22. Türchen:

59. „Gib mir fünf Gramm Wahnsinn“ -Pulp Fiction/ Teil 1

„Komm schon Mia, dass wird lustig“, rief Zack und zog mich in die bunte Menschenmasse hinein. Meine Versuche ihn abzuschütteln waren seit Ankunft gnadenlos fehl geschlagen wie auch jetzt. Schließlich gab ich es auf und gab nach. Sollte er mich doch hinbringen wo er wollte. Ich würde ihm jedenfalls klar machen, dass ich weder Lust auf irgendwelche rotierenden oder sich überschlagenden Erlebnisse hatte. Nur war Anbrüllen bei dem Tempo was er vorlegte gar nicht so einfach, weshalb ich nicht nur ständig gegen mir entgegenkommende Passanten lief sondern auch noch immer näher an den Tower kam und ehe ich mich versah stürmte mein bester Freund mit einem solchen Elan durch die Schranke um mich mit einem gewaltigen Ruck mich neben sich zu katapultieren. Die Stimme des zuständigen Security-Mannes wurde von den nun einsetzenden und völlig übersteuerten Boxen übertönt aus denen laut das Main Theme von Beverly Hills Cop plärrte. Was ich allerdings vermutete war dass er lediglich auf null hinunter zählte, denn plötzlich begannen sich die Bügel zu schließen und ich saß fest. Im schrecklichsten Fahrgeschäft unter der Sonne. Stink wütend schleuderte mein Kopf herum und rüttelte am Bügel, vergeblich. „Du, ich hab doch gesagt…!“, setze ich an wurde aber sofort unterbrochen „Dass du aber nie Spaß haben willst… „Spaß wird überbewertet erwiderte ich über den musikalischen Lärm hinweg schreiend. „Dann sieh es nicht als Spaß sondern als ein Selbstexperiment, was dich in eine andere Dimension katapultieren wird.“ Er lachte: „Komm schon wart’s ab!“

Anstatt mich aber dabei anzuschauen wich er meinem Blick aus und schaute mit leuchtenden Augen sowie voller Vorfreude gen Himmel. Ein vierjähriger der sich erhoffte Santa Claus und Rudolph in der Weihnachtsnacht zu sehen, wirkte dagegen fast schon depressiv. Beleidigt verschränkte ich die Arme, half gegen den Beginn der Höllenfahrt allerdings auch nicht. Denn bevor ich weiter über die Sache mit dem Experiment nachdenken könnte setzte sich die gesamtePlattform mit einem heftigen Ruck in Bewegung Richtung Himmel. Ich schrie erschrocken auf, er wusste doch dass ich Höhenangst hatte… Leise fluchte ich in mich hinein, bloß nicht nach unten schauen, bloß nicht nach unten schauen. Mach die Augen zu, befahl ich mir innerlich nur um sie kurz danach wieder erschrocken aufzureißen. Das war eine ganz schlechte Idee gewesen. Mein Magen drehte mit zunehmendem Fahrtwind um. „Du bist doch völlig wahnsinnig“ brüllte ich ihn an. Mittlerweile waren wir ganz oben angelangt und vor mir erstreckte sich ein unendlicher Ozean aus Lichtern, Miniaturmenschen sowie den typischen Gerüchen des Jahrmarktes. Fast schon romantisch mit der untergehenden Sonne im Hintergrund, wenn ich hier nur nicht drin sitzen würde. Aber egal wie laut ich zeterte und strampelte er reagierte nicht. Mir wurde schwindelig.

Dann wurde ich auf einmal ganz ruhig, ob dass nun an der beginnenden Schockstarre lag wusste ich nicht, aber was ich wusste war dass sämtliche meiner Körperteile stocksteif geworden waren und ich mich immer mehr in die Rückenlehne presste. „Du Volligiot, wenn wir wieder unten sind….“ murmelte ich. Einige Leute neben mir kicherten hysterisch, fast kam es mir so vor als würden sie mir zustimmen wollen. Wenigstens war ich nicht die Einzige die durchdrehte. „Na gefällt’s dir?“, kam es nun von der Seite. „Nein“, entgegnete ich eisern. „Lüg doch nicht, ich hab gesehen das du vorne hin kurz gelächelt hast“ er widerte er glucksen und strampelte fröhlich mit den Beinen. Nur bevor ich ihm etwas böses entgegnen könnte begannen wir uns auf einmal ganz langsam zu drehen, gefolgt von einem leisen Klick und die Welt stand still. Aber nur für einige Millisekunden, denn dann stürzten wir urplötzlich in die Tiefe. Ich schrie, die anderen schrieen ebenfalls. Oh Gott war das eigentlich normal? So schnell? Wie ein Blitz durch zuckte mich der Gedanke, dass dies hier gerade meine letzen Sekunden meines noch zu jungen Lebens sein musste. Ich würde sterben, hier und jetzt auf der Stelle. Unfähig nach unten zu schauen merkte ich nur wie sich mein Magen immer mehr Richtung Kehlkopf bewegte. War. mir. schlecht. Darüber könnte weder der unglaublich erfrischende Fahrtwind der meinen Angstschweiß trocknete noch die Schwerelosigkeit hinweg täuschen. Wie sich wohl Astronauten beim Start eines Space Shuttels fühlten? Auf jeden Fall so ähnlich das war sicher.

Ganz vorsichtig spähte ich zur Seite der Erdboden war jetzt verdammt nah, gleich würden wir aufprallen. Jetzt schrie ich wirklich aus Leibeskräften wollte ich doch jedem klar machen was hier grausames passierte. Zumindest sollten meine letzen Gedanken an meine Familie gehen, immerhin hatten sie diese Aktion auf den Jahrmarkt zu besuchen von Anfang an nicht gut geheißen. Bereit jeden Moment am Boden zu zerschellen kniff ich jetzt doch lieber die Augen zu. Ganz fest. Wirklich erpicht darauf die entsetzen Gesichter der umstehenden Passanten zu sehen war ich nicht wirklich. Wie fühlte sich dass eigentlich so an? Wie erschlagen werden? Ob Zack im Moment das Selbe dachte? Vor wenigen Sekunden hatte er nicht besonders beunruhigt ausgesehen, er hatte seinen Spaß. Dass dieser jetzt tödlich endete verdrängte er wohl gekonnt. Und dann, ohne Vorwarnung oder vorherige Anzeichen ging ein schmerzender Ruck durch meinen Körper.

Was war los? War ich tot? Nein ich konnte noch denken… Also was war anders. Richtig, wir vielen nicht mehr. Wir hatten angehalten. Halleluja sie hatten es geschafft. Wir waren gerettet. Gott sei Dank. Erleichtert öffnete ich die Augen wir hingen gute zwei Meter über dem Erdboden, war dass knapp gewesen. Vorsichtig schaute ich mich um. Viele unserer Mitfahrer sahen allerdings so aus, als ob sie den Spaß ihres Lebens gehabt hatten. „Wie lange es wohl dauert bis die eine Leiter auftreiben können…“, murmelte ich halblaut. Wobei das Halblaut wohl für Zack sehr laut war denn er prustete los und drehte seinen Kopf grinsend zu mir „Wieso Leiter?“ Irritiert sah ich ihn an, war er manchmal wirklich so blöd oder tat er nur so? „Na irgendwie müssen wir doch herunter kommen“. Als ich dass aussprach lachte er noch mal, dieses Mal bekam er sich gar nicht mehr ein. In dem Moment ging abermals ein Ruck durch uns hindurch und das Ding setzte sich abermals in Bewegung. Nur entgegnen meiner Erwartungen nicht nach unten sondern nach oben. Die Igiodten hatten das Ding angehalten, und fuhren uns wieder rauf? Waren die Irre?

„Warum fahren uns die wieder rauf?“ donnerte ich meinem mittlerweile ehemaligen besten Freund gegen den erneut aufkommenden Fahrtwind an. „Warum? Meinst du das ernst? Das ist doch der Sinn des Ganzen. Sag bloß du wusstest dass noch nicht?!“ Jetzt bekam er vor Lachen fast keine Luft mehr und wären die Bügel nicht gewesen wäre er garantiert in die Tiefe gefallen. Jetzt gerade hätte ich aber auch nichts dagegen einzuwenden gehabt. „Man fährt hoch und dann fällt man!“ Schrie er weiter zurück. Weiter kam er nicht, denn nun fielen wir erneut nicht von ganz oben wie beim ersten Mal dennoch immer noch hoch genug um mir angst einzujagen. Ich schrie wieder. Was war das hier für ein krankes Spiel? Dass machte doch keinen Spaß! Dieses Mal versuchte ich mich so klein wie möglich zu machen, ich hatte noch nie an Gott geglaubt, war ich doch in eine atheistische Familie geboren worden aber jetzt schickte ich mein erstes, wahrhaftiges Stoßgebet gen Himmel. Du lieber heiliger Geist falls es dich wirklich gibt mach bitte bitte das es aufhört! Dachte ich immer wieder.

Inzwischen stiegen wir wieder und dann spürte ich wieder wie mein Magen sich gegen meine Kehlkopf drückte und ich wiederholt vom sitz abhob. Dann bremsten wir wieder hart ab, doch statt abermals zu steigen glitten wir langsam weiter nach unten, um schließlich zum Stehen zu kommen. Lass es bitte, bitte vorbei sein flüsterte mein Bewusstsein wie verrückt auf mich ein, wobei ich mich gleichzeitig darüber wunderte was ich denn auch hätte tun sollen wenn es nicht vorbei gewesen sein könnte. Immerhin saß ich genauso hinter den Sicherheitsbügeln fest wie mein liebes Denkvermögen oder auch nicht, denn plötzlich glitten die Bügel nach oben und mein völlig durchgeschwitzter Rücken löste sich sofort von dem schwarzen Polyestersitzen. Oh Vater sei dank! Ich keuchte, war ich doch noch völlig fertig. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding, aber neben meiner Angst und der Freude dass es vorbei war mischte sich doch noch irgendein anderes Gefühl darunter, benennen konnte ich es nicht wirklich. Vielleicht ein gewisses Bedauern, dass es vorbei war?

Der Adrenalinkick war unglaublich gewesen ebenso wie die Angst. Ich strafte mich, trotzdem nie wieder würde ich da rein gehen. Nie. Nie. Wieder. Auch wenn meine Gefühle jetzt aus purem Glück bestanden. Unauffällig schlich ich zu der nächst besten Bank. „Du dachtest echt wir stürzen ab?“, kam es kichernd von hinten. Trotzig verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich noch nie auf dem Jahrmarkt war“, schnauzte ich ihn an. Als Antwort erntete ich lediglich einen fassungslosen Blick. „Herrlich… und das ist kein Scherz?“ Ich begann zu kochen: „Nein das ist kein Scherz, ich wäre da oben fast gestorben und du findest das lustig?“ brüllte ich jetzt. Er nickte, „und ob“. Er fing wieder an zu lachen. Als er allerdings meinen Blick bemerkte blieb im sein Lachen im Halse stecken. „Och, komm schon. So schlimm war es doch gar nicht, gib’s zu du hattest ein geiles Gefühl danach!“ Diese Adrenalinkicks sind unglaublich!“ Dabei bekam er wieder seinen typisch schwärmerischen Ausdruck in den Augen. „Pah“ schnaufte ich nur. Ein bisschen hatte er ja schon Recht, aber würde ich das nie zugeben. „Hey, ich mach dir einen Vorschlag, du fährst mit mir noch mal das Ding und dann hast du einen Wunsch frei, Deal?“ Jetzt grinste er nicht mehr, sondern lächelte schief.  „Ähm, nein?“ rief ich wieder.

Der Typ war wirklich schwer von Begriff „Um da wieder rein zu gehen muss man wahnsinnig sein!“ Bei diesen Worten wechselte sein Lächeln gegen den Hundeblick wie ich es hasste. Seine Geheimwaffe, nicht nur bei mir sondern bei jedem Mädchen. „Komm schon… zwei Wünsche“, er schüttelte seine Haare aus dem Gesicht und legte dabei den Kopf schief. Verdammt, er wusste wie er mich rumkriegte. Ich musste hart bleiben. „Ich hätte eine Portion Wahnsinn für dich, und drei Wünsche…“ Er wedelte mit der Hand vor meinen Augen hin und her, um mich dann sofort wieder mit seinen Hundeblick anzuschauen. „Bitte…“, quengelte er mit einem Schmollmund. Ich stampfte wütend auf. Wie schaffte er das bloß, jedes Mal bekam er mich damit. Mist. Drei Wünsche ohne Einschränkungen waren aber auch zu schön… „Na gut, aber nur weil du es bist“, ich seufzte wusste ich jetzt schon dass ich es bereuen würde. „Gib mir fünf Gramm Wahnsinn!“ Ich machte die Hand auf und schaute ich an. Seine Augen leuchteten. „Yes“ rief er und tanzte dabei im Kreis. Ich beobachtete ihn mürrisch. „Und die drei Wünsche gelten vollkommen uneingeschränkt?“ fragte ich scheinheilig. „Ja, hab ich doch gesagt“ er fasste mich wieder am Ärmel. „Na dann los!“ Dieses Mal ließ ich mich mitziehen… Rache war schließlich Blutwurst!

Ende

14 Kommentare

  1. … was für ein netter kleiner Dialog zu einer unsäglichen Uhrzeit… das Blumenmädchen fährt alles was sich dreht und Überschlägt, nur aus freiem Fall ist ist es so was von raus… mein Hobby war immer meinen besten Freund auf dem Dom grün anlaufen zu sehen… war, er hat dazu keine Lust mehr *g*
    MEGA Geschichte, so aus dem Leben!!!

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  2. Wie Ende??????? Ich bin mit den Nerven so was von fertig….ich kenne die Panik auf einem solchen Geraet selbst….ich gehe da NIE mehr drauf…..und nun frage ich mich bis an mein Lebensende, was die 3 Wuensche wohl sein moegen…. Dankeschoen😂

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    1. Anders herum gefragt: Wie du bist schon auf? ;D
      Na ich dachte vor Weihnachten sollte man keine Müdigkeit vortäuschen… Das Adrenalien vom Stress ist dich eh schon da.

      Glaub mir, mir waren früher schon die Kinderkarussels zu viel und nach zwei Runden Kettenkarussel war mir mal für den Rest des Tages schlecht. So viel zum Thema: Action.

      Naja wenn Rache Blutwurst ist ;-) Kannste es dir ja blutig und blumigst ausmalen

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      1. An manchen Tagen schlafe ich schlecht,immer wenn mich Dinge beschaeftigen…..aber ich mag das, alles ist noch so ruhig….meine Tochter mag Karussell fahren, einmal versuchte ich in Panik waehrend der Fahrt auszusteigen……eine sehr schlechte Idee……es gab eine Zugabe, was ich nicht mitbekommen hatte, gefuehlsmaessig war die Fahrt viel zu lang…seitdem meide ich solche Situationen…..GUTEN MORGEN, uebrigens ….

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