Wie der Morgen so anfing, weiß ich gar nicht mehr. Vermutlich muss ich über irgendetwas gestolpert sein, denn am Nachmittag entdeckte ich einen großen noch recht frisch aussenden blauen Fleck am Schienenbein… Ach ja und es muss früh gewesen sein früher als sonst, denn das war der einzige Tag an dem ich mal nicht morgens einkaufen musste, weshalb ich noch vor acht Uhr auf klamm heimlichen Sohlen die Wohnung verließ. Nennt mich den pinken Panther. Genauso schlich ich von Schatten zu Schatten die Hauptstraße entlang, denn bereits jetzt war es brütend warm. Die Gassen selbst waren gelinde beschrieben menschenleer, die Sonne war ging gerade auf und außer ein Paar schulpflichtige Kinder mit Ranzen kam mir keine menschliche Seele entgegen als ich in die große Einkaufsstraße abbog statt dessen jede Menge Tauben, Raben und die ein oder andere Maus im Gebüsch. Nichts zu vergessen die Möven, die es sich bereits über dem Vordach der Bäckerei bequem gemacht hatten, um auf die ahnungslosen Kunden hinunter zu schnellen und ihnen die Wurst oder Frikadelle von der morgendlichen Stulle zu stibitzen. Quittiert von ihrem lautem Geschrei, was sich viel mehr nach dem Geschrei von gerade abgestochen werdenden Kindern anhörte bog ich in die Nebengassen ab. Heute stand mal wieder eine Richtung auf der Speisekarte und statt sich für rechts oder links zu entscheiden blieb ich bei immerzu gerade aus.
Mit recht großem Erfolg wie ich später feststellen durfte, einen vernünftigen Stadtplan besaß ich übrigens immer noch nicht dafür eine gebündelte Portion Naivität, dass das alles schon irgendwie klappen würde.
Also auf ging’s durch die Gassen und hinein ins Abenteuer… Oder was eben an sehr schmalen sowie sehr langen Gassen abenteuerlich sein sollte. Das zuvor vernommene Möwengeschrei wurde abgelöst von dem Piepen des rückwärts ausparkenden riesen 18 Tonners einer Prager Wäscherei. Das daneben liegende schnuckelig aussehende Hotel sah dagegen winzig aus… Wie gern hätte ich dort ein Zimmer gehabt, wobei dann hatte ich Mr. Roquefort eintauschen müssen und ich bin mir sicher das Hotezimmer garantier keine so charismatischen Pseudo-Schimmel-Flecken besaß. Die, die ich kennen lernen durfte waren alles sehr anstrengende Aristokraten gewesen… Neben dem Buchladen befand sich übrigens ein gerade öffnender Buchladen bestehend aus vermutlich viel erlesener tschechischer Literatur. Genau beurteilen kann ich das dank Sprachbarriere leider nicht, doch die Einbände waren allesamt schlicht, die Autorenportraits sehr ernst drein Blickend und sämtliche Titel in schwarzer Times New Roman geprägt. Selbst der Besitzer sah aus wie Merlin der Magier höchspersönlich mit seinem spitzen Vollbart, Mönchstonsur und Nickelbrille. Im Gegensatz zu Merlin, hatte er allerdings keinen Humor, denn außer mich böse anzustarren als ich durch die Reihen schlich konnte er wohl nichts, weshalb es fluchs wieder hinaus in die Sonne und in die nun aufsteigende Hitze ging. Einen unverzeihlichen Fluch aufgebrummt zu bekommen war das letzte was ich heute wollte.
Weiter die Straßen hinunter marschiert, natürlich immer mit Homewardbound auf den Ohren und brav Hänschen- Klein- Ging- Allein summend bemerkte ich nach einem dritten Schaufenster, dass mir der Mann der vor dem Hotel eine Raucherpause unternommen hatte mir immer noch folgte. Richtig panisch wurde ich nicht, aber zumindest aufmerksamer und skeptischer. Mein Schritttempo erhöhte ich zwar nicht, dafür bog ich dreimal um verschiedene Ecken und sah zu dass ich auf die nächst beste, größere Straße traf. Fehlanzeige und der Typ folgte mir immer noch. Verdammt… Mein Handy hatte ich zwar dabei, aber morgens panisch seine Klassenkameraden anzurufen um ihnen mitzuteilen man glaubte verfolgt zu werden und zwar von einem sehr breiten, sehr großen, sehr mies aussehenden Glatzkopf würde die Stimmung nicht gerade anheben. Zumal was nütze ihnen diese Information wenn ich keinen blassen Schimmer hatte wo ich mich genau befand? Also, was tun? Ich fing ernsthaft an mir zu auszurechnen wie viel Kraft ich aufbringen müsste um ihn mit meinen Kopfhörern zu erdrosseln. Denn dabei sicherlich entstehenden Kabelbruch wollte ich allerdings nicht riskieren, dafür waren sie mir zu schade. Ich könnte ihm meine Tragetasche um die Ohren schlagen, aber bezweifelte ich dass mein Skizzenbuch ihm Probleme bereiten würde so schwer war es nun auch nicht. Hatte ich denn überhaupt nichts spitzes dabei? Moment, was war denn mit dem schicken Haustürschlüssel? Spitz, lang und recht zackig… Wäre doch ein super Ablenkungsmanöver so einen kleinen Widerhaken in der Niere stecken zu haben. Beruhigt ging ich weiter meines Weges, diesmal weniger nervös. Erstaunt musste ich schließlich feststellen, dass mein Verfolger wohl das Interesse verloren hatte oder nie gehabt hatte denn bevor ich erneut um eine Ecke bog sah ich ihn gerade noch in ein Café verschwand. Ich dagegen nutzte die Gunst der Stunde, um mir selbst Beine zu machen und nach einem morgendlichen Sprint hatte ich zwar endgültig keinen Schimmer mehr wo ich mich befand, dafür tat sich vor mir ein kolossales Schaufensters einen Fachgeschäftes für Maluntensilien auf.
Leider war der Laden noch verschlossen, vielleicht war es auch besser so denn ich überlegte erneut wie es mir gelingen könnte einige Schönheiten über die Grenze zu schmuggeln und ja wir waren kontrolliert worden…
So stand ich einfach nur geistig sabbernd vor dem Glas und starrte wie gebannt auch die sich mir präsentierende Ware. Würdelos, aber ich bin mir sicher dass selbst Michelangelo damals entzückt gewesen sein gewesen sein muss wenn ihm jemand reinstes Purpur kredenzt hätte. Enttäuscht aber zumindest mit mehreren Fotos zog ich irgendwann von dannen. Diesen Laden noch einmal wieder zu finden würde unmöglich, irgendwie erinnerte mich seine Atmosphäre an Mr. Magoriums Wunderladen, ob es so etwas wirklich geben konnte?
Als ob ich nicht schon genug gepeinigt gewesen wäre, stieß ich auch noch auf dieses Schaufenster. Heute zeigte sich die Stadt von ihrer besten Seite, herausgeputzt ließ sie mich auf ihren Irrwegen tanzen, denn selbst jetzt hatte ich keine Ahnung wo ich war. Genug Zeit blieb dennoch und so ging die Reise weiter…
Es folgten hübsche Schaufenster, an Schaufenster, im Sonnenlicht leuchtende Fassaden und dann erschien das hier vor meiner Nase:
Woher kam denn dass? In meinen ganzen vier Tagen hatte ich weder die deutsche Sprache vernommen noch jemanden lächeln sehen. Weshalb also dieses Schild… Die Frage sollte sich wohl nie aufklären, denn als ich die Klinke des Kirchentores hinunter drückte geschah nichts… Wieder zog ich weiter, mehr als die äußere Hülle von Dingen war heute wohl nicht drinnen. Wie war das noch? Gotteshaus steht jedem und zu jeder Zeit offen? Wobei ein tatsächliches Kirchenasyl ist im alten Testament nicht verzeichnet, lediglich eine Schilderung von diversen Fluchten zu heiligen Stätten, wobei man dort aus Gottesfurcht der anderen Menschen sicher war. Aber betreten und ermorden hätte man dennoch gedurft.
Später veranlasste dieses Verhalten diverse Kleriker dies als Heiligtum-Asyl zu interpretieren. Für die Entwicklung des späteren Kirchenasyls waren die alten Griechen verantwortlich. Damals flohen die Hiketiden (allg. altgriechischer Begriff für Schutzflehende) zu heiligen Orten, um dort sicher vor ihren Feinden zu sein. Später wurde diese Regelung auch auf Kirchen innerhalb des Römischen Reiches ausgeweitet. Letztlich wurde erst 399 n. Chr unter den Kaisern Arcadius und Honorius in Karthago ein gesetzliches Verbot der Verletzung des kirchlichen Asyls erlassen. Unter Kaiser Theodsios II. (Herrscher über das oströmische Riech) stieg der Einfluss des Kirchenasyls immens, 782 n. Chr erließ Karl der Große schließlich den unterworfenen Sachsen Kirchenasyl. Bis ins 14 Jhr. gewann die etablierte Schutzregelung immer mehr an Einfluss, ebenso wurde das Schutzgebiet um die Kirche selbst ausgeweitet.
Irgendwann wurde das Asylrecht mehr als Behinderung der staatlichen Rechtspflege wahrgenommen, als tatsächliche Hilfe weshalb es bis zum 19. Jahr größtenteils wieder aufgehoben wurde. Allerdings wurde es erst 1983 aus dem Kodex der römisch-katholischen Kirche herausgestrichen.
In der evangelischen Kirche wurde Asylrecht übrigens nie als Gestz definiert, man half lediglich aus purer nächsten Liebe.
1993 beschloss der Bundestag sowie der Bundesrat schließlich einen Kompromiss
das Grundgesetz auf Asyl war nun an keinen Ort mehr gebunden. Ergo, Flüchtlinge können sowohl in einem Privathaushalt, in einer Kirche oder einem Camp Asyl suchen. Es gelten überall sie gleichen juristischen Gesetzt…
So gibt es heutzutage ein öffentliches, stilles und geheimes Kirchenasyl. Das offene wird in Zusammenarbeit mit der jeweiligen geistlichen Einrichtung und der Medien unterstützt und bekannt geben. Im Gegensatz zu einem stillen Asyl, bei dem die Medien nicht in Kenntnis gesetzt werden. Die staatlichen Behörden müssen dennoch kontaktiert werden. Die geheimen Kirchenasyle bilden dabei die Ausnahme, bei ihnen wird keine höhere Institution informiert, allerdings laufen diese Fälle unter vorübergehende Aufnahme.
So hätten wir den Bildungspart auch in diesem Beitrag abgehackt, mir soll keiner sagen ihr würdet bei mir oder zumindest bei der lieben Wiki nichts lernen…
Wo war ich eigentlich stehen geblieben? Ach ja, vor der Kirche.
Immer noch beleidigt lief ich um weitere drei Häuserblocks und stand auf einmal wieder in der großen Einkaufsstraße der Stadt. Halleluja, das zu Hause war in greifbarerer Nähe und ich würde sogar noch außerordentlich pünktlich sein. Herrlich… Irgendwie mochte ich kleine Städte. Sich zu verirren war wohl irgendwie doch schwieriger als gedacht. Alle Wege führen nach Hause.
Fast wäre ich auch pünktlich gewesen, nur dann entdeckte ich diesen mysteriösen Eingang. Ein uraltes herunter gekommenes weißen Einkaufszentrum dessen Stufen ins Untergeschoß führten. Das schrie gerade danach entdeckt werden zu wollen, als bestätigung öffnete sich gerade einer der Türen und mir schlug kühle Luft entegen. Die hatten dort drinnen Klimanlagen! Das war das ausschlaggebende Argument. So schnell ich konnte hüpfte ich die Treppen hinunter und stürzt in den Untergrund. Erstens, verdammt war das kalt! 20° Temperaturunterschied bemerkten selbst meine Härchen. Zweitens, das Prinzip der Tardis traf eindeutig auf diesen Komplex zu: „It’s Bigger On the Inside“! Vor mir eröffnete sich mir ein Shoppingparadies getarnt als Bunker. Von diversen Schmuckläden gleich mehrere, eingepfercht von abermals mehrmals vertretenen Banken, Restaurants sowie… ein deutscher Supermarkt? In Prag, daneben die österreichische Version. Interessant, die beiden Exoten ignorierend ging es erst einmal den Gang weiter hinunter. Ich wurde nicht enttäuscht…
Wirklich überzeugt hat mich die Untergrundpassage dennoch nicht… Trotz der Geschichte Marc-Uwe-Klings, der meinte zu beobachten dass in Untergrundeinkaufszentren ganz allmählich die Rolltreppen oder Ausgänge verschwänden und dann die Falle zuschnappte. Also nichts wie raus hier und a nach Hause… Dort angekommen erwarte mich weder etwas, noch jemand… Außer höllischer Lärm und brennende Fröhlichkeit…
Mit ebenso brennendem Enthusiasmus ging es dann im Kollektiv zum Kafka Museum… Den Berg immer weiter hinauf, vorbei an der Karlsbrücke, vorbei am Aufstieg zum Hradschin und immer weiter gen jüdisches Viertel. Auf dem Weg dorthin stießen wir auf das gelobte Land: Starbucks. Da gut 90% gerade dabei waren über den Jordan zu schreiten aufgrund mangelnder Hydration durften die anderen 10% nochmals in der Sonne verweilen. Weshalb man eine gute Halbe Stunde braucht um sich ein Getränk zu bestellen konnte ich leider nicht herausfinden. Der restliche Weg verschwimmt übrigens erinnerungstechnisch in der gleißenden Mittagssonne. Das Einzige, was ich so halb mitbekam was das Passieren eines gelb- grün gestrichenen Restaurants. Öko war das einzige Wort was ich verstand, was hätte ich in dem Moment für frisches Gemüse geben was mal nicht einfach nur roh war…
Irgendwann gelangten wir in das Viertel der Herget Ziegelbrennerei, Kafka Museum wir kommen. Direkt am Moldauufer gelegen gab es dank fehlender Uferbefestigung keinen einzigen Baum. Nur das Museumsgebäude bat gerade so genügend Schatten, selbst der typische Kafka Brunnen mit den zwei nackten Männern und ihrem jeweiligen Glied aus welches wasserspritz wenn man den bewegungsmelder passierte erspare ich euch… die Jugend hatte zwar Spaß, aber Schatten wird definitiv unterschätzt und so flüchtete ich so ziemlich als Erste in das kühle Museum sei es auch nur um das gänzlich Finstere auf zu suchen.
Zumindest fand ich den Weg zurück zur Gruppe, die mittlerweile nicht nur alle im Besitz eines Tickets waren sondern sich gerade Frisch-machen gehen wollten. Beschrieben lief das Ganze so ab: die Ersten Begeisterten Museumsgänger tauchten in die Dunkelheit hinab und als wir wiederkamen begannen die letzen erst mit dem Rundgang… Bzw. sie rannten vermutlich hindurch, denn schließlich wollten wir im Zeitplan bleiben und auf der Toilette führt man vermutlich interessantere Gespräche als im Museum.
Nun hat es sich dennoch gelohnt?
Wer sich für den Herrn Franz Kafka interessiert, der wird hier seine wahre Freude haben. Die Ausstellungsstücke sind ein Sammelsurium an Briefen, Notizen, Fotos, Zeichnungen, Skripte und noch vieles mehr. Wer in der Lage ist ohne irgendwelche Hilfsmittel Kafkas Handschrift zu entziffern, der wird noch viel mehr Spaß haben. Für mich war es mehr ein lustiges Kobinatorikspielchen den jeweiligen Inhalt der Texte zu erahnen aufgrund von bestimmten, zufällig entzifferten Wortkombinationen. Ein Spaß für die gesamte Familie. Was das Sammlerherz angeht, ich vermute dass alles Ausgestellte tatsächlich Originale sind und keine Fälschungsexponate denn so stock duster wie es dort drinnen ist könnte man das Ganze auch für eine Geisterbahn halten.
Ein klitzekleines Problem für alle Menschen, die des Deutschen nicht mächtig sind: Es fehlen teilweise Übersetzungen. Beziehungsweise sie fehlen fast überall, nur besonders wichtige Werke wurden ins Englische grob konstruiert. Mein Verdacht ist ja, dass die wenigsten Übersetzer Kafkas Handschrift lesen konnten und es nur deshalb so wenige Texthilfen gibt. Was allerdings wunderbar Funktioniert, ist das vermitteln Kafkas Charakter. Wer hier mit wenigen Grundlagen hineingeht kommt mit einen reichen Wissen heraus. Am Anfang so dachte ich Kafka sei lediglich selbstkritisch gewesen und hätte einen kleinen Minderwertigkeitskomplex gehabt am Ende sah mein Bild eher so aus: Ein Genie, dessen Tassen schon seit Jahrzehnten zu Staub zermahlen worden sind…. Wer mir nicht glauben will, der kann sich Mitte sein Liebesleben zu Gemüte führen. Ich erwähne an dieser Stelle gerne Felice Bauers und Milena Jesenská.
Während wir auf die restlichen Museumsdurchsprinter warten mussten malte ich mir bereits ein Drama á la Othello aus. In den Hauptrollen Franz Kafka allein als Jago, Othello sowie Rodrigo und die damalige Gesellschaft oder das System könnte wunderbar Vater Brabantio tragen… Nur Desdemona scheiterte die Interpretation. Kafka hatte nie Frauen ermordet, geschweige denn bewusst verletzt. Einzig Dora und Milena begleiteten ihm im Alter, sterben taten sie alle nah ihm. Über das Besetzungsproblem und weitere Interpretationsmöglichkeiten nachsinnend schlug ich mich immer weiter das Ufer hinunter bis ich zumindest ein Paar Orangen oder Zitronenbäumchen fand, welche tapfer der Sonne Einhalt gebarten. Nach und nach trudelten dann endlich die Anderen ein. Mit oder ohne Eis war egal, sobald der letzte in Sichtweite kam ging es auch schon weiter in Richtung… Ja wohin eigentlich? Ich wusste in dem Moment nur, dass ich gerne eine ganze Badewanne mit Eiswürfeln gehabt hätte zum Reinlegen.
Die nun immer näher kommende John- Lennon- Mauer revidierte zumindest mein stilles Gejammer und selbst die Kunstbanausen unter uns fanden die Farbenfröhlichkeit und die Grafittis gar nicht mal so schlecht. Kurz um die Teenager waren angetan.
Was ich mir gewünscht hätte, wäre vielleicht noch eine Erklärung gewesen warum hier in Prag eine John Lennon Mauer steht, obwohl John Lennon US- Staatsbürger war und ebenso in New York City begraben wurde wie John Crawford und Malcolm X… Also was macht ein US- Staatsbürger in der ehemaligen Sowjetunion?
Den historisch brisanten Kontext verdanken wir einem Unbekannten, der kurz nach dem Tod Lennons eine gewisse Steintafel unter irgendeinem Wasserhahn an der Mauer, errichtet haben soll. Inklusive Foto und Kerzen! Wie es anders sein soll wurden nicht nur die Kerzen immer mehr, nein auch griff hier das Schulklophänomen. Einer schmiert etwas an die Wand und wenig später wurde aus einer Kritzelei tausende. So bestanden die meisten Kritzeleien aus Zitaten von John, welche Friedefreude Eierkuchen priesen und noch viel mehr utopisches wie beispielsweise Parolen gegen totalitäre Regierungen etc. Heute ist die Mauer mehr ein Symbol für Friede Freude Eierkuchen, denn in Deutschland herrscht die Demokratie ebenso in Tschechien da hat man nicht mehr viel zu rebellieren…
Es sei denn man hat einen Stift dabei und so steht nun in meinem Einvernehmen ein weiterer Pseudo-Stay-Strong-Freedom Spruch zwischen farbenfrohen Bildchen.
Zu meiner großen Freude kam Mrs. Sunshine natürlich auch noch die geniale Idee ein Gruppenfoto auszunehmen… Mein Versuch sich klammheimlich aus dem Bild zu schieben (Ich hatte den Kotflügel eines Kangoo-Transporters im Blick) wurde von einem wildfremden übereifrigen Touristen vereitelt, der unserem Lehrer die Kamera aus der Hand riss und bestand dass wir alle auf dem Foto zu sehen seien.
Man sieht mir allerdings an wie wenig begeistert ich war…
Wenig später irrten wir weiter durchs jüdische Viertel. Vorbei an Villen, Synagogen, Jugendstil Gebäuden und wesentlich mehr Schatten als vorher. Dank des größeren Schattenanteils war das Laufen überhaupt noch möglich, denn weder unsere Lehrer noch geschweige wir hatten eine Ahnung wo wir uns genau befanden. Alles sah nahezu gleichförmig wunderschön aus, sodass wir dreimal am selben Ausgangspunkt herauskamen… Der vierte Anlauf glückte, statt des einen Hotels tauchte der jüdische Friedhof vor uns auf. Zu meinem Bedauern besuchten wir diesen aber nicht, zu wenig Geld übrig.
Ich fragte mich danach, weshalb man Eintritt zahlen muss damit man Leichen bestaunen konnte. Zumal es waren ja noch nicht einmal wirkliche Leichen, man sah quasi nur deren Todesregistrierung ergo der Grabstein. Ich habe Verständnis dafür, dass es eine historische Gedenkstätte ist aber erstens sollte Bildung für jeden frei zugänglich sein und zweitens müsste es nicht vom Stadt subventioniert werden? Und falls dies alles nicht reichte, weshalb musste der Preis so dermaßen hoch sein? Ich will doch auch nicht, dass man für die Betachtung meines Grabsteins zahlt. Ich hätte davon doch gar nichts mehr.
Im Gegensatz zu der nun greifbaren Freiheit. Bevor ich überhaupt blinzeln konnte waren wir in Gruppen eingeteilt worden und meine Gruppe war die erste, die verschwand nur ohne mich. Prickelnd fand ich das nicht unbedingt, aber traurig war ich nun auch nicht. Blieb mehr Zeit für mich, für anzapfen des W-Lans und eine Fotosafari für unser Pragkunstprojekt. Die Motive beschränkten sich dennoch nur auf Halbschatten… Schatten existierte mal wieder nicht und die pure Sonne mied ich mittlerweile wie ein Vampir. Eins muss man dem jüdischen Viertel lassen, es ist wirklich ausgesprochen hübsch und ausgesprochen teuer mit den dort ansäßigen Luxusmarken… Ich habe noch nie Schuhe im Schaufenster ohne Preis gesehen. Den Laden zu betreten und nachzufragen traute ich mich jedenfalls nicht. Irgendwie fühlte mich in dem Moment tierisch ungeliebt, aber ich wäre nicht ich wenn ich dagegen keine Lösung gefunden hätte. Wie war das nochmal mit dem W-Lan anzapfen? Hat man einmal ein paar Einstellungstricks verstanden ist dass gar nicht mal so schwer…
Im Gegensatz zu dem mir bevorstehenden Ereignis: Ein weiteres Escape Game, dieses Mal musste ich mitspielen und da es nicht 23 Uhr nachts war ging das irgendwie in Ordnung. Das Konzept lautete wie folgt: Wir waren zu viert und würden in zwei zweier Gruppen aufgespalten. Dann sollte ich sowie ein Klassenkamerad in den großen stockdunklen Raum gesperrt werden wohin gegen die anderen zwei in die Kommandozentrale kamen um uns über Funk Befehle zu geben wie wir laufen mussten. Die Kommandozentrale besaß nämlich Nachtsichtkameras… Der Name unserer Challenge lautete Dark Room und Mister J. wusste genau woran ich dachte vielsagend sahen wir uns an. Was starrst du mich so an, ich bin nicht Mr. Jefferson, murrte er mich an… Und ich nicht Chloe…
So standen wir dann dort im Dark Room warteten auf Anweisungen und ich auf ein gewissen Blitzlichts, aber das Blitzlicht blieb glücklicherweise aus und die Befehle unsere Kameraden trugen Früchte, insofern ich die Befehle ausführte. Rechts und Links auseinander zu halten ist eine Sache… Aber im Dunkeln einer fremden Person völlig zu vertrauen eine andere, weshalb mein Teamkamerad quasi zur Statue erstarrt sich nicht mehr bewegen sollte. So wurden aus mir mal wieder zwei Personen und ich legte die Lichtschalter alleine um, bis endlich die Tür zur Kommandozentrale wie von selbst aufsprang und wir nun gemeinsam mit einer Abfolge von Symbolen aus dem endgültigen Raum rauskommen sollten.
Definitiv keine Rekordzeit, aber wir waren dem Dark Room entkommen und das Team welches keinen Namen hatte wurde zu Team Max getauft. Nach einem weiteren Durchgang nur mit anderen Personen bekamen wir weitere 90 Minuten Freiheit… Ich hegte einen Hintergedanken…
Denn in der Nähe wusste ich, lag ein weiterer Friedhof. 15 Minuten mit dem Bus waren doch eine machbare Zeit. Dieser war nämlich eher für die Einheimischen dass roch förmlich nach weniger Touristen. Nur wurden die Hintergedanken weniger erfüllt, als erhofft. Ich hatte meine Rechnung ohne meine Kunstlehrerin aufgestellt. Die ahnte wohl, dass ich etwas im Schilde führte denn sie kette mich verbal an meine Teamkameraden von eben. Das hieß für mich, dass ich mich nun mit den werten Herren und der werten Dame auseinander setzen musste so war es nur eine Frage der Zeit bis meine Lehrerin wusste wohin ich wollte. Was folgte war eine nicht enden wollende Litanei: Was mir den einfiele… Das sei ja viel zu gefährlich. So etwas könne sie auf keinen Fall zu lassen etc.
Ich hörte nur mit halben Ohr zu… Ich weiß selbstständig sein wird heutzutage anscheinend als Todsünde angesehen genauso wie die Fähigkeit selbst zu denken. Ich war volljährig, konnte auf mich aufpassen, hatte ein Handy und vor allem war ich morgens bis heute immer allein unterwegs gewesen… Was konnte ich dafür, wenn nie jemand bemerkte wie ich fehlte? Ich hatte immer wieder zurück gefunden auch ohne Stadtplan und Internet sie nicht, siehe jüdisches Viertel.
Mein Vorhaben platze, denn keiner wollte mich begleiten sie selbst ebenso wenig. Da ist man mal an Kultur interessiert und dann wird das Interesse zensiert, statt dessen wird man in Räume gesperrt und man muss aus ihnen so schnell wie möglich ausbrechen. Wo bleibt denn da der pädagogische Mehrwert? Sich gegenseitig gestresst anzuschreien halte ich für ein gutes TeamWork.
Musste eben Plan B herhalten mit den anderen zurückfahren, durchs Hintertürchen hinaus ausbrechen und dann den Asialaden aufsuchen… Ich muss euch nicht sagen, dass nie vermisst worden bin nachdem ich ein zweites Mal losgegangen war. Den Weg mit der Straßenbahn lehnte ich dennoch ab, dass war mir dann doch zu unsicher… Nach guten 45 Minuten gab ich mich letztendlich geschlagen. Durch zufällig verfügbares W-Lan wurde mir mitgeteilt, dass ich in eine völlig falsche Richtung abgebogen war der Rückweg inklusive erneutes Ausrichten würde zu lange dauern und das Glück das mein Fehlen unentdeckt blieb wenn mich meine Lehrerin schon auf dem Kieker hatte wollte ich nicht eingehen. Enttäuscht und ein klein wenig wütend auf mich selbst und den Rest der Menschheit wollte ich gerade den Heimweg antreten da tippte mich jemand an der Schulter an.
Ruckartig drehte ich mich um in der Hoffnung, dass es weder meine Lehrerin noch irgendeiner meiner Klassenkameraden war. Glück muss der Mensch haben, zwei lächelnde Asiatinnen schauten mich an drückten mir ihren Stadtplan in die Hand und redeten auf mich ein. In ihrer jeweiligen Landessprache versteht sich. bzw versteht sich nicht, denn ich bin außer dem französisch sowie Englischen keiner Fremdsprache mächtig. Meine Fragen und Bitten fielen deshalb eher sporadisch auf Englisch aus. Was allerdings auch nichts half, denn dass verstanden sie wiederum nicht. Weshalb sah ich noch mal aus wie Björk? Nach langem hin und her, dem Taschenübersetzer sowie Zeichensprache wusste ich endlich was sie von mir wollten. Eine Wegbeschreibung zur Oper… Ich wusste noch nicht einmal wie die Oper aussah, doch nach weiteren endlosen Minuten begriff ich dass das Gebäude vor uns sowie das eingekreiste Gebäude auf dem Stadtplan ein und das selbe waren.
Immer hin die zwei waren an ihrem Ziel angekommen, im Gegensatz zu mir. Bald würde es Abendessen geben und mein Magen knurrte jetzt schon wie ein Bär.
Als ich in der Wohnung ankam lag das Projekt Abendessen noch in weiter Ferne.
Zuerst wollten Aufgaben verteilt werden: Einkaufen, Tische hinunter/ hinauf tragen, Tische decken… Raclette zu 20igst ist der pure Wahnsinn. Vor allem weil mal wieder irgendjemand die Fleischthematik fallen ließ und die fünf Leute, die los geschickt worden waren eine geschlagene Stunde zu brauchen um Gemüse, Raclettekäse sowie Hähnchen einkaufen zu gehen. Eine Stunde, der Supermarkt war gerade mal 200 Meter entfernt! Eine vernünftige Ausrede hatten sie auch nicht bereits. Nur undeutliches Herumgenuschle. Inzwischen war ich zwei Stunden über meinem normalen Abendbrot hinweg und mein Agressionstoleranz jenseits aller guten Geister.
Die zwei Höhepunkte bestanden dann darin, dass alle anfingen die wirklich Miniaturchampignons zu schälen… sowie sich darüber zu streiten wer das Fleisch nun waschen und braten sollte. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen endgültig auszurasten.
Mein Appel lautete ungefähr so:
Champignons wäscht man weder noch schält man sie. Sterneköche putzen diese nur gründlich, denn sobald Champignons oder Pilze mit Wasser in Berührung kommen verlieren sie ihren Geschmack.
Als Antwort bekam ich lediglich ein lautes: IHHHHH… Ich überredete sie die Champignons zu waschen, da ich mittlerweile den Eindruck hatte das Aroma eh überbewertet worden wäre und schnippelte sie selbst. Ähnlich wie mit dem Fleisch. Ich merke an, es war bereits geschnittenes und filetiertes Hühnchen. Rein, gewaschen und so un-tierisch wie möglich verpackt dennoch sahen alle Mädchen überall Blutspuren und Adern. Ich sage euch, da war nichts! Wer musste also das Fleisch zubereiten? Bingo ich und die Vegetarierin des Kurses bzw. Ex- Veganerin. Ich hasse Menschen, die Fleisch essen es aber nichts aushalten damit konfrontiert zu werden dass das Hähnchen mal ein niedliches lebendiges Kücken war… So fluchte ich die nächsten 45 Minuten durch bis ich schließlich vor meinem gut bestückten Teller saß. Während der 45 Minuten gingen alledings schon drei Tomaten meinetwegen drauf, da ich es nicht mehr aushielt und sie mit dem Fleischermesser gleich mit schlachtete… Wenn man schon mal dabei war, unser Lehrer fand das eher weniger witzig, dass ich ihn darauf unter weiteren Schimpftiraden aus der Küche schmiss dafür umso mehr.
Der Ende des Abends bestand darin, dass ich mich nach dem Essen einfach auf mein Zimmer verzogen habe… Wer schon nicht kochen kann, musste zumindest aufräumen. Punkt. Aus. Basta!
FSJler fragte per vorsichtiger SMS nach, ob denn Raclette zu zwanzigst möglich sei… Meine Antwort: Eine Leiche zum Dessert… damit schlief ich ein.
„Heiterkeit kennt keine Grenzen… “ so sagen die Jecken alljährlich… öfter braucht man so was aber auch nicht… es sei denn man ist Leser bei dir BUZZz *grins*
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