identität eines Replikanten werden im künstliche Erinnerungen eingepflanzt. So wissen die Individuen meist selbst nicht, was sie sind. Weshalb wurden diese Wesen nun erschaffen? Nun, sie dienen der Gesellschaft, denn mit zunehmenden Dreck, Menschen, Armut fielen immer wieder Aufgaben an, die nie ein Mensch als Beruf bedienen wollte wie Soldat, Prostituierte, Farmer für Maden, Putzkräfte etc. Je nach Beruf wurden sie darauf programmiert. In Anbetracht dessen, dass diese Produkte vollkommen künstlicher Natur sind könnte man sie rein theoretisch so „Supermenschen“ machen und man hätte ausgesorgt. Genau da liegt das Problem, denn erstens hätte Tyrell nicht viel davon genau 500 Exemplare herzustellen und dann seine Firma zu schließen weil schlichtweg keine weiteren Replikanten mehr gebraucht werden, da diese 500 nun für die Ewigkeit weiter arbeiten. Zweitens, die Replikanten mit einer unglaublichen KI ausgestattet sind. So lernen sie aufgrund von Beobachtungen unglaublich schnell neue Dinge ähnlich wie Affen. Zwar mögen die künstlichen Erinnerungen nahe zu echt wirken, jedoch stößt selbst dort die Technik an ihre Grenzen, denn aufgrund der kurzen Daseinsdauer ohne Kindheit befindet sich das logische Denken auf der Höhe eines Erwachsenen, die Emotionen auf der eines Kleinkindes. Die Erinnerungen vermitteln lediglich die Basisgefühle: Freude, Angst oder Traurigkeit. Das macht ihre Gefühlslage teilweise recht instabil, denn alles was so viel komplexer ist als diese drei reinen Gefühle wird auf eines der drei herunter gebrochen.

All dies sind Gründe für Tyrell den Replikanten eine begrenzte Lebenszeit einzuprogrammieren. Vier Jahre, länger dürfen seine Wesen nicht unter den Lebenden weilen. Diese Zeit reicht natürlich kaum, um seine Identität voll zu erfassen. Geschweige denn zu lernen was Leben wirklich bedeutet. Sie sollen ja auch gar nicht erst auf den Geschmack kommen, sondern lediglich funktionieren. Trotz der Sicherungsmaßnahmen kam es vor 20 Jahren zu einem nicht näher beschriebenen Aufstand. Daraufhin wurde es sämtlichen Replikanten verboten auf der Erde zu leben oder je auf die Erde zurück zu kehren. Natürlich gibt es immer Rebellen, selbst unter Replikanten und so entstanden die Blade Runner. Auftragskiller, deren Profession es ist eben diese illegalen Besucher/ Bewohner zu beseitigen.

Einer dieser Blade Runner ist Rick Deckard. Dass die Arbeit nicht ungefährlich ist erlebt der Zuschauer am Anfang des Films. Denn einer Deckards Kollegen wird in seinem eigenen Büro erschoßen. Von einem der sechs Replikant, die sich zuvor von ihrer alten Kolonie losgesagt hatten und via Piraterie auf die Erde gekommen waren. Da sein Kollege nun menschliches Gemüse ist bekommt Deckard nun den Auftrag die sechs ausfindig zu machen. So viel zur Vorgeschichte und zur Handlung des Filmes….

Kommen wir zum Filmsetting:

Ist euch aufgefallen, dass es auf der Erde kein einziges Alien gibt was anders aussieht? Gut, nun könnte es für die ein ebenso geltendes Aufhalteverbot geben, jedoch weshalb wird das nie erwähnt? Überlegen wir weiter: Roy ist scheinbar ein ein ehemaliger Soldat. Diese Soldaten haben den Auftrag im Namen ihres jeweiligen Generals weitere Territorien für die Menschheit zu erlangen. Nur gegen wen kämpfen sie genau? Wenn keine Aliens existieren, wen töten sie? Betrachten wir die Gesellschaftsstruktur wird diese relativ schnell sehr klar. Replikanten, Bettler, Berufstätige und an der Spitze die wenigen Reichen. Wäre es nicht logisch wenn dieses Ständesystem auf den anderen Planeten nicht auch so funktioniert? Was wäre wenn die Reichen und Schönen nichts anderes zu tun hätten, als sich gegenseitig mit ihren gekauften Replikanten zu bekriegen? Statt Drohnen, nehmen sie nahezu echte Menschen. Macht doch gleich viel mehr Spaß und wer gewinnt hat am meisten Macht, Geld und Platz Ressourcen zu farmen.

Replikanten-Soldaten sind also dazu verdammt ihre eigene Art zu töten, vermutlich ohne dass sie es wirklich realisieren oder zumindest nicht sofort. Sie haben wie man es sieht nur oder immerhin vier Jahre Zeit es heraus zu finden. Wenn überhaupt.

Die Lichtsetzung verachte ich an dieser stelle ebenfalls nicht, jedoch dürft ihr euch auch so denken wie großartig dieses Meisterwerk ist. Gehen wir ein weiteres Thema an. Die Erzählart, Blade Runner kommt ohne jede Erzählhilfe aus. Kein Prolog, kein Textepos à la Star Was, keine Zwischensequenzen oder Begrenzungen des filmischen Raumes. Ridley Scott kreierte damals Szenen, die aneinander gereiht immer für sich stehen. Der ganze Film lässt einen zu denken beginnen. Deshalb ist es überhaupt möglich erst in diesen Film etwas hinein zu interpretieren, deshalb ist er so herrlich mehrdeutig und mehrschichtig. Selbst nach dem fünften Mal schauen entdeckt man jedes Mal ein neues Detail.

Wo wir gerade beim Thema der Mehrdeutigkeit sind, lasst uns doch einmal einige Motive des Filmes genauer Betrachten. Fangen wir mit den Augen an. Ich selbst habe das ganze Aufsehen gegenüber Augen nie ganz verstanden. Augen seien das Fenster zur Seele des Menschen, die Augenfarbe könne angeblich etwas über den jeweiligen Charakter aussagen etc. etc. etc. In dem Setting ergibt der ganze Hype endlich mal Sinn. Als erstes Beispiel könnte man hier den Voigt-Kampff-Test anführen. Er ist übrigens der Grund, weshalb Deckards Kollege am Anfang des Filmes überhaupt erschoßen wurde. Um Replikanten letztendlich als solche zu entlarven werden sie diesem Test unterzogen. Ihnen werden 20- 30 Fragen gestellt, welche ihr Gefühlszentrum aktivieren soll darüber hinaus werden gleichzeitig verschiedene Körperreaktionen gemessen wie Herzfrequenz oder eben die Bewegungen des Auges. Wir erinnern uns, Replikanten kennen lediglich die drei Grundgefühle. Diese Fragen des Void-Kampff-Tests sind allerdings sehr viel mehr komplexer und zwingen den Replikanten ständig sich auf ein Gefühl zu beschränken. Dieser Streß des Herunterbrechens wird eben gemessen. Ein emotionaler Drogentest quasi.

Als zweites Beispiel sehen wir uns doch einfach mal die Augen von Mr. Tyrell an. Ist euch aufgefallen, dass er seine gigantische Brille nie absetzt? Aufgrund der Linsenkrümmung ist sowohl seine Sicht auf die Welt verzerrt (für ihn ins sinnvolle) als auch die Perspektive des Gegenübers, da er durch die Krümmung hindurch sehen muss. Verzerrte Augen gleich verzerrte Seele, erklärt die Charakterzüge des Magnaten. Eiskalte Kalkulation, keine Schuldgefühle beim Herumspielen mit dem Leben anderer und wirtschaftliches Kalkül.

Nächstes Motiv. Es mag zwar etwas weit hergeholt sein, jedoch lasst mich erklären. In Blade Runner tauchen so einige Referenzen oder teilweise Parallelen zu Tierwelt auf. Fast jeder relevante Charakter in Blade Runner entspricht einem Tier. Es ergäbe sogar Sinn, denn vor allem als Replikant ist man nichts wert. Man ist Sklave des Systems, vogelfrei und eigentlich noch nicht einmal wirklich Herr seiner Sinne. Da ist es nur verständlich sich eine zweite Haut zuzulegen, mit der man sein Wertgefühl ein wenig aufbessern kann. Wie sollte es besser gehen, sich ein Tier zu suchen in einer Welt in der reale Tiere so selten geworden sind wie in unserer Welt außerirdisches Leben?

Fangen wir mit Sebastian an. Ein junger Mensch, welcher gewisser maßen von der Gesellschaft ausgeschloßen und letztendlich verstoßen wurde (lediglich Tyrell lädt ihn manchmal zu sich ein, um mit ihm Schach zu spielen). Seit langer Zeit lebt er im Verborgenen und baut sich seines hohen Intellekts selbst einfache Automaten, welche ihm in der Einsamkeit Gesellschaft leisten. Leise, missachtet, verborgen, intelligent und vor allem friedlich alles Eigenschaften einer Maus.

Gehen wir über zu Leon.

Schon am Anfang des Voigt-Kampf- Tests kann man Lions Skepsis bzw. Angst gerade zu sehen. Er ahnt was kommen könnte, jedoch weiß er es eben nicht einzuschätzen. Das Unbehagen wächst mit der Anzahl der gestellten Fragen, dann kommt der Moment in dem die Angst in Wut umschlägt und er zur Waffe greift und danach flieht. Leon ist ein Paradebeispiel eines Replikanten. Er wird verdächtig, ausfindig gemacht, enttarnt, kann aber fliehen wird von je her allerdings immer auf der Flucht bleiben müssen. Zudem ist er das perfekte emotionale Kleinkind, er wurde nie dazu programmiert besonders schnell dazu zu lernen. Seine Gefühlswelt bleibt deshalb stets auf den Grundgefühlen hängen und ist deshalb besonders leicht aus der Balance zu bringen. Eigentlich ein ziemlich unfaires Leben, bedenkt man das Leon meist mit sich und der Welt überfordert ist und eigentlich nur ein ruhiges und normales Leben führen will. Er hätte gerne einen Panzer als Rückzugsort, nur ist er eben leider keine Schildkröte.

Zhora

Sie besitzt zwar keine roten Haare, dafür aber eine Schlange und ich würde sagen eindeutiger kann man eine Analogie wohl nicht in Szene setzen. Wie Schlangen ist Zhora wohl eher eine Einzelgängerin, führt ein Leben im Verborgenen und legt ein ähnliches Verhalten an den Tag. Sie wittert wie Lion die Gefahr, welche von Deckard ausgeht nicht sofort doch sobald er sein Vorhaben zu erkennen gibt greift sie an. Man könnte sagen, die Schlange beißt zu. Sie lässt ebenso schnell wieder ab, denn im Gegensatz zu Leon bemerkt sie blitzschnell, dass sie nicht in der Position ist einen Blade Runner zu töten. Fight fällt aus weg, bleibt Flight und sie rennt. Wie sie rennt, versucht irgendwie ihr kleines bescheidenes Leben zu retten. Ohne Erfolg und das Erschreckende niemanden interessiert es. Ähnlich wie Lion, ein typisches Replikanten Ende. Viel mehr ein erneutes Symbol wie viel Leben in dieser Welt überhaupt bedeutet. Nämlich nichts.

Rachael

Rachael die Unschuldigkeit in Person, kurz um das Einhorn schlecht hin. Einzigartig, ein wenig scheu, aber man sollte sie niemals unterschätzen denn sie zögert definitiv nicht jemanden zu erschießen. So viel sei gesagt. Sie wäre wohl der einzige Replikantin die ein ähnlich emotionales sowie Intelligenzpotenzial wie Roy besitzt. Mit nur einem Unterschied, sie gehört zu einer weitaus neueren Baureihe (eine Art Experiment), ihre Lebenszeit ist somit nicht mehr auf vier Jahre determiniert sondern auf… keiner weiß es, selbst Tyrell nicht. Sie schon gleich gar nicht, denn wäre Deckard nicht gewesen hätte sie sich vermutlich in alle Ewigkeit für einen Menschen gehalten. Hätte, wäre, wenn letztendlich stellt sie fest das es eigentlich nicht wirklich einen Grund gibt für sie zu Leben. Sie ist ja nicht real, wurde erschaffen als Experiment und außer als Sekretärin ihr Dasein zu fristen gibt es nicht erstrebenswertes… Ein wenig fatalistisch, jedoch gut für Deckard und für sie.  Ob sich Rachael wirklich in Deckard verliebt oder ob es eher eine andere Art von Anziehung ist, bleibt für mich heute schwer einzuschätzen. Bezüglich Gaff, ich denke er wusste ganz genau was Rachael war. Dennoch hat er sie gehen lassen, wenn auch nicht ohne Warnung an Deckard. Weshalb? Ich denke er sah die zwei eher mehr als Experiment und war an dem Verlauf interessiert. Wie Forscher zwei Individuen einer Rasse oder verwandten Art zusammenbringen um ihr Verhalten und ihren Einfluss auf die Umwelt zu erfahren. Ein

einzigartiges Phänomen auf Erden vielleicht ist auch diese Art von Liebe zwischen Deckard und Rachael das Einhorn?

Pris

Pris der Waschbär, nicht umsonst trägt sie diese schwarze Bemalung über den Augen. Ähnlich wie die anderen Replikanten und der Waschbär wird sie von der Bevölkerung gemieden. Nicht ganz, ihr vorgesehener Beruf, entsprach dem einer Prostituierten. Erschaffen um mit jedem erdenklichen Wesen, dieser Welt jede Art von Sex zu haben. Der Lohn dafür entfällt meistens, wenn nicht entspräche es mehr einem Wunder. Besonders überraschend tut es den Zuschauer also nicht, weshalb sie sich Roy anschließt. Er war so ziemlich der Einzige, der sie schätzte und irgendwie auch liebte. Dabei betone ich das irgendwie bewusst, denn wie man im „Final Cut“ erkennt, versuchen Roy und sie miteinander zu schlafen. Nur wissen sie eben nicht wie, sie haben es nie gelernt, sie wissen nur dass man es macht. Besonders Roy scheint verzweifelt, Pris begnügt sich damit ihn zu trösten und sie wischt ihm eine Träne aus dem Auge. Ihr wisst was ein weinender Replikant bedeutet oder? Aber dazu komme ich später… Denn weit aus gemeiner ist der Umstand, dass diese eine Szene kurz vor dem Eintreffen Deckards statt findet. Stellt euch vor ihr leidet eurer ganzes kurzes Leben, werdet wie Dreck behandelt, habt weder Bezugspersonen noch irgendwie so etwas wie freunde und wenn ihr eure wahren Gefühle entdeckt und merkt, dass ihr jemandem tatsächlich bedeutet dann müsst ihr sterben. Ihr Todeskampf war meines Empfinden noch schlimmer, als der von Roy. Natürlich will sie nicht erschoßen werden, wer würde dass den gerne wenn er gerade die Bedeutung oder den Sinn des Lebens gefunden hat ohne ihn wirklich gelebt zu haben?!

Rick Deckard

Zu aller erst: Deckerd ist für mich ein Mensch. Punkt. Aus Basta. Seine Gefühle sind eindeutig zu differenziert: Trauer, Ekel, Schuldgefühle, Zynismus all dies sind menschliche Regungen und weit aus komplexer als das, was ein Replikant jemals in vier Jahren entwickelt haben könnte. Zumal wenn er ein Replikant wäre, weshalb gestaltete Tyrell ihn nicht einfach wie Roy oder Detektive K.? Die Arbeit wäre so viel einfacher. Zumal Deckard ist einer dieser wirklich intelligenten Menschlich. ihr wisst schon diese Menschen, die genau wissen wie grausam die Welt ist. Die alle Zusammenhänge, Verbindungen oder auch nur die kleinsten Anzeichen dafür bemerken und im Gedächtnis behalten. Zumindest würde das seine Liebe zum Alkohol erklären und die Gabe jeden anhand von den kleinsten Beweisen ausfindig zu machen. Gleichzeitig hat er genug moralisches Verständnis um über diese Zustände und die Gesellschaft angewidert zu sein. Vor allem über sein Verhalten, denn er ist zu ängstlich/ bequem um etwas an seinem Verhalten zu verändern. Denn was sollte er schon ändern? Was könnte er als Einzelner ändern? Richtig, außer dass er erschoßen würde gar nichts. So rechtfertigt er sich gegenüber seinem moralischem Denken und seiner Intelligenz. Unter uns, es gibt fast nichts menschlicheres als dieses Paradoxon. Wissen was schlecht ist und es trotzdem weiter zu machen. Vielleicht einer der Gründe, weshalb Deckard schließlich flieht. Denn am Ende seines schon zynischen Lebens, stirbt jemand für ihn der ihn zuvor Rettet da es dass einzige menschliche war was er noch tun konnte. Wer würde dort nicht völlig verbittern? Demnach eine animalisches Pendant habe ich nicht gefunden. Nehmen wir einfach ein Huhn in Käfighaltung, was sich am Ende selbst erlöst.

Roy Batty

Ich habe bis heute das Gefühl, dass dieser Film eigentlich nur um Deckard und Roy geht. Der gesamte Film schreit gerade zu nach einer Sozialstudie diesbezüglich dem Verhalten von verschiedenen humanoiden Wesen in der Gesellschaft. Tyrells Slogan More human than human, feiert anhand von Roy seine Grausamkeit. Hier eine kurze Erklärung weshalb:

Sehen wir uns als erstes Roys Hintergund an, erschaffen wurde er aus nur einem Grund. Er sollte töten, alles und jeden. Als Supersoldat wurde er mit allem ausgestattet was man so zum Überleben auf fremden Welten und im Orbit braucht. Zähigkeit, eine hervorragende Konstitution, Kreativität und Intelligenz. Nur führte die Intelligenz innerhalb der Jahre zu relativ viel Selbstreflexionsvermögen weshalb Roy irgendwann ähnlich da steht wie Deckard. Er beginnt zu begreifen, dass seine Tätigkeit sinnlos ist. Er lernt sich und die Welt zu hinterfragen, was letztendlich zu seiner Flucht durch Universum zur Erde führt. Ähnlich wie Rachael realisiert er dass sein Leben unter dem Strich nichts wert ist, somit ist sein Leben sinnlos. Hier greift das Menschsein, denn er will nicht, dass sein Leben sinnlos ist. Er will ihn finden und in Pris findet er ihn. Deshalb will er zu Tyrell. Er will weder aus Machtgier einlängeres Leben noch aus Geldgier, er will endlich Leben erfahren. Eine Identität haben, fernab von töten und getötet werden.

Selbst als er von Tyrell abgeschmettert wird und ihn tötet leidet er. Er weiß, dass es eigentlich falsch ist, er weiß, das er in sei altes Muster zurückfällt, er schämt sich, aber irgendwie kann er auch nicht anders. Denn er bekommt kein längeres Leben, seine Identität bleibt endlich und er wird in seinen Augen das wirkliche Leben nie erfahren können. Ein Replikant leidet, bzw er leidet wieder denn das tat er ja schon bei Pris. Ich würde mal sagen Willkommen im Geiste eines Menschen Roy!

Um das Ganze nochmal formal in Stein zu meißeln. Es gibt diese eine Szene in der Roy zusammen mit Leon in der Fertigungshalle der Replikantenaugen stehen. Roy zitiert vielmehr miszitiert er William Blake, denn statt des originalen Verses: Fiery the angels rise; deep thunder rolled around their shores; burning with the fires of Orc macht Roy daraus: Fiery the angels fell; deep thunder rolled around their shores; burning with the fires of Orc.

Er identifiziert sich mit den gefallenen Engeln. Er kämpft gegen seinen Gott, seinen Vater, seinen Erschaffer und dessen System an. Ich könnte mich jetzt weit aus dem Fenster lehnen, aber ich finde das Pendant „Wolf“ würde ganz gut passen. Ein Wolf der sein Rudel fand, führte, schließlich verlor und als einsamer Wolf endete. Stark, wild dennoch irgendwie gesellig.

Eldon Tyrell

Tyrell ist ein Magnat aus dem Bilderbuche. Wobei ganz gleichgültig gegenüber allem ist er trotzdem nicht. Er behandelt Roy zumindest nicht wie ein Produkt sondern wie die Luxusversion eines solchen. Ein Meisterwerk, oder viel mehr sein eigenes Lebenswerk. Schwierig wenn daseigene Lebenswerk sich mittlerweile wie ein Mensch verhält und sich mittlerweile wie ein Mensch fühlt, man das selbst aber nicht wirklich sieht. More human than human, aber bitte immer noch in den Rahmen, welche Tyrell selbst sehen möchte. Da wundert es niemanden mehr, wenn Roy Tyrells Augen auskratzt. Augen sind eben das Fenster zur Seele, Tyrell hatte zwar nie wirklich eine aber nun ist es endgültig.

Alles hat ein Ende

Kommen wir zum Ende (durchhalten, jetzt wird es noch mal richtig philosophisch zumindest für meine Verhältnisse). Roy jagd Deckard, Deckard jagt Roy. Beide wissen, dass sie eigentlich nichts mehr zu verlieren haben außer ihr Leben. Deckard will seinen Job erledigen, Roy sich für all die Ungerechtigkeit rächen, welche der Blade Runner und die Gesellschaft ihm zugefügt hat.

Schließlich hat Roy seinen Gegenüber soweit, dass dieser nur noch mit einer Hand an einem Stahlträger hängt unter ihm der Abgrund von mehreren Stockwerken. Dann steht dort Batty halbtot und kommt wieder an einen Punkt der Reflexion: Quite an experience to live in fear, isn’t it? That’s what it is to be a slave. Deckard erfährt gerade am eigenen Leib, was er schon die ganze Zeit im Innersten, was es heißt in Angst zu leben, sterben zu müssen und nichts dagegen tun zu können. Gejagt zu werden, nur wegen des Umstandes dass man anfängt zu Leben. Dennoch die Wahl bleibt retten oder nicht retten, das ist hier die Frage. Hier gibt es nun viele mögliche Bewegründe, weshalb Roy Deckard rettet. Zum einen könnte des das Motiv des Menschseins sein. Edel, sich der emotionalen Verantwortung bewusst, sich über seine Rachegefühle hinweg setzen und den Hass begraben um den Feind zu retten. Oder eben das Gegenteil tun, von dem was das System von ihm erwartet hätte. Das System hätte Deckards Tod erwartet. Roy ist nun aber frei und kein Soldat mehr sondern mehr „human than human“. Die dritte Möglichkeit, dass es einen Beweis für sein einstige Existenz will (proof-of-existence), denn in einer solchen Welt in der man nichts wert ist, ist es schwer erinnert zu werden. So rettet er Deckard nur, weil er der Einzige gewesen wäre der ihn hätte retten können weshalb er existiert haben muss. Ansonsten wäre der Blade Runner in den Abgrund gefallen.

I’ve seen things you people wouldn’t believe. Attack ships on fire off the shoulder of Orion. I watched C-beams glitter in the dark near the Tannhauser gate. All those moments will be lost in time… like tears in rain… Time to die.

Batty stirbt und mit ihm all die Momente, Erinnerungen an sagenhafte Bilder. Sie werden nichtig, überflüssig wie eben Tränen im Regnen. Denn jede Träne im Regen unabhängig, fällt allein im Ganzen ohne jemanden herum. Wenn sie fehlen würde oder eine andere, es würde nicht auffallen. Es wären immer genug andere da, um den Platz zu füllen. Er sowie Deckard, Pris, Rachael, Gaff, Tyrell, Sebastian, Leon und all die Anderen sind letztendlich als Individuum egal.

Womit wir eigentlich an dem zentralen Punkt des Filmes angelangt wären, denn die Message die dieser Film transportiert lautet viel mehr: Kein einiges Individuum zählt. Wir werden/ sind letztendlich alle verloren wie Tränen im Regen. Am Ende des Filmes wird keiner der Tode sonderlich Einfluss haben. Selbst Tyrell würde ersetzt, sicherlich für seine Familie würde trauern aber die Gesellschaft oder die Firma würde sich nicht darum scheren. Diese Welt ist und bleibt unmenschlich.

Gaff fasst das hervorragend zusammen: It’s too bad she won’t live! But then again, who does?

Wer nach diesem Beitrag immer noch behauptet nicht zu wissen, weshalb Blade Runner so genial ist denn versenke ich im nächsten Schokopudding. Nein, natürlich nicht aber ihr versteht nun zumindest aus meiner Sichtweise heraus weshalb Blade Runner so genial ist. Er spielt mit damalige Brennpunkte in der Gesellschaft und führt sie weiter fort bis quasi unsrige heute Welt, der die dort dargestellt wird gar nicht mehr so unähnlich ist. Letztendlich kann man heute kaum noch einzel Personen im Systemverantwortlich sind. Wie Beispielsweise bei großen Organisationen, Unternehmen oder Regierungen. Alles versickert irgendwo hin, genauso dass kein Keim des Übels nicht nur von einem Menschen gestreut wir. der film ist so erschreckend wie war und deshalb sollten wir alle miteinander ganz schnell in uns gehen und schauen, ob wir eine solche Zukunft wirklich wollen. Denn ich bin mir nicht sicher wohin unsere reise geht. ich weiß nur, dass viele menschen in seinem solchen Setting nicht leben wollen würden.

15 Kommentare

      1. gute Frage … würd sagen ja, auch in der Idee (Shelly s Frankenstein und ET. A. Hofmann Ophelia … Golem … sind so Grundinger) Das ganze dünkt mir prometheisch (Prometheus) und noch etwas anderes würde sagen, hybridisch

        Gefällt 2 Personen

      2. Ich persönlich habe die Androiden eher unter Hybriden abgespeichert. Leider wissen wir ja nichts genaues über den „Herstellungsprozess“. Wie viel biologischer und mechanischer Anteil in ihnen liegt, werden wir wohl nicht erfahren.

        Okay ich kenne die Prometheussage, aber denkst du Tyrell ist Prometheus und die Androiden das Feuer?Denn ich krieg die Parallele leider gerade gar nicht

        Gefällt 1 Person

      3. Bio-mechanoiden, nennt Giger seine Kreationen, das kommt gut hin. Eine solche Maschine hat ja nicht nur festes an sich, sie hat ach Flüssigkeiten und Kristalle (Lithium z.B.) … Vom mythischen Archetyp des Prometheus sind m. E. alle Erfinder und Forscher getrieben, die Gott bezw. die Schöpfung nachbauen wollen. Victor Frankenstein bis Faust und so weiter … auch Künstler. Bei Ken Wilber greift das in jenem, was er das Atman-Projekt nennt. Dies ist der Treibstoff, nämlich Eros, der zieht voran und gleichzeitig ziehen die Kräfte des Unteren nach unten … der Mensch ist dazwischen … zwar kein Tier mehr aber auch noch kein Gott, auch wenn es Kybernetiker gibt (wieder Atman und Prometheus) die ihn nachbauen wollen. Schon lange. Nun ich denke, in jedem Streben steckt schon in der Kausa das Telos. Ich gehe da mit Platon und Plotin, das der Mensch durch Erinnerung an seine Göttlichkeit zur Vollendung seiner Invo-Evolution kommt. (Anamnesis (auch Anamnese, griechisch ἀνάμνησις anámnēsis „Erinnerung“) ist ein zentrales Konzept in Platons Erkenntnistheorie und Seelenlehre, dem zufolge alles Wissen in der unsterblichen Seele immer schon vorhanden ist, aber bei der Geburt vergessen wird.)

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